Schmähung, Beschimpfung, Herabsetzung sind in letzter Zeit wieder laut geworden. Sie haben vielfachen Zuspruch bekommen. Millionfach verstärkt, entfacht von national gefärbten Größen und Getösen.
Es ist höchste Zeit, die Menschenwürde zu verteidigen, sie weit vorne an zu setzten.
Es brennt mehr denn je. Wir brauchen eine Bestärkung und Ermutigung der Zivilität.
Antisemitismus ist eine der vielen Arten von Herabwürdigung. Antisemitische Beleidigungen und Übergriffe haben überall im Land zugenommen. Das berührt den inneren Zusammenhalt unserer Gesellschaft und setzt sie einem gefährlichen Druck aus.
Hetze und Verleumdung führen zu Hass und Gewalt. Verschweigen hilft nicht. Die öffentliche, gemeinsame Aktion ist gefordert.
Der Deutsche Bundestag hat gestern eine „Antisemitische Resolution“ debattiert und beschlossen. Der Kampf für mehr Zivilität ist damit nicht gewonnen.
„Was ist da passiert? Was war denn da möglich?“ Nachdenklich, aufgerührt, noch immer empört stellt Mischa Kuball seine Fragen an das Geschehen mitten in Düsseldorf vor 85 Jahren und an die in der regnerischen Nacht zum 10. November am Tatort Versammelten heute.
Die Synagoge der Jüdischen Gemeinde in der Kasernenstraße war von nationalsozialistischen Verbänden 1938 in Brand gesetzt worden, „und dann gab es den Befehl an die Feuerwehr, nicht zu löschen!”
Die große Synagoge, mit Schule und Gemeindezentrum, 1904 im neoromanischen Stil errichtet, bildete lange einen zentralen kulturellen Mittelpunkt des jüdischen Lebens in der Stadt. Neben Gottesdiensten fanden dort Konzerte und öffentliche Vorträge statt. Von den 5500 Gemeindemitgliedern überlebten 57 die Verfolgungen. Heute erinnert ein schlichter Gedenkstein an das später abgerissene Bauwerk.
Im Zuge der Novemberpogrome im gesamten Reichsgebiet wurden zwischen dem 7. und 13. November 1938 mehrere hundert Juden ermordet, mindestens 300 nahmen sich das Leben. Um die 1400 Synagogen, Betstuben und sonstige Versammlungsräume jüdischer Menschen sowie tausende Geschäfte, Wohnungen und jüdische Friedhöfe wurden gestürmt und zerstört. Deportationen jüdischer Menschen in die Konzentrationslager folgten.
Als „missing link“, als eine außerordentliche Fehlstelle, bezeichnete Kuball wie auch Düsseldorfs OB Stephan Keller den Verlust der Menschen und ihrer Synagoge. „Das Fremde bereichert. Ausgrenzung macht überhaupt keinen Sinn.“
Vor dem Hintergrund eines erschreckend ansteigenden Antisemitismus in Deutschland, sowie des Terrorangriffs und der Geiselnahme der Hamas in Israel gewinnt Kuballs künstlerische Intervention eine besondere Aktualität.
Seine Lichtinstallation “missing link_” legt eine Lichtspur über die verkehrsreiche Kasernenstraße im Stadtteil Friedrichstadt und versetzt den Gedenkstein in neues Licht. Sie gibt dem Ort der Schändung und Zerstörung eine neue Sichtbarkeit und bietet einen Resonanzraum für das gemeinsame Gedenken und Zusammenkommen. Eine große Umrisszeichnung der Synagoge, wie sie hier früher stand, erinnert zudem an den stolzen Bau.
Eine erste Synagoge in Düsseldorf wurde im Jahre 1712 von einem Ahnherrn Heinrich Heines an der Neusser Straße errichtet. 1787 konnte die Gemeinde ein Grundstück an der späteren Kasernenstraße erwerben und beantragte zwei Jahre später die Bauerlaubnis für eine neue Synagoge.
“missing link_” entsteht im Dialog mit der Jüdischen Gemeinde und deren Vorstandsvorsitzenden Oded Horowitz. Die Arbeit ist eine Kooperation mit der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf, der Stadt Düsseldorf sowie der Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf.
„Dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen.“ Der mahnende Satz stammt von Heinrich Heine, Düsseldorfs berühmtestem jüdischen Sohn (der 1856 in Pariser Exil starb). Schon im Mai 1933 war es zur „Bücherverbrennung“ der Nazis in Deutschland gekommen. 1823 zählte die Jüdische Gemeinde Düsseldorfs 315 Seelen. Heute ist sie mit etwa 7000 Mitgliedern die drittgrößte Gemeinde in Deutschland.
Die Installation, die von November 2023 bis März 2024 bereits als Probeaufbau zu sehen war, befindet sich nun dauerhaft an der Kasernenstraße. Die Beleuchtung setzt immer bei Anbruch der Dunkelheit ein. Für den Aufbau der permanenten Installation wurde der Gedenkstein im August dieses Jahres zunächst abgebaut und eingelagert. Am 29. Oktober 2024 wurde er wieder aufgestellt.
Die neue Installation ist 3,40 Meter breit, 12,20 Meter hoch und besteht aus einer 3 mal 9 Meter großen Glasplatte, die per Keramikdruckverfahren einen Ausschnitt der historischen Synagoge in schwarzer Farbe abbildet. Die Glasplatte ist über Stahlträger befestigt, ebenso wie die gegenüberliegende Lichtquelle. Diese beleuchtet mithilfe eines Gobo-Objektivs das Motiv, den Gedenkstein sowie einen Fahrbahnstreifen. Das Gesamtgewicht der Installation beträgt 8,8 Tonnen – die Stahlkonstruktion machen 6 Tonnen und die Glasplatte 2,8 Tonnen aus. Ergänzend zu der Installation bietet eine eigens entstandene App Informationen, historische Abbildungen und Zeitzeugenberichte.
Mischa Kuball (* 20. September 1959 in Düsseldorf) ist ein Konzeptkünstler, der vornehmlich mit weißem Licht im öffentlichen und institutionellen Raum arbeitet. Seine Installation „refraction house“ bezog sich schon 1994 auf eine Synagoge in Stommeln.
Seine Serie von Installationen im öffentlichen Raum „public preposition“ (seit 2009 in Venedig, Marfa, Toronto, Bern, Wolfsburg, Jerusalem, Katowice und Christchurch) spiegeln sein anhaltendes Interesse an einer künstlerischen Auseinandersetzung mit abstrakten Formen und symbolischer Kommunikation. Seine Interventionen/Installationen beziehen eine Mittelposition zwischen den historisch und sozial konnotierten Orten sowie der künstlerischen Intervention.
2017/19 ‘res·o·nant’, Jüdisches Museum Berlin, Berlin, 2021 ReferenzRäume, Kunstmuseum Wolfsburg, Wolfsburg, 2021 BLACKOUT, Skulpturenmuseum Glaskasten, Marl, 2021/22 ReferenzRäume, Museum Morsbroich, Leverkusen.
Aktuell ist Light_Poesis im Skulpturenpark Waldfrieden Wuppertal zu sehen. Unbedingt sehenswert.
Weitere Beiträge dazu:
Mischa Kuball im documenta archiv Kassel