Veit Loers zeigt seine Sammlung bei SAUVAGE

Und plötzlich stichts

Antipasti. Veit Loers tischt auf

Von den drei überlebenden Dinosauriern der Gattung Ausstellungsmacher ist Zdenek Felix der Grandseigneur, Kasper König der Kasper und Veit Loers der Zyniker (im klassischen Sinn).

Aber Loers, der jüngste unter den älteren Herren, ist auch der Unbequemste, intellektuell Verwegenste, vielleicht auch der Einzelgängerischste. Keiner der drei hat je die documenta bekommen, nicht mal den Pavillon in Venedig oder irgendwas in Berlin, woran man wieder einmal sieht, wie ungerecht die Welt ist.

Als Felix unlängst seinen 80. Geburtstag im alten Einstein in Berlin feiern liess, saßen die drei Großkuratoren einmal ungewöhnlich friedlich beisammen, Helden der Ausstellungshallen, Herolde allerneuster Strömungen und Lüftchen, Veteranen geschlagener Schlachten, Zeremonienmeister im Abendlicht des bundesdeutschen Kunstwunders.

Loers war schon viel, Leiter einer städtische Galerie in Regensburg, Direktor einer Kunsthalle in Kassel und des Abteiberg-Museum in  Mönchengladbach, bevor er sich 2003 ins Piave Tal (Cesio-Maggiore) begab, um von dort aus, mal als Bundes-, mal als Privatkurator, das zu tun, was ihm beliebt und uns fehlt: Gute Kunst sammeln, kaufen, ausstellen. Im Fall von Veit Loers bedeutet gute Kunst: immer hart im Wind, unbedingt zeitgenössisch, unbequem, auch rebellisch, auf alle Fälle ätzend. Theoretisch hat er sich dazu nie geäußert. Aber jetzt hat er den Vorhang ein wenig geöffnet und mit seinen Lieblingskünstlers eine Ausstellung aus eigenen Beständen aufgetischt: „Antipasti“ – nicht wirklich eine Sammlung, eher „ein Gesammeltes“, wie es der Sammler-Kurator selbstbescheiden nennt. Alles das, was den umtriebigen, begnadeten Kunstmenschen Loers im Lauf der Jahre „plötzlich stach“.

Gut die Hälfte seiner Bestände kann Loers bei SAUVAGE nun erstmals zeigen. Henning Boecker, der u.a. Vorsitzender des Bonner Kunstvereins ist, hat Loers in seinen Projektraum am Rheinufer in Bonn eingeladen. Nach Aftermieter im Haus Mödrath, curated by vienna in Wien, Ava­tar und Ata­vis­mus in der Düsseldorfer Kunsthalle hat dieser In- und Outsider der Avantgarde so manche haarsträubend-schöne Ausstellung vorgelegt.

Doch jetzt Antipasti. Bonn appetito. Vorspeisenteller: „Relativ spät“ sei er zum Sammeln gekommen, sozusagen durch „Künstlerbezirzung“. 1979, noch in Regensburg, habe ihm Horst Gläsker den Deckel einer Dose überlassen, der Spuren einer Malaktion trug. Dann kam es wenig später zum ersten Kauf von Thomas Lange, „hat der mir so richtig aufgedrückt.“ Von Thomas Schütte dagegen wollte er „unbedingt was haben“, eine große Zeichnung etwa. Doch Schütte verwies ihn an seine Galerie: „Da war ich sauer.“

Veit Loers in der Ausstellung seiner Kunstwerke in Bonn

Erst ab 40 Jahren wurde seine Sammelleidenschaft spürbar stärker. Seiner Frau verriet er lieber nichts, bei Rückfällen sage er, habs geschenkt bekommen. Warum überhaupt sammlen? – „Ich wollte meine Sachen immer sehen, wollte sie um mich haben.“ 140 Werke, Bilder, Skulpturen, Fotografien, Videos, Zeichnungen und Multiples sind da zusammen gekommen. Weil er nun ein bißchen Geld brauchen könnte, will Loers sich von einigen guten Stücken trennen. Sie sind bei SAUVAGE käuflich zu erwerben. Doch die „pezzi grossi“ lieber nicht, nicht der Bruce Nauman und auch nicht der Kippenberger (ein Selbstportrait?) und schon gar nicht die ihm von den Künstlern gewidmeten Werke.

Auch den Grill von Richard Serra hat er nicht mit nach Bonn gebracht. Den will er daheim im Sommer in seinem Refugium noch selber nutzen. Ach ja, die alten Geschichten! Loers ist ein Meister des Hinter-, auch Abgründigen. Keiner kann sie besser erzählen als eben Veit Loers. Damit gehört er einer aussterbenden Spezies von Kuratoren an. Die Generation Titz, Ackermann, Pfeffer pflegt einen anderen Umgang mit Künstlern. Eine Kostprobe davon gab er zur Eröffnung seiner Ausstellung. Wir fügen seine Eröffnungsrede hier gerne an.

Einen „ganz schäbigen Katalog“ seiner Sammlung will Loers dann doch noch fertig stellen und darin alle seine Schätze und die dazu gehörenden Geschichten versammeln. Sicher auch die von Franz West, neben Günther Förg, Martin Kippenberger und Thomas Zipp ein Freund und Weggefährte. Von West erstand er einst eine schöne Collage bei Gisela Capitain. Es fehlte allerdings die Signatur. Auf Einladung des Kölner Sammlerpaars Stoffels traf er West in der Bastei am Rheinufer dann wieder, West sturzbetrunken. Loers witterte seine Chance. Auf der Toilette hielt er ihm die Collage unter die Nase und West hat seinen Namen „einfach reingekratzt“. Ach, der Franz! Gerade wird da in der Tate Modern seine große Retrospektive eröffnet. Da hätte er eigentlich auch hin wollen. Resumé nach unruhigen Jahren: „Je älter man wird, desto mehr ist man beschäftigt.“ Den Katalog sollte Loers aber unbedingt noch fertig stellen.

 


 

SAUVAGE
Erzbergerufer 6, 53111 Bonn

Mit Werken von: Horst Ademeit, Kai Althoff, Ali Altin, Massimo Bartolini, Neïl Beloufa, Dirk Bell, John Bock, Stefano Cagol, Maurizio Cattelan, Giuseppe Curto, Cerith Wyn Evans, Helmut Federle, Peter Fischli & David Weiss, Günther Förg, Georg Herold, Andy Hope 1930, Axel Hütte, Günter K, Martin Kippenberger, Jeff Koons, Eva Kotatkova, Alicja Kwade, Jochen Lempert, Kris Lemsalu, Bernhard Martin, Sabina de Martini, Jonathan Meese, Olivier Mosset, Bruce Nauman, Hermann Nitsch, Cady Noland, Stephen Parrino, Daniel Pflumm, Mary-Audrey Ramirez, Tobias Rehberger, Tal R, Gregor Schneider, Mauro Staccioli, Wolfgang Tillmans, Danh Vō, Bob van der Wal, Corinne Wasmuht, Franz West, Thomas Zipp

 


 

Kunstraumgründer und Gastgeber Hennig Boecker (l.) mit Laudator

 

Eröffnungsrede

Ge-bonn-gt

Erstmals war ich zu einer Tagung des Verbandes deutscher Kunsthistoriker in Bonn, 1979 oder 1980. Abends warich dann noch, warum ist mir unklar, in der Wohnung von Dirk Stemmler, damals Kurator des Bonner Kunstmuseums. Er hatte schon damals sein rotes Gesicht, seine damalige Frau die roten Haare. Es wurde viel getrunken, am Ende nur noch Obstler von der Mosel. lch lernte dort auch Klaus Honnef kennen vom Rheinischen Landesmuseum, der mir wie das Mitglied einer trotzkistischen Exilregierung erschien. Alle waren wir ziemlich besoffen.

Wenig später war es die Übernahme der Ausstellung ,,Typisch Frau” des Bonner Kunstvereins, weshalb ich bei Margarethe Joachimsen im Kunstverein in einem Seitenflügel des Schlosses weilte. Sie war eine freundliche, aber bestimmte Frau mit durchdringender Stimme, immerhin Gemahlin eines NRW Ministers. Aber die Rücktransporte, die ich machen musste, waren chaotisch, weil zollamtlich nicht gemeldet. Eine Skulptur von Niki de Saint Phalle musste also mit einem Camper schwarz in die Schweiz transportiert werden. Und Meret Oppenheim rief mich besorgt an, wo denn ihre Arbeit blieb.

Dann erinnere ich mich, vermutlich 1983, einer Fahrt nach Bonn um auf Vermittlung des Galeristen Erhard Klein Sigmar Polke zu treffen und zwar im Foyer des alten Kunstmuseum Gebäudes. lch erwünschte mir seine Teilnahme an meiner Ausstellung ,,Umgang mit der Aura“ im ,,Leeren Beutel” in Regensburg. Polke telefonierte gerade, wie ich entnehmen konnte, mit Harry Szeemann, den er wütend wegen eines nicht funktionierenden Transportes ,,Arschloch” titulierte. Er hatte etwas Gewaltsames mit seinen ungepflegten spitzen Westernstiefeln. Zu mir war er sehr freundlich und half mir mit Bildern weiter. Die Eröffnungen der postmodernen Bundeskunstgebäuden hinterließen bei mir großen Eindruck, der schnell verblasste. Weiss noch, dass ich 1995 zur Eröffnung von Axel Hüttes Soloshow im Rheinischen Landesmuseum ging. Zu einem Umtrunk oder Essen war ich meiner Erinnerung nach nicht eingeladen oder der fand nicht statt. Jedenfalls sehe ich mich noch in einer

kleinen Runde an einem Café ’tisch auf einem Bonner Platz sitzen. Dabei auch die Athener Galeristin Elena Koroneu und Martin Kippenberger. . . Ein Jahr zuvor war ich im Dreiervorschlag für die Direktorenstelle des Kunstmuseums zur Vorstellung. Das konnte nichts werden, ich war denen zu heftig. Hatte mich zuvor erkundigt, wie Katharina Schmidt die Stelle erhalten hatte. Durch kompromissloses Widersprechen beim Vorstellungsgespräch, hörte ich. Zweimal dieselbe Masche, das konnte nicht klappen. Ich erschien als zu wenig kompromissbereit. Schließlich nahmen sie mit Fürsprache eines Bonner lmi-Knoebel-Sammlers den kreuzbraven Dieter Ronte, der ein gepflegtes akademisches Auftreten hatte. Er, der sich gerne weltmännisch das Sacco über die Schultern warf, passte besser als ich in den Spargelsäulenbau von Axel Schulte. Ich konnte ja nicht wissen, dass ich später im postmodernen Original des Herrn Hollein Platz nehmen sollte, einen Posten, den ich sicher nur deshalb erhielt, weil mein Großvater aus Mönchengladbach stammte.

Sehe mich auch noch im Auditorium des Kunstmuseums sitzen bei der Eröffnungsansprache des Kurators Klaus Schrenck für meinen ehemaligen Freund, den in Wien lebenden Schweizer Maler Helmut Federle, der statt meiner eine Einzelausstellung dieses Neo Geo Künstlers unternahm und mit Tränen der Rührung beendete, auch weil er Bonn verließ. Hat es ja noch zum Generaldirektor der Münchner Pinakotheken gebracht.

Des Öfteren besuchte ich Vernissagen des Bonner Kunstvereins. Zum Beispieljene von John Bock, wo ich die CD seiner Installation ,,Peperoni” erwarb, später mit Henning Boecker in der Show von Helen Chedwick, die sich Spartacus nannte, die afrikanische Rituale auf keltische übertrug, aber noch nichts von Brexit wusste. Ich war

auch auf Gutheißen von Annelie Pohlen weit zuvor in der Jury des Peter Mertes-Stipendiums gewesen, jenes Wein-Managers mit dem einladenden Namen Willkomm, der noch immer schreibt: ,,Wir befürworten einen verantwortungsbewussten Umgang mit Alkohol.” und mit seinen zuckersüßen Liebfrauenmilch-Verschnitten so manche Altersdiabetes gefördert hat- außer der Künstlerförderung.

Um 2000 lernte ich dann als einziger und alleiniger Bundeskurator während der Gerhard-Schroeder-Ära für die Sammlung der Bundesrepublik Deutschland das Lager der Kunstsammlung des Bundes kennen. Ansprechpartner waren zwei reizende Beamte, Gerd “Rübe” Trautmann und ein Herr Siebert. Da ich den Ankauf nach eigenem Gutdünken durchführte, gab es wenig Kompromisskunst. Herolds großes Lattenbild ,,Deutschland in den Grenzen von 1937” gehörte dazu, eine Lampe von Isa Genzken, auch Kai Althoffs grandiose Deutschland-Installation, die später im Gropiusbau durch Unachtsamkeit verbrannte. Von Kippenberger konnte man nur noch Plakate kaufen, so teuer waren die Preise schon geworden. Aber diese hingen sie spontan in die Gänge der Ministerialbüros. Das fand ich bemerkenswert. Aus der Wohnung der verstorbenen Bonner Galeristin Philomene Magers, einer reizenden Person, kaufte ich von ihrer Tochter eine große Aktionszeichnung von Beuys. Aber auch Meese, Bock, Tillmans und Pernice standen auf meiner Liste.

Sigmar Polkes Eröffnung seiner Ausstellung ,,Die Drei Lügen der Malerei” in der Bundeskunsthalle ist mir auch in Erinnerung geblieben. Wenzel Jakob, der Intendant, hatte das in seiner leutseligen Art gut hinbekommen. Polke konnte mit dem fetten Budget kommen lassen, was er für richtig hielt. Ich kannte Wenzel noch von Kassel, wo er als Assistent der Schneckenburger-Documenta mehr gute Laune verbreitete als arbeitete. Immer jovial und im großen Stil. Mein Gesammeltes für den Bund durfte er dann in Sankt Petersburg präsentieren. Ich erhielt nicht mal mehr eine Einladung. Die Nachfolgerin von Rübe Trautmann, eine Dame mit Doppelnamen, war mir nämlich weniger hold, weil ich ein frühes Kippenberger Bild aus dem Besitz ihres ehemaligen Freundes verschmäht hatte.

Und nicht zu vergessen, 2007 organisierte ich die Ausstellung von Klara Lidén im Bonner Kunstverein in meiner Eigenschaft als Promoter des kurzlebigen Blau Orange Preises. Alles lief gut. Zur Eröffnung kam sogar Elisabeth Peyton, die neue Partnerin der schwedischen subversiven Künstlerin. In der Zeitung erfuhr eine ältere Dame von meinem Hiersein. Wir hatten uns 1966 in München beim Studium kennengelernt, Erika, eine intelligente, hübsche und humorvolle Person, die ich aber aus den Augen verloren hatte. Sie erzählte mir in einem Bonner Café, dass sie jahrelang mit der Radha Krischna-Sekte in den USA gelebt hatte. Das hatte ich nicht erwartet.

Im letzten Jahr war ich erstmals in Schloss Falkenlust bei Brühl. Rokoko, von Francois de Cuvillies, aber von einem Freimaurer in Auftrag gegeben, und für den Mops-orden präpariert. Fürstbischof Clemens August, wer hätte das gedacht. Und ich besuchte bei dieser Gelegenheit einen Parkinson-Spezialisten in der Universitätsklinik am  Venusberg, wer hätte das gedacht.

lm Gegensatz zu den Kölner Schlaufüchsen und den Alt-Klugen Düsseldorfern waren die Bonner für mich immer Gutmenschen oder solche, die vorgaben es zu sein.

Bon — sagt man in ltalien, wo ich lebe, wenn etwas ok ist und spricht es aus wie ,,Bonn”.

Februar 2019, Veit Loers

 


 

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