Licht auf die Überlieferungslücke

Mischa Kuball weist mit “missing link” auf eine Fehlstelle

ein Film von Yaël Kempf

„Was ist da passiert? Was war denn da möglich?“ Nachdenklich, aufgerührt, noch immer empört stellt Mischa Kuball seine Fragen an das Geschehen mitten in Düsseldorf vor 85 Jahren und an die in der regnerischen Nacht zum 10. November am Tatort Versammelten heute. 

Die Synagoge der Jüdischen Gemeinde in der Kasernenstraße war von nationalsozialistischen Verbänden 1938 in Brand gesetzt worden, „und dann gab es den Befehl an die Feuerwehr, nicht zu löschen!”

Die große Synagoge, mit Schule und Gemeindezentrum, 1904 im neoromanischen Stil errichtet, bildete lange einen zentralen kulturellen Mittelpunkt des jüdischen Lebens in der Stadt. Neben Gottesdiensten fanden dort Konzerte und öffentliche Vorträge statt. Von den 5500 Gemeindemitgliedern überlebten 57 die Verfolgungen. Heute erinnert ein schlichter Gedenkstein an das später abgerissene Bauwerk

Im Zuge der Novemberpogrome im gesamten Reichsgebiet wurden zwischen dem 7. und 13. November 1938 mehrere hundert Juden ermordet, mindestens 300 nahmen sich das Leben. Um die 1400 Synagogen, Betstuben und sonstige Versammlungsräume jüdischer Menschen sowie tausende Geschäfte, Wohnungen und jüdische Friedhöfe wurden gestürmt und zerstört. Deportationen jüdischer Menschen in die Konzentrationslager folgten.

Als „missing link“, als eine außerordentliche Fehlstelle, bezeichnete Kuball wie auch Düsseldorfs OB Stephan Keller den Verlust der Menschen und ihrer Synagoge. „Das Fremde bereichert. Ausgrenzung macht überhaupt keinen Sinn.“

Vor dem Hintergrund eines erschreckend ansteigenden Antisemitismus in Deutschland, sowie des Terrorangriffs und der Geiselnahme der Hamas in Israel gewinnt Kuballs künstlerische Intervention eine besondere Aktualität.

Seine Lichtinstallation “missing link_” legt eine Lichtspur über die verkehrsreiche Kasernenstraße im Stadtteil Friedrichstadt und versetzt den Gedenkstein in neues Licht. Sie gibt dem Ort der Schändung und Zerstörung eine neue Sichtbarkeit und bietet einen Resonanzraum für das gemeinsame Gedenken und Zusammenkommen. Eine große Umrisszeichnung der Synagoge, wie sie hier früher stand, erinnert zudem an den stolzen Bau.

Eine erste Synagoge in Düsseldorf wurde im Jahre 1712 von einem Ahnherrn Heinrich Heines an der Neusser Straße errichtet. 1787 konnte die Gemeinde ein Grundstück an der späteren Kasernenstraße erwerben und beantragte zwei Jahre später die Bauerlaubnis für eine neue Synagoge.  

“missing link_” entsteht im Dialog mit der Jüdischen Gemeinde und deren Vorstandsvorsitzenden Oded Horowitz. Die Arbeit ist eine Kooperation mit der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf, der Stadt Düsseldorf sowie der Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf.

Die Installation wird zunächst bis zum März 2024 zu sehen sein. Ergänzend zu der Installation bietet eine eigens entstandene App Informationen, historische Abbildungen und Zeitzeugenberichte.

„Dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen.“ Der mahnende Satz stammt von Heinrich Heine, Düsseldorfs berühmtestem jüdischen Sohn (der 1856 in Pariser Exil starb). Schon im Mai 1933 war es zur „Bücherverbrennung“ der Nazis in Deutschland gekommen. 1823 zählte die Jüdische Gemeinde Düsseldorfs 315 Seelen. Heute ist sie mit etwa 7000 Mitgliedern die drittgrößte Gemeinde in Deutschland.

Aktuell ist Light_Poesis im Skulpturenpark Waldfrieden Wuppertal zu sehen. Unbedingt sehenswert.


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