„Ihr könnt machen, was ihr wollt“, ruft Kasper König den Kölner Kollegen vom Museum Ludwig zu. Ermutigung in Zeiten der Bedrückung und der Einschränkungen, oder ist es ein Aufruf zur Befreiung und zu mehr Freiheit von einem, dem es um Kunst geht.
Ohne Einschränkungen, ohne „blöde Bedingungen“ schenkt er seine Kunstsammlung her. Spontankäufe, Souvenirs, Jahresgaben und Geschenke sind über die Jahrzehnte zu seinem persönlichen Sammelsurium gewachsen. Konzeptuelles trifft auf schrägen Humor, Superstar trifft Noname. Aber hinter jedem Objekt, Bild, Multiple, hinter jeder Skulptur oder Zeichnung steckt eine lausige, witzige, aufschlußreiche Anekdote. Der Kommunikationsweltmeister und Westkunst-Kommentator König, der Postkartenvielschreiber und Großausstellungsmacher, der unentwegte Kunstvagabund und spätberufene Museumsdirektor zieht mehr gelebte Erinnerungen aus der Westentasche als in den Laptop so manchen Kurators passen.
Zwölf Jahre lang, von 2000 bis 2012 war König Direktor des Museum Ludwig in Köln. Ein „immens politischer Posten“, weil das Museum ein öffentlicher Ort ist: „Er gehört allen und keinem“.
Extra für König öffnet das Ludwig am 4. Dezember, einem Montag, von 17.00 bis 22.00 Uhr, um seine Schenkung der von ihm so umworbenen, geschätzten Öffentlichkeit zu präsentieren. Seine Wunsch-Jazz-Kombo wird spielen. König wird aus Berlin anreisen, wo er seit über zehn Jahren lebt. „Der Brötzmann kann nun leider nicht kommen, er ist schon gestorben. Aber Sven-Åke Johansson wird sein Schlagzeug auspacken.“ Den Jazz liebt er seit den Tagen, da er Anfang der sechziger Jahre Volontär bei Rudolf Zwirner im Kolumbakirchhof in Köln war und bei Konrad Klapheck in Düsseldorf in die Grundausbildung ging.
Als Aufbauhelfer wird König wenig später von Arnold Bode bei der documenta 3 engagiert. Eine Berufung zur Leitung einer Documenta hat er trotz mehrmaliger Bewerbung später nicht erhalten. Das „Schlamassel“, in dem die Documenta aktuell steckt, sieht er mit einem weinenden Auge. Das andere sieht das Ende solcher Großausstellungen, weil „das Politische über die Kunst gewonnen hat.“
Ein Museumsmann wurde König spät. „Ich bin letztlich branchenfremd, kein promovierter Kunsthistoriker und habe diverse Sachen gemacht, aber mich vor allem seit erschreckend langer Zeit immer mit dem beschäftigt, was Künstler tun und was Kunst sein könnte.”
Ungewöhnlich seine Ausstellung im November 2001 „Museum unserer Wünsche“. Er holte 120 Werke ins Haus und kennzeichnete sie mit silbernen Schildchen als Wünsche zur Ergänzung der Ludwig Sammlung. Insbesondere mit Hilfe der Peter und Irene Ludwig Stiftung sollte es ihm gelingen, die meisten dieser Arbeiten bei seinem Abgang zwölf Jahre später mit goldenen Schildern zu versehen. 2000 Werke konnte König insgesamt anschaffen. Die Verdichtung, auch die Erweiterung waren gelungen. Titel seiner letzten Ausstellung in Köln: „Ein Wunsch bleibt immer übrig“.
Das Zusammenspiel von Sammlung mit Wechselausstellungen und umgekehrt war ihm wichtig. Doch im Zentrum steht bis heute der Künstler, die persönliche Begegnung, der Austausch. König ist heute die einzige lebende Person der Kunstwelt, der sie alle persönlich kannte und kennt. Wirklich alle. Jedenfalls kann sich kein Künstler, keine Künstlerin erlauben, ihn nicht zu kennen. Der Weltkunstbürger König wird heute 80 Jahre alt.
C.F.Schröer
Als jüngstes von sechs Kindern wächst Kasper König im Münsterland auf. 1962 absolviert er ein Volontariat in der Galerie Rudolf Zwirner in Köln.1963 geht er nach London. Dort arbeitet er in den Galerien Annely Juda und Robert Fraser und besucht nebenbei kunsthistorische Vorlesungen am Courtauld Institute of Art. Auf Vermittlung von Arnold Bode arbeitet König 1964 als Aufbauhelfer bei der „documenta 3“. 1965 reist er als Kurier im Auftrag der Robert Fraser Gallery nach New York, wo er mit Unterbrechungen bis 1978 lebt. Von dort aus arbeitet er für europäische Museen an Ausstellungs- und Publikationsprojekten, handelt mit Kunst und baut ein Netzwerk auf, zu dem unter anderen die Künstler Carl Andre, Richard Artschwager, Hanne Darboven, Dan Graham, On Kawara, Sol LeWitt, Gordon Matta-Clark, Bruce Nauman, Claes Oldenburg und Andy Warhol gehören. An der New Yorker New School besucht er Vorlesungen im Fach Anthropologie. 1966 kuratiert König im Moderna Museet in Stockholm seine erste Ausstellung: „Claes Oldenburg“. Mit seinem Bruder Walther gründet er 1968 den Verlag Gebrüder König in Köln. Von 1973 bis 1975 lehrt König als Associate Professor am Nova Scotia College of Art and Design in Halifax, Kanada, und richtet dort 1973 den Verlag Press of the Nova Scotia College of Art and Design ein, wo er die Kunstbuchreihe „Source Materials of the Contemporary Arts“ herausgibt. 1977 initiiert er auf Einladung von Klaus Bußmann mit ihm zusammen die Skulptur-Projekte in Münster, die im Anschluss regelmäßig in einem Turnus von zehn Jahren stattfinden. 1978 kehrt König mit seiner Familie nach Deutschland zurück und wird 1984 auf den neu gegründeten Lehrstuhl Kunst und Öffentlichkeit an die Kunstakademie Düsseldorf berufen. Von 1988 bis 2000 lehrt König als Professor an der Städelschule in Frankfurt am Main, die er ab 1989 als Rektor leitet. Bereits 1987 gründet er die Ausstellungshalle Portikus, die der Kunsthochschule angeschlossen ist. König kuratiert zahlreiche Themenausstellungen, darunter „Aspects of Recent Art from Europe“ (Sperone Westwater Fischer Galerie, New York, 1976), „Westkunst. Zeitgenössische Kunst seit 1939“ (gemeinsam mit Laszlo Glozer, Rheinhallen, Köln, 1981), „von hier aus. Zwei Monate neue deutsche Kunst in Düsseldorf“ (Halle 13 der Messe Düsseldorf, 1984), „Der zerbrochene Spiegel“ (gemeinsam mit Hans Ulrich Obrist, Kunsthalle Wien/Deichtorhallen Hamburg, 1993) und „Sultan’s Pool“ auf der Jerusalem Biennale (1997). 2000 verantwortet König das Kunstprogramm der Weltausstellung EXPO in Hannover und kuratiert 2003 den Österreichischen Pavillon der „50. Biennale von Venedig“. Weiterhin organisiert er zahlreiche monografische Ausstellungen, darunter zum Werk von Andy Warhol (1968), A.R. Penck (1973), On Kawara (1974), Donald Judd (1976), Michael Asher (1976), Gerhard Richter (1993) und Gregor Schneider (1997). Zwischen 2000 und 2012 leitet König das Museum Ludwig in Köln, das 2001 mit der Präsentation „Museum unserer Wünsche“ wiedereröffnet wird. Unter seiner Leitung finden dort weiterhin Einzelschauen unter anderen von Isa Genzken und Wolfgang Tillmans (2001/02), Franz West (2009/10) und A.R. Penck (2010/11) sowie thematische Ausstellungen wie „Das achte Feld. Geschlechter, Leben und Begehren in der Kunst seit 1960“ (mit Frank Wagner und Julia Friedrich, 2006) und die Skulpturenausstellung „Vor dem Gesetz“ (2011/12) statt. 2014 ist König Kurator der „Manifesta 10“ in St. Petersburg und übernimmt 2017 abermals die künstlerische Leitung der Skulptur-Projekte Münster. Er ist Herausgeber zahlreicher Publikationen zur Kunst der Moderne und der Gegenwart, darunter „Der Schatten der Avantgarde“ (Ostfildern 2015), „Manifesta 10“ (Köln 2014), „Isa Genzken. Sesam, öffne dich!“ (Köln 2009), „Bruno Gironcoli/Biennale di Venezia 2003“ (Köln 2003), „On Kawara. Wieder und Wider“ (Frankfurt am Main 1992), „Franz West, schöne Aussicht“ (Frankfurt am Main 1988) und „Franz Erhard Walther. Objekte, benutzen“ (Köln/New York 1968). König wird unter anderem mit dem Award for Curatorial Excellence des Center for Curatorial Studies/Bard College (2000), dem Lifetime Achievement Award der Guggenheim Foundation New York (2009) und der Ehrendoktorwürde des Nova Scotia College of Art and Design, Halifax, ausgezeichnet.
Dazu auf eiskellerberg:
“Es schließt sich für mich ein Kreis”
Privjet Manifesta – Ein König für Sankt Petersburg
Ende einer Ära, Ende einer Buchreihe