Der große Wurf

Rektor Petzinka öffnet weite Perspektiven für die Kunstakademie

Kaum ist Calle (Karl-Heinz) Petzinka ein Jahr im Amt, schon rappelt es in der Kiste. Der neue Rektor der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf, mit großer Mehrheit gewählt, will die alte „Geniebude“ (Markus Lüpertz) umbauen, stark erweitern und zum „Zentrum eines kulturellen Stadtumbaus“ der Landeshauptstadt des „kulturstarken NRW“ machen.

Petzinka kennt sich aus. Er gilt als hervorragender Architekt. 1994 gründete mit Thomas Pink das Büro Petzinka Pink Architekten, das u.a. für das Düsseldorfer Stadttor, das Konrad-Adenauer-Haus und die Vertretung des Landes Nordrhein Westfalen beim Bund in Berlin sowie den Umbau der Jahrhunderthalle in Bochum zum Festspielort der RuhrTriennale steht. Er war Geschäftsführer des Immobilienriesen THS und baute deren Hauptverwaltung in der Zeche Nordstern in Gelsenkirchen aus – samt 16 Meter hoher Lüpertz-Skulptur auf dem Dach, war er Programmdirektor der RUHR.2010, wo er das Themenfeld „Stadt der Möglichkeiten“ leitete.

Als Architekt denkt er in großen Linien und weiten Perspektiven. 2022 ist sein Fluchtpunkt. Dann wird die Kunstakademie Düsseldorf 250 Jahre alt und seine (erste) Amtszeit läuft aus. Petzinka will es nicht bei einer Feierstunde belassen. Gevievt und gelenkig, versiert und ehrgeizig will er es mit 62 Jahren noch mal wissen: „Ich will keine Karriere mehr machen. Aber meine Unabhängigkeit nutzen, um hier etwas zu bewegen.“ Zum großen Jubiläum der Kunstakademie sollen gleich zwei weitgefasste Pläne zumindest so weit gereift sein, daß er die Früchte in seiner zweiten Amtszeit ernten kann. Ein neuer Campus-Kunstakademie soll rund um das historische Akademiegebäude von 1879 entstehen, rundherum soll sich der “Blau-Grüne Ring” entwickeln. Die Kulturhäuser in der Düsseldorfer City, alle auf der Achse von Ehrenhof (Museum Kunstpalast, NRW Forum, Tonhalle) über den Grabbeplatz (Kunstsammlung NRW, Kunsthalle, Oper) entlang der Kö bis zum Schwanenspiegel mit dem K21 sollen in einem neuen städtebaulichen Schwung neu verbunden werden. Der Hofgarten von Nikolas Pigage und Maximimilain Wehye im 18. und 19. Jahrhundert angelegt, heute so schwer ramponiert, wie seit dem letzten Weltkrieg nicht, soll dabei ein schmucker Kern und Ausgangspunkt werden. Besonders der Ehrenhof ist abgehängt. Also steht eine Verlängerung der Rheinuferpromenade nach Norden oben auf der Dringlichkeitsliste.

Große Pläne brauchen große Strategen. Petzinka, so will es scheinen, ist der richtige Mann zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Es könnte ihm gelingen, die unterschiedlichen, sich in der Landeshauptstadt überlagernden und auch hemmenden Interessen und Ansprüche in einen großen Wurf zu übertragen. Er ist sich seiner strukturelle Stärke bewußt und weiß inzwischen auch, wie schnell man an großgesteckten Zielen scheitern kann. Als Rektor der Kunstakademie ist er leitender Beamter des Landes NRW, lebt aber seit über zwanzig Jahren in Düsseldorf. Hier fühlt er sich zu Hause, mit dem Hollandrad sieht man ihn, den Freund schneller Rennwagen, durch die Stadt fahren. Es ist ihm zuzutrauen, das immer wieder stockende Gespräch zwischen Stadt und Land zu beleben. Und die Winde wehen ihm momentan entgegen.

Mit den Neuankömmlingen in Düsseldorf, Susanne Gaensheimer (Kunstsammlung NRW), Felix Kraemer (MKP) und Alain Bieber (NRW-Forum) hat er gleich einen Gesprächskreis gegründet. Auch mit der neu gewählten Landesregierung ist er ins Gespräch gekommen. Isabel Pfeiffer-Poensgen (parteilos) ist als Wissenschaftsministerin ohnehin seine Vorgesetzte und erste Ansprechpartnerin, auch mit Armin Laschet (CDU) hat er schon Gespräche über seine Pläne geführt. Im Regierungsviertel, auch das ein entwicklungsbedürftiges Segment im weiten Kreis, baut Petzinka die neue alte Staatskanzlei (Villa Horion 1909 bis 1911 von Hermann vom Endt) am Johannes-Rau-Platz behutsam um.

Mit Düsseldorfs OB Thomas Geisel (SPD) hat er sich vorab auf einen mehrstufigen städtebaulichen Wettbewerb unter dem Arbeitstitel “Blau-Grüner Ring” verständigt. Schon Anfang 2019 soll die erste Wettbewerbsphase starten, 2020 wird entschieden, welchen Entwurf man Realisieren will. Schon heute freut sich Petzinka auf die zwei Wochen, „in denen wir die Entwürfe einsehen, begutachten und entscheiden mit welchen neuen Ideen für die Stadtentwicklung wir weiter machen wollen.“ Die Kosten für Wettbewerb und Bürgerbeteiligung sind mit 200.000 Euro veranschlagt. Und die Kosten für diesen Stadtumbau? – Geschätzte zwei Milliarden. Petzinka hat auf einer internationalen Ausschreibung bestanden.

Klein-Klein ist ohnehin nicht sein Ding. Der Campus rund um die Kunstakademie nimmt auch schon Formen an. Zum Rhein hin soll ein neues Werkstattgebäude mit offenen Werkstätten entstehen, dazu ein neues Atelierhaus für Postgraduierte. Die Verwaltung wird aus dem historischen Akademiegebäude aus- und einen eigenen Bau einziehen. Ein Hotel mit eigener Restauration ist zur Brückenrampe hin geplant und soll das neue Akademie-Quartier zum Hofgarten hin abrunden. Auch eine „Hall of Fame“ mit den Größen der Kunstakademie von Schadow über Mataré und Beuys, zu Hoehme, Richter, Uecker, Paik, Becher, Grusky soll entstehen. Die Kosten sind nicht mal kalkuliert, unmöglich das alles bis 2022 in die Wirklichkeit zu setzen. Doch schon jetzt spürt man den Schub, den die großen Pläne geben und Perspektiven öffnen, weiß der Architekt-Rektor (erst der zweite seit Hans Schippert) und sprüht vor Energie wie lange nicht. Vergessen der Zwist der McBride Jahre an der Kunstakademie. Seltene Einigkeit im Rektorat mit Robert Fleck, Johannes Myssok und Kanzler Jörn Hohenhaus. Die Selbstzweifel sind erst mal verflogen. Nicht Nabelschau, nicht Selbstbefragung, welchen Wert eine Starakademie wie die in Düsseldorf überhaupt noch hat, wird am Eiskellerberg betrieben, mit Petzinka geht es um den Blick für das ganz Große.

Eher zögerlich geht es da mit den immerhin 13 Neuberufungen voran, die in den nächsten Jahren anstehen. Da zeigt sich Petzinka gelasen und pragmatisch. Schritt um Schritt komme man hier voran. Mit Dominique Gonzales-Foerster, den Malern Thomas Scheibitz und Ellen Gallagher konnten schon namhafte Künstler an den Rhein berufen werden. Mit der Nachfolge der Gursky-Professur gibt es dagegen Probleme. Wunschkandidat Thomas Demand wird wohl doch nicht kommen. Die Aufbruchstimmung will der neue Rektor auch in die neue Vollversammlung der Akademie hineintragen. Alle vier Wochen sollen dort Petzinkas Pläne offen diskutiert werden. Zumindest das mit der Hall of Fame könnte was werden. Ob Petzinka dort Aufnahme findet, wird sich erst zeigen.

 

Redaktionelle Mitarbeit Benita Ortwein

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