Drakeplatz 4

Beuys-Atelier steht zum Verkauf / 100 Jahre Beuys (I)

Wenzel schlafend, Blick aus dem großen Raum Drakeplatz 4 in Richtung Haustür ©Eva Beuys

„Sparsam mußten wir sein“, erinnert sich Eva Beuys (geb. 1933) an die Jahre mit „Beuys“, wie sie ihren Mann stets achtungsvoll nannte. „Denn Beuys´ Werke bestehen aus bestem Material, erfordern Handwerker, Kosten ihrer Realisierung. Nichts wurde vorfinanziert. Leicht wird übersehen, dass ein Bildhauer zu sein bedeutet, einen Betrieb zu haben und das notwenige Vermögen zu bilden, um eine Plastik, eine Aktion, ein Environment überhaupt realisieren zu können. All das gehört zum Drakeplatz 4.“

Hält fest. Beuys hinter Eva Wurmbach, 1959 kurz vor der Vermählung. Doppelportrait von Fritz Geltinger

Als Joseph Beuys 1959 um die Hand von Eva Wurmbach anhielt, soll sich der künftige Schwiegervater nach den Vermögensverhältnissen des Bewerbers erkundigt haben. „Ich habe nichts und werde auch in Zukunft nichts haben“, lautete die Antwort des Bildhauers. Mit vierzig war er gerade wieder bei seinen Eltern in Kleve eingezogen, sein Atelier war 1956 abgebrannt.

In seinem Lebenslauf/Werklauf steht für die Jahre 1957-60 lediglich der Eintrag „Erholung von der Feldarbeit“. Das Paar bezieht nach der Hochzeit für zwei Jahre die Studentenbude von Eva.

Nach einem, am Einspruch seines Lehrer Ewald Mataré gescheiterten Versuch, eine Professur an der Kunstakademie Düsseldorf zu bekommen, bewirbt sich Beuys Anfang 1961 erneut. Der Fotograf Fritz Geltinger hatte dazu eine Mappe mit 50 Abbildungen von Werken Beuys‘ erstellt. Diesmal wird Beuys einstimmig zum Professor für monumentale Bildhauerei berufen.

Als Eva schwanger wird, geht man auf Wohnungssuche. Den Umzug in die erste gemeinsame Wohnung, die zugleich Atelier ist, bewältigte man im März 1961 „in einem gemeinsamen Gang“, wie sich Eva erinnert: „Beuys mit seinem Lederkoffer, ich mit einem kleinen Korb meiner Großmutter“.

Blick vom Flur in den Raum Drakeplatz 4 und in den dahinter liegenden Hof im Frühjahr 1962 ©Eva Beuys

Wesentlich für Beuys war, dass diese neue Bleibe ebenfalls linksrheinisch war. „Auf die rechte wäre Beuys nie gezogen.“ Der neue, ebenerdig gelegene Lebensraum bestand aus einer Tordurchfahrt und einem geräumigen Zimmer. Dieser im Familienjargon „das große Zimmer“ genannte Raum, vier, fünf Meter Deckenhöhe, lag zwischen dem Eingang und dem angrenzendem Hof, alles zusammen vielleicht 250 Quadratmeter. „Auf den oft sehr schnellen Wechsel zwischen privat und offiziell waren wir alle, auch die Kinder, schon automatisch eingestimmt. Wir waren es gewohnt, untereinander und um die Dinge zu kreisen.“ Eva Beuys erwarb gleich 1961 eine Maximar 27, eine 9 mal 12 Plattenkamera. Im Souterrain entwickelte sie nachts die Aufnahmen auf Glasplatte eigenhändig. Den „Linhof“ Belichtungsapparat bekam sie von ihrem Vater geschenkt, Beuys nutzt Evas Aufnahmen in Environements, z.B mit dem Titel „ARENA – wo wäre ich hingekommen wenn ich intelligent gewesen wäre“ (1970-73).

Als sich 1975 die Möglichkeit bietet, das Nachbarhaus in der Wildenbruchstraße zu erwerben, zieht Familie Beuys um, wo sie bis heute wohnt. Drakeplatz 4 wird von Beuys weiter genutzt als Büro, Werkstatt und vor allem für Gespräche. Erst 2016 kam es auf Anregung von Lothar Schirmer zu einer Veröffentlichung der Photographien von Eva Beuys-Wurmbach „Beuys Düsseldorf-Oberkassel Drakeplatz 4“ Schirmer, Mosel, München, 144 Seiten. Die wundervollen Photographien sind die beste Erinnerung an diese berühmte Beuys-Stätte. Sie zeigen in selten eindrucksvollen, großformatigen Aufnahmen das Ineinander von Wohnen und Arbeiten, von Werk und Leben, von Kinderspiel und Ausstellungsraum.

„The needles of a Christmas Tree 1962“. Der Weihnachtsbaum, der solange stehen blieb, bis er seine Nadeln verloren hatte ©Eva Beuys

Tafel 5 zeugt davon auf eindrucksvolle Weise. Das Photo zeigt den ersten Weihnachtsbaum der jungen Familie nach dem Einzug. Er steht mitten im großen Raum. Man hat ihn solange stehen lassen, bis alle Nadeln abgefallen sind und sich auf dem lederbekleideten Fußboden ein eigener Nadelteppich bildet. „Sparsam“ auch diese Plastik. Aus der Fichte wird Arte Povera.

Jetzt, zum Auftakt des Beuys-Jahres, kommt das Atelier Drake-Platz 4 in den Verkauf, wie ein Düsseldorfer Maklerunternehmen verlauten lässt. Die Preisvorstellungen liegen jenseits der Millionen.

Wieder, wie schon beim Haus des Beuys-Galeristen Alfred Schmela, geht die Frage an die öffentliche Hand, das Atelier zu erwerben. Das Land NRW hatte das „Schmela Haus“ 2008 für zwei Millionen Euro angekauft. Doch weder das Land noch die Stadt Düsseldorf erwägen derzeit den Ankauf. Eine private Nutzung wird gesucht.

 


 

Redaktion: Anke Strauch

 

 

 

Düsseldorf- Oberkassel. Drakeplatz 4

erschienen bei Schirmer-Mosel; 49,80€


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