Das letzte Jubiläum der Kunstakademie Düsseldorf wäre beinahe ins Wasser gefallen. Wenn da nicht, ja wenn sich der Student Anatol Herzfeld nicht Ende 1973 aufgerafft hätte, eine Pappel auszuhöhlen, um seinen Lehrer Joseph Beuys im Einbaum über den Rhein „heimzuholen“. Beuys war von NRW-Wissenschaftsminister Johannes Rau bekanntlich ein Jahr zuvor „rausgeschmissen“ worden. Man feierte die Protest-Aktion dann als „inoffizielles Akademiejubiläum“ im Ohme Jupp, einer alternativen Institution in Form einer Altstadtkneipe.
Beuys‘ Heimholung ging in die Geschichte ein. Heute ist die Aktion Teil der Dauerausstellung im Haus der NRW-Geschichte im Behrensbau am Mannesmannufer. Die Kunstakademie verzichtete damals aus Angst vor weiteren Protesten auf eine offizielle Feier.
Das soll in diesem Jahr anders werden. 250 Jahre Kunstakademie Düsseldorf sind wahrlich kein Pappelstiel. Gleich Anfang Februar lud die Gesellschaft von Freunden und Förderern der Kunstakademie (die gleich ihr 100. Bestehen mitfeierte) zur „Auftaktveranstaltung“ ein. Und alle waren in die festlich geschmückte Aula gekommen. Nur die neu gewählte Rektorin, Donatella Fioretti wurde in keiner der immerhin sechs Ansprachen, Grußworte und Festvorträge auch nur mit einem Wort erwähnt. Ina Brandes, die neue NRW- Ministerin für Kultur und Wissenschaft, schwang, bestens aufgelegt, eine launige Rede. Doch über die von ihr kassierte „hybride Rektorenwahl“ im Senat der Akademie kein Wort. Nichts zum Fall Fioretti. Auch nichts über ihre Pläne oder zumindest Vorstellungen zur Zukunft dieser sich im Sinkflug befindlichen staatlichen Kunstakademie.
Donatella Fioretti wiederum, seit 2017 Professorin für Baukunst in Düsseldorf, glänzte durch Abwesenheit, wie schon bei ihre Wahl zur neuen Rektorin. Da weilte sie in Afrika. Während sich Karl-Heinz Petzinka, der die klipprige Situation mit seinem plötzlichen Abgang im letzten Sommer erst herbeigeführt hatte, bestgelaunt zeigte wie eh. Sein Rektorenamt hatte der Architekt hingeschmissen, weil seine Neubaupläne (Werkstättenflügel) arg kritisiert und dann ins Stocken geraten waren.
Rektorenwahl ungültig. Wahlwiederholung wann?
Fioretti, 1962 in Italien geboren, betreibt seit 1995 in Berlin das renommierte und vielfach preisgekrönte Architekturbüro Bruno Fioretti Marquez. Diese Tätigkeit könnte sie nun in Schwierigkeiten bringen, da Einkünfte aus der Architektentätigkeit in Widerspruch mit der Beamtentätigkeit an der Kunstakademie stehen. Sofern sie zuvor nicht angemeldet und vom Wissenschaftsminister in Form einer Ausnahmeregelung genehmigt sind.
Nachdem Brandes die Rektorenwahl inzwischen für ungültig erklärt hat, stellt sich die Frage, ob Fioretti überhaupt erneut zur Wahl antritt. Schon laufen sich am Spielfeldrand externe Größen warm. Einige nutzten die Auftaktveranstaltung als engere Kontaktzone. Der von Petzinka eingesetzte Johannes Myssok, langjähriger Prorektor und Professor für Kunstgeschichte, will jedenfalls erneut kandidieren. Er hielt als kommissarischer Rektor auch gleich zwei Reden, eine als Hausherr, eine als Festredner beim Auftakt. Aber wieder nichts zur Zukunft der Akademie. Petzinkas Werkstättenflügel, so hatte sich Myssok bei anderer Gelegenheit geäußert, will er auf keinen Fall anpacken.
Frau mit Rindern hängt, Fettecken weg
Da bot sich Ewald Matarés „Frau mit Rindern“ als Ausweichthema bestens an. Das besorgte souverän Guido De Werd. Der Kunsthistoriker und Nachlasspfleger Matarés übernahm es, in dieses selten schöne Werk einzuführen und die sonderbaren Geschichten drumherum weithin auszuschmücken. Doch vergaß er beinahe Vanessa Sondermann zu danken, ohne die diese Auftaktveranstaltung keinen Aufhänger gefunden hätte. Als Kuratorin der Akademie-Galerie hatte sie im Beuys-Jubiläumsjahr 2021 die Ausstellung Mataré + Beuys + Immendorff konzipiert und dort das selten gezeigte Bronzerelief ausgestellt – es hing 45 Jahre lang im Europäischen Gerichtshof in Luxemburg – und im Katalog ausführlich beschrieben. Dass dieses Werk im Jubiläumsjahr in der Akademieaula feierlich enthüllt werden konnte, ist hauptsächlich ihr Verdienst.
Beuys wiederum wurde im Frühjahr 1947 Schüler und 1951 Meisterschüler von Ewald Mataré. Ab 1961 dann gegen den ausdrücklichen Willen Matarés als Professor für monumentale Bildhauerei an die Akademie berufen. Auch das blieb unerwähnt.
Matarés Bronzerelief, 268 Kilogramm schwer, 1930/31 für einen Salon der neuen Villa von Erich und Luise Mendelsohn im Berliner Westend geschaffen, hängt nun als Dauerleihgabe der Neuen Nationalgalerie Berlin ganz vorne an der Stirnseite der Aula am Eiskellerberg.
Ewald Mataré war mit Paul Klee und anderen unliebsamen Lehrern 1933 von den Nazis der Akademie verwiesen worden. Unmittelbar nach Ende des Zweiten Weltkrieg dann mit der Neuorganisation der Akademie betraut worden und war doch mit seinem neuen „Lehrkonzept“ gescheitert. Das hätte Anlass zu einem Vortrag im Festprogramm geboten. Fehlanzeige. Stattdessen Musik „Danse Du Diable Vert“, dann endlich get together.
Bis Herbst muss die Kuh vom Eis
Für den Herbst ist ein Festakt zum 250 Akademiejubiläum mit Ministerpräsident Hendrik Wüst angekündigt. Bis dahin soll die Kuh vom Eis. Doch handelt es sich beileibe nicht nur um eine Personalie. Die Proffessores sind zerstritten. Mit nur einer Stimme Mehrheit wurde Fioretti gewählt. Es fehlt nach Petzinkas Abgang eine Idee, besser noch ein Konzept wie sich diese Kunstakademie bei allem und unter allem Akademismus wiederfinden könnte in der neuen, digitalen Welt.
Petzinka immerhin wollte die vielen verstreuten Werkstätten der Akademie stärken und in einem Haus versammeln, dazu die Verwaltung aus dem Hauptgebäude auslagern und für die jährlichen Neuaufnahmen Platz schaffen. Sein Neubauplan ist gescheitert, seine Neustrukturierung liegt auf Eis. Doch der Reformstau der Akademie hat sich unterdessen weiter verstärkt. Geld für einen Werkstattbau hat Petzinka noch gesichert. Im Jubiläumsjahr wird hoffentlich gefeiert, aber nicht nur.
C.F.Schröer
Ein ganzes Jahr lang feiern – AKADEMIE 250
Das künstlerische Festprogramm wird von Robert Fleck, dem langjährigen Prorektor, auf Grund eines Konzepts von Ulrike Gross, koordiniert. Es ist dezentral und wird von Künstlerkollektiven, gebildet aus Akademiestudierenden, getragen. Man will sich auch zur „Stadtgesellschaft hin“ durch Aktionen im Stadtgebiet öffnen, Plakatwände, Litfaßsäulen etc. kommen zum Einsatz. Die Akademie Galerie wird im April die Absolventen ausstellen. Das NRW Wissenschaftsministerium hat einen stattlichen Jubiläumsetat freigegeben.
48 Projekte werden von April bis Dezember in Form von Klassenausstellungen, Workshops und thematischen Beiträgen auch im öffentlichen Raum präsentiert werden. Dabei sollen u.a. auch Visionen eine Rolle spielen, wie die Akademie in zehn, zwanzig Jahren aussehen wird.
Ein Künstlerbuch, Gestaltung John Morgan, ist in Planung. Alle Studierenden sind aufgerufen, die Sammlung der Kunstakademie als Anregung für eigene Arbeiten zu nutzen. „Eine super Dynamik ist da“, freut sich Fleck.
Hinweise:
Das Mataré-Haus ist ein Künstlerhaus. Es diente Ewald Mataré (1887-1965), dem Bildhauer und Professor der Düsseldorfer Kunstakademie, bis 1965 als Wohn- und Arbeitsstätte. Seit 50 Jahren unverändert, steht es seit 2022 dHCS-Stipendiat*innen des Kunstvereins für die Rheinlande und Westfalen Düsseldorf als Atelierhaus für jeweils zwei Jahre lang zur Verfügung. Dieses Stipendium ist an Absolvent*innen der Düsseldorfer Kunstakademie gerichtet.
Zudem erinnert eine von Guido de Werd im Künstlerhaus eingerichtete Dauerausstellung an das Schaffen von Ewald Mataré.
Die Tagung „Globalisierte Kunstmärkte“ findet am 28./ 29. September an der Kunstakademie Düsseldorf und der Universität zu Köln statt.
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