Unbedingt wollten wir hinter das Geheimnis kommen. Wenn ein Mann wie Axel Vervoordt sich der alten Wabi-Kultur verschreibt, klingt das wie das Märchen vom König, der alles hatte, aber am liebsten in der Waldhütte Erbsensuppe löffelt. Überdruss oder höhere Weisheit?
Mit Axel Vervoordt geht es wie mit einer alten Kommode. Man findet darin die erstaunlichsten Dinge. Man glaubt genau zu wissen, was sich darin befindet und ist doch verblüfft über die Fülle unerwarteten Entdeckungen und Überraschungen.
Wir fuhren also nach s´Gravenwezel – Vervoordts barockem Wasserschloß mit wirklich ausgedehnten Gärten – und fanden uns unvermittelt im neuen Wabi-Raum direkt unter dem Schlossdach wieder. Er zog die Schuhe aus und machte es sich auf dem Wabi-Sofa bequem. – Alles Wabi? Wir blieben gespannt.
Wer wollte behauten, Axel Vervoordt zu kennen? Schublade auf: Er ist der weltweit renommierteste Antiquitätenhändler, Doyen der Kunsthändler, Dekorateur der Superreichen (das Wort Dekorateur verabscheut er), ist selbst reich und prominent, erfolgreicher Unternehmer (er beschäftigt rund 85 Angestellte), Geschmacksadliger und Kunstliebhaber (ein Schlitzbild von Fontana hängte er über den Kamin seines Schlosses, als Andere das scheußlich fanden), reitet gern (sein Vater war ein berühmter Pferdezüchter) und liebt die Gartenkunst (von seinem Freund Jacques Wirtz hat er sich den Küchengarten anlegen lassen. Am ehesten verkörpert Axel Vervoordt eine Spezies, die zumindest in Europa ausgestorben zu sein scheint, den Lebenskünstler. Seine Philosophie: „Ich glaube, du kannst nur selbst glücklich sein, wenn Du in der Lage bist, andere Menschen glücklich zu machen.”
Vielgereist und weltläufig, wie er ist, hat er doch Flandern und seiner Heimatstadt Antwerpen ein Leben lang die Treue gehalten. Auf seinem Lebensweg ist er stets dem Naheliegenden gefolgt, hat als Antiquitätenhändler in Antwerpen angefangen – und ist doch im fernen, altjapanischen Wabi-Reich angekommen. Wabi ist ihm völlige Zeitlosigkeit und die Bewußtwerdung, dass die Fülle des Universums selbst schon in der einfachsten Kreatur aufgehoben ist. Vervoordt ist angekommen bei den schlichten, unvollkommenen, verschlissenen und kunstlosen Dingen.
Nach Abschluß seiner Ausstellungstriologie in Paris und Venedig („Artempo” und „In-Finitum”), plant er für das kommende Jahr erneut eine neue Ausstellung im venezianischen Palazzo Fortuny. Wird dann das Geheimnis des Wabi gelüftet?
„Inspiration Wabi”, Vervoordts neues Buch, dem er sich die vergangenen beiden Jahre gewidmet hat, erscheint im November bei Jacoby & Stuart, Berlin.
In der Langen Foundation (Raketenstation/Insel Hombroich) fand er jetzt Gelegenheit, den Jugendfreund und Weggefährten Jef Verheyen zu würdigen. In Zusammenarbeit mit der Düsseldorfer ZERO-Foundation kam es dort zur Ausstellung Jef Verheyen and Friends. Verheyens lange vergessenes Werk wird zusammen mit Arbeiten seiner ZERO Freunde Lucio Fontana, Piero Manzoni, Günther Uecker, Hermann Goepfert und Yves Klein gezeigt. Verheyens Gemälde geraten im dem 2004 eröffneten Tadao Ando-Bau auch in eine Zwiesprache mit der Sammlung altjapanischer Kunst des Ausstellungshauses.
Im Rahmen der Düsseldorf Quadriennale 2010 zeigt die Langen Foundation eine Ausstellung des belgischen ZERO Künstlers Jef Verheyen (1932-1984).
Interview: Carl Friedrich Schröer
Kamera: Thom de Bock
Postproduktion: Bastian Tebarth, Thom de Bock
Photographien: © 2010 Astrid Piethan