C.F.S. Wie kamst Du dazu, ein Atelierhaus in einem alten Verwaltungsgebäude im Industriegebiet von Düsseldorf zu gründen?
Durch mein Florenz-Stipendium in der Villa Roman lernte ich Sybille Berke und deren Freund Jan Kolata gut kennen. Wie haben uns angefreundet. Auch Bernd Mechler und ich begannen dort zu leben und zu arbeiten. Zurück in Düsseldorf kam die Einladung von Sybille an uns. Das hat uns total gefreut, mit an der Gründung dieses Atelierhauses beteiligt zu werden.
Welche besonderen Erinnerungen hast Du an diese Zeit?
Ich fand das ganz toll, die Synergien, die sich aus der Zusammenarbeit entwickelten und auch die unterschiedlichen Interessen und künstlerischen Standpunkte, die am Höherweg zusammenkamen, haben mich überrascht und mir im Lauf der Zeit auch gezeigt, wie wichtig das ist, sich zu unterstützen, unabhängig davon, mit welcher Perspektive jeder von uns die eigene Arbeit entwickelt.
Das Haus hatte eine einzigartige Konstellation mit dem Hinterhof und den verschiedenen Beigebäuden und es war auch nicht weit von dem Stadtzentrum weg. Düsseldorf ist ja nicht groß. Ich hatte vorher auch Ateliers viel, viel weiter draußen, die man nur mit dem Auto erreichen konnte. Das war jetzt wirklich eine total tolle Situation, sowohl mit der Stadt eng verbunden zu sein und gleichzeitig außerhalb der urbanen oder suburban Struktur eingebettet zu sein. Gegenüber war ein Altmetalllager, ein Schrottplatz und ein kleiner Imbiss mit ziemlich unterschiedlichen sozialen Strukturen, die ich aus meinem Lebensalltag in der Stadt her so nicht kannte.
Die Erinnerung, die ich an diese Zeit habe, ist vor allen Dingen, wie wir zusammen das Haus ausgebaut haben. Jeder von uns bekam bestimmte Räume. Da haben wir uns geeinigt, für wen welche Raum für die Arbeit der Passendste ist. Ich war im oberen Stock mit einer ziemlich großen Fläche, aber keine sehr hohen Raumhöhe. Meine Einheit war auch total durchsetzt von vielen kleinen Büroräumen, zugebaut durch Holzwände und mit Glas zwischen den Trennwänden. Bernd und ich waren auf derselben Etage, wir haben uns gegenseitig geholfen, das ganze Teil zu entkernen. Wir haben dann, ich hatte sowas noch nie gemacht, auch noch nie Motorsägen oder irgendwelche Baugeräte benutzt, auf ziemlich abenteuerliche Art und Weise, auch mit Hilfe meines Bruders, alles rausgerissen und zum Schluss auch über einen Balkon in Bernds Atelier einfach in den unten stehenden Container geschmissen. Es war so anarchisch und frei das Ganze. Das Ziel war es ja, möglichst schnell anzufangen und zu arbeiten und eine Struktur zu entwickeln, die den Ort auch sofort für uns zugänglich macht.
Das Haus hatte ja seine eigene Geschichte und alte Nutzungen. Im unteren Stockwerk lag der Eingang mit dem Büro und der Pförtnerloge. Wir haben uns entschieden, gemeinsam einen Teil der oberen Etage, in dem Bernd und ich waren, für eine Gastwohnung zu nutzen, die Kakedo ausgebaut hat. Durch seine großen Fähigkeiten in der Holzverarbeitung haben wir da einen neuen Boden eingezogen, die Möbel selbst gebaut. Wir haben Aufgaben vergeben, wer was macht und haben so versucht, mit ganz einfachen Überlegungen das ganze Haus zu aktivieren, also selbst die Verlegung der Elektrik neu zu regeln. Wir haben viele Leute auch mit Kunst bezahlt, haben manchmal auch pro bono Hilfe gekriegt. Wir haben Gelder gesammelt. Wir haben dann angefangen, unten in der Eingangsebene, das Atelier für einen Gastkünstler auszubauen, und haben ganz, ganz früh auch Gastkünstler/innen aus von überall aus der Welt gehabt, die für drei, vier Monate kamen und dort auch wohnen und arbeiten konnten.
Dann kam sukzessive die Idee dazu, die Hinterhöfe anders zu nutzen. Ich weiß noch, der Andreas hat mich mal besucht und von oben runter geschaut und sah, da diese große Holzbaracke stehen und sagte, „Oh, da könnte ich was mit machen!“ Ich war ganz überrascht: Ich dachte, als Bildhauer, vielleicht braucht er so viel Platz. Er hat dann einfach draußen einen großen Kran installiert, den er geschenkt bekommen hatte. Er hat angefangen, erstmal die Holzeinbauten rausgerissen, dann neu gebaut und ein ganz tolles Atelier zum Arbeiten für sich eingerichtet.
Was hat Dir die Gemeinschaft der Künstler/innen damals bedeutet?
Es kamen ja immer neue Ideen zur Raumnutzung hinzu, und auch das Gefüge, das wir gebildet haben, miteinander zu kooperieren und einzelne Funktionen zu übernehmen, war unheimlich interessant. Jenseits von starker freundschaftlicher Bindung haben wir da unheimlich gut und zuverlässig miteinander gearbeitet. Ich habe da viel gelernt, also von Jan und Sibylle vor allem, wie so Zusammenhalt entstehen kann, der nicht ideologisch ist, oder bloß auf die eigene Arbeit gerichtet bleibt.
Welche Bedeutung hatte es für Dich, ein großes Atelier am Anfang Deines Wegs als Künstlerin nach der Akademiezeit gefunden zu haben?
Ich habe nach der Akademie immer nach großen Räumen für meine Arbeit gesucht. Da war der Höherweg, nicht das erste Mal. Wir hatten ja das große Atelier draußen in Wevelinghoven mit David Zepter und Hans-Willi-Notthoff und später hatte ich auch einen Raum in einem alten Heizwerk. Aber die Raumsuche war immer total wichtig und der erste Ausgangspunkt, um sich in die Arbeit vertieft begeben zu können. Jeder Ort hatte einen großen Einfluss, nicht nur durch die Gegebenheiten, also die Umgebungen oder die Einbettung, in welche auch immer geartete urbane oder vorstädtischen Gegenden, sondern auch durch die Personen, mit dem man da zusammen tagtäglich in Kontakt war.
Heute arbeitest Du in einem Atelier für Dich.
Der größte Schritt war für mich dann, in Berlin ein Atelier allein für meine Bedürfnisse zu bauen und dann auch selbst die ganze Verantwortung zu übernehmen für alles, was mit dem Haus zu tun hat, die bürokratischen Vorgänge, die mit dem Alleinsein auch zu tun haben. Das hatten wir ja vorher alles in der Ateliergemeinschaft geteilt. Das erste große Fragezeichen. Schaffe ich das? Kann ich es außerhalb dieses wichtigen Nährbodens, auch der gemeinschaftlichen künstlerischen Szene schaffen? In Düsseldorf konnte ich das, denn in Düsseldorf war ich natürlich auch durch meine Studienzeit total verwurzelt, und alle Leute, die ständig zusammenkamen bei Eröffnungen, oder wenn wir auch Sachen gemacht haben wie Eröffnungen im Höherweg für die Gastkünstler und so, waren wir immer miteinander verstrickt und auch sehr solidarisch. Das kannte ich in Berlin zunächst nicht.
Welche Einschränkungen bringt das Arbeiten in einer Ateliergemeinschaft mit sich?
Ich finde, das Zusammenarbeiten als Ateliergemeinschaft hat keine Beschränkungen im Vergleich zum Arbeiten alleine. Auch wenn ich heute allein bin, habe ich ja auch ein Team mit verschiedenen Persönlichkeiten um mich herum. Das ist strukturell nicht so unähnlich der Ateliergemeinschaft. Ich glaube, dass es unheimlich gut ist, das immer alles zu verändern. Also mir liegt das. Mir liegt das Arbeiten für längere Zeit in Höherweg, aber dann auch wieder eine andere Situation zu suchen. Mir war es auch wichtig, das Atelier Höherweg aufzugeben und wieder zugänglich zu machen für eine andere Generation. Denn ein großer Vorteil, und das ist schon auch ein großer Unterschied zu allen anderen Ateliers, die ich bisher hatte, dass wir in der Gemeinschaft es auch geschafft haben, etwas uns zu erarbeiten, was erschwinglich war, was nicht viel kostet, wo auch die unterschiedliche wirtschaftliche Basis, die wir alle im Laufe der Zeit durch unsere verschiedene Ausrichtung der Arbeit und verschiedene geschäftlichen Entwicklungen hatten, die spielte dann keine so große Rolle, weil wir alle auf demselben Niveau und im selben Kontrakt waren. Das war auch die große Errungenschaft der Ateliers Höherweg. Auch, dass wir einen Weg gezeigt haben, auch für die Stadt, sicher mit Unterstützung der Stadt, aber auch privater, kunstaffiner Personen und durch unser eigenes Engagement, die Dinge, auch Verwaltungsaufgaben zu übernehmen. Damit haben wir gezeigt, dass man so einen großen Komplex mit 15, 16 Ateliers stemmen kann, ohne sofort in die Millionen-Investitionen zu gehen. Dass es auch möglich ist, im Bestand zu recyceln und ein altes Gebäude nutzbar zu machen. Das ist ja sowieso eine Kunst, die wir immer, seit Tag eins als Künstler beherrschen und entwickelt haben. Das hat mir sehr geholfen, auch in der Entwicklung meiner eigenen Ateliers. Also wirklich dieses Wiederverwenden bestimmter Strukturen, die schon da sind, und sie dann so umzusetzen, dass daraus was vollkommen Neues entsteht. Eine Transformation der Werte von alten Gebäuden zu erreichen, also nicht nur im baulichen und nutzungstechnischen, sondern auch in der Atmosphäre, in der virtuellen Ausrichtung und in der Einbindung dieser Überlegung in den umgebenden Bestand.
Im white cube ist die Hölle los