Der König geht. Seinen Abgang im November hat er sorgfältig vorbereitet und eindrucksvoll inszeniert, wie es sich für den letzten amtierenden Großmeister des internationalen Kunstbetriebs gebührt. Seit König auf dem Höhepunkt der Kölner Kunstmetropolenträume 1981 die „Westkunst“ organisierte, stand Köln ohnehin im Bann dieses singulären Ausstellungsmachers. Mit 57 Jahren wurde er ans Museum Ludwig berufen und übernahm 2000 erstmals die Leitung eines Museums. „Ich bin letztlich branchenfremd, kein promovierter Kunsthistoriker und habe diverse Sachen gemacht, aber mich vor allem seit erschreckend langer Zeit immer mit dem beschäftigt, was Künstler tun und was Kunst sein könnte,“ erklärte er erfrischend bescheiden. In zwölf Jahren hat sich König das unvertraute Amt eines Museumsdirektors erarbeitet und erobert. Zum Abschluß zieht er mit einer ganzen Serie von Ausstellungen eindrucksvoll Bilanz. Als wollte der zuletzt zu einem großen Museumsmann gereifte Ausstellungsmacher König dem internationalen Publikum zeigen, was aus einem Kunstmuseum in kommunaler Trägerschaft, selbst in der von öffentlichen Schulden geplagten Kunstmetropole im Niedergang herauszuholen ist.
Königs Abschiedsreigen
Der Reigen begann schon im vergangenen Herbst mit der Ausstellung „Vor dem Gesetz“, in der König in einer großangelegte Schau auf sein ureigenes Feld der Skulptur zurückkam und mit Räumen der Gegenwartskunst erweiterte. In diesem Sommer zeigt das Museum Ludwig gleich drei Ausstellungen gleichzeitig, die das weitgespannte kuratorische Verständnis Königs wie seine persönlichen Verbindungen und Anliegen noch einmal eindrucksvoll vor Augen führen. „Ein Wunsch bleibt immer übrig“ (siehe unsere Ausstellungsankündigung), greift noch einmal zurück auf Königs Eröffnungsausstellung im Museum Ludwig, als er im Jahr 2000 sein „Museum der Wünsche“ eröffnete. Mit „Claes Oldenburg“ kommt er auf jenen Künstler zurück, mit dem er als unbekannter junger Mann in New York seine erste Ausstellung machte und mit dem ihn seither eine lange Freundschaft verbindet. Zugleich beleuchtet er mit Oldenburg jene „Sixities“, aus deren Aufbruchstimmung sich Königs anarchischer und antiinstitutioneller Elan bis heute nährt.
Mit „Meisterwerke der Moderne. Die Sammlung Haubrich im Museum Ludwig“, berührt König gleich drei wunde Punkte seiner Wahlheimat Köln: Die keineswegs leichte Annäherung der Domstadt an die Moderne Kunst im frühen 20. Jahrhundert. Den Erhalt und Aufbau einer privaten Sammlung eben dieser Modernen Kunst in der Nazizeit und nicht zuletzt den essentiellen Beitrag der Sammler zum Aufstieg der Kunststadt Köln in den siebziger und achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts.
„Es schließt sich für mich der Kreis“, schreibt König im Vorwort des neuen Bestandskatalogs zur Sammlung Haubrich, dieses „Kernstücks“ des Museum Ludwigs. Was später auf den Sammler Peter Ludwig gemünzt werden sollte, jener berühmte Satz, „der Sammler geht voran“, das galt zwanzig Jahre vorher bereits für Josef Haubrich, der seine durch Krieg und Tyrannei gerettete Kunstsammlung bereits im Jahr 1946 der bombenzerstörten Stadt schenkte und damit ein Zeichen der Hoffnung setzte. Bis zu seinem Tod 1961 hat er sich dem Ausbau seiner Sammlung gewidmet.
Nach der Trennung des Doppelmuseum am Dom 1994 (das Wallraf-Richartz Museum bezog einen Neubau beim Rathaus) verblieb das Gros „einer der schönsten Sammlungen klassischer Moderne in Europa“ im Museum Ludwig, wie König schwärmt. Auch wenn das ein wenig lokalpatriotisch vollmundig klingt, man denke nur an die Sammlung von Karl Ernst Osthaus im Essener Folkwang Museum, die von Bernhard Sprengel in Hannover oder die von Rudolf und Bertha Frank in Stuttgart (aktuell: Kunstmuseum Stuttgart, bis 7. Oktober), für Köln war es ein unschätzbar wichtiges Geschenk, eine Brücke in die neue Zeit.
Königs Wort vom „Kernstück“ legt aber auch nahe, dass es ihm um einen Akt des Ausgleichs, wenn nicht der Wiedergutmachung geht. Mit Haubrich will er einen Sammler würdigen, der über alle Bedrängnisse und Verwerfungen hinweg der Modernen Kunst im Nachkriegsdeutschland zum Durchbruch verholfen hat, der allerdings mit Peter Ludwigs imposanten Massenankäufen in den Hintergrund rückte. So wurde es nichts mit dem Haubrich-Ludwig Museum. Die nach Haubrich ersatzweise genannte Kunsthalle wurde 2001, im erste nJahr von Königs Amtszeit, sang- und klanglos abgerisssen. Die neu arrangierte Haubrich-Sammlung in den Räumen im ersten Geschoß des Museum Ludwig kann gut auch als Prolog zur Sonderbund-Ausstellung (1912 Mission Moderne. Die Jahrhundertausstellung des Sonderbundes, Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud, Köln: 31. August – 30. Dezember 2012) gelten. Denn auch der junge Kölner Rechtsanwalt Josef Haubrich empfing wesentliche Impulse durch die Kölner Sonderbund-Ausstellung von 1912, mit der die ganze Spannweite des Expressionismus den `monumentalen Druchbruch´ erfuhr.
Der Bestandskatalog scheut die klare Position
Zur Neupräsentation von Haubrichs Meisterwerken, immerhin listet der Katalog 250 Werke auf, führten nicht zuletzt Streitigkeiten um Raubkunst und entsprechende Restitutionsforderungen, mit denen sich auch das Museum Ludwig konfrontiert sah und sieht. Ein Werk musste bereits restituiert werden, zu mindestens zwei weiteren Gemälden stehen Entscheidungen an. Der zur Ausstellung vorgelegte Bestandskatalog der Teil-Sammlung Haubrich ist darum nicht nur eine längst überfällige Neupublikation, der ersten seit 1959, sondern die fällige wissenschaftliche Überprüfung der Provenienzen aller von Haubrich erworbenen Werke. Allerdings gibt es zwei Einschränkungen. Ausgenommen sind die über 400 Aquarelle und Zeichnungen, von der federführenden Kuratorin, Julia Friedrich, immerhin als „das Herzstück der Sammlung“ bezeichnet. Außerdem sind die Untersuchungen „als vorläufig zu betrachten.“ 2009 stürzte das Historische Archiv der Stadt Köln ein und begrub unter sich den Nachlass Haubrich, die Ankaufakten des Museums, den Nachlass des Kölnischen Kunstvereins und so manches aussagekräftige Material mehr.
„Um dieses Buch zu machen,“ schützt die Herausgeberin Friedrich vor „hätte wohl kein ungünstigerer Zeitpunkt gefunden werden können.“ Das meint wohl auch weitere schwebende Verfahren, Restitutionsforderungen, die ins Haus stehen und damit auch den Sammler Haubrich selbst ins Zwielicht rücken könnten. Dem aufwendig recherchierten Katalog ist daher eine Scheu anzumerken: Da wo es kritisch wird, bleibt er unverbindlich. Haubrich war jahrelang ein guter Kunde von Alfred Flechtheim (der maßgeblich an der Sonderbund-Ausstellung mitwirkte). Doch unmittelbar nach der „Machtergreifung“, als der Jude Flechtheim ins Exil getrieben wurde, wechselte Haubrich zu Axel Vömel und blieb dessen treuer Kunde bis zu seinem Tod. Der Katalog scheut das Wort „Arisierung“ in diesem Zusammenhang und flüchtet sich stattdessen zu der laschen Formulierung: „Im März 1933 eröffnete in den Düsseldorfer Räumen (Flechtheims) Axel Vömel eine Galerie.“ So kann man es auch sagen. Der euphemistische Satz verschleierte allerdings diesen krassen Fall einer Übernahme einer der bedeutendsten Galerien der Modernen Kunst durch einen entschiedenen Anhänger der Nazis. Anfang 1934 rühmt sich Vömel gegenüber dem Direktor des Düsseldorfer Kunstmuseums jedenfalls als Mitglied der “SA. R1 Der Stahlhelm, 5. Sturm“. Axel Vömel hat keineswegs nur die leerstehenden Galerieräume in der Königsallee 34 übernommen und Flechtheims Firmenschild durch sein eignes ausgewechselt. Er hat Flechtheims Künstler übernommen und ihre Kommissionsware gleich dazu, wo auch immer sie im Exil verstreut lebten. Der Katalog bleibt hinter der wissenschaftlichen Forschung in diesem zentralen Fall Flechtheim/Vömel zurück, wohl aus Rücksicht um zwei aktuell anhängige Rechtsstreite.
Weitere Rückgabeforderungen
Da geht es um Kokoschkas Bildnis Tilla Durieux von 1910, das zur Privatsammlung Alfred Flechtheims gehörte. Vömel hat das Bild dann 1934 an Haubrich verkauft. Die Erben Flechtheim verlangen das Bild seit Jahren zurück. Der Versicherungswert des Portraits beläuft sich auf drei Millionen Euro. Der Fall liegt inzwischen der Limbach-Kommission zur Klärung vor. Zum Jahresende wird ihr Schiedsspruch erwartet.
Auch auf dem George Grosz Gemälde Junge Spanierin/Junges Mädchen aus dem Jahr 1927 lastet eine Restitutionsforderung seitens der Grosz-Erben. Das Gemälde war in Flechtheims Galerie zur Kommission von Grosz verblieben, als dieser Hals über Kopf vor den Nazis ins Ausland fliehen musste. Wieder über Vömel kam das Werk 1940 an Haubrich. Alle Bilder, die in der Galerie Flechtheim in Düsseldorf als Kommissionsware der Künstler verblieben waren, übernahm Vömel zum Weiterverkauf, die der Berliner Galerie übernahm Alfred E. Schulte, freilich ohne Einverständnis der Künstler und ohne diese bei Verkäufen zu benachrichtigen, noch gar zu beteiligen. Weit über 50 Werke von George Grosz befanden sich als Kommission Anfang 1933 bei Flechtheim in Düsseldorf und Berlin.
C. F. Schröer