Zuschlag für Düsseldorf

Das neue Bundesinstitut für Fotografie kommt in die NRW-Landeshauptstadt

Doppelte Glücksfee. Monika Grütters grüßt aus Berlin

Das ging ja mal fix. Erst am 1. Juli war es auf Einladung von Monika Grütters zu einer ersten „Diskussion“ in Berlin über eine „zentrale Einrichtung zur Bewahrung unseres visuellen Gedächtnisses“ gekommen. Die Kulturstaatsministerin (CDU) sah „erheblichen Nachholbedarf“. Sie hatte einen „Ausverkauf kulturell höchst bedeutsamer Konvolute“ erkannt. An der Veranstaltung in der Berliner Akademie der Künste nahmen u.a. Thomas Weski (Stiftung für Kunst und Medienkunst, Berlin) Inka Graeve (Leiterin der Sammlung Fotografie und Neue Medien an der Pinakothek der Moderne, München) Thomas W. Gaethgens (Direkt. em. des Getty Research Institute, Los Angeles), Ute Eskildsen (ehem. Leiterin der Fotoabteilung Museum Folkwang, Essen) teil. Moderator war Stefan Koldehoff, Köln.

Der Stein war ins Wasser geworfen, die Wellen schwappten hoch. Kein Wunder, daß sogleich bundesweit der Wettlauf einsetzte, wohin nun diese zentrale Einrichtung kommen solle. München, Hamburg, Essen und noch eine Reihe anderer „Fotostädte“ machten sich große Hoffnungen. Schließlich wird nicht alle Tage ein neues Bundesinstitut gegründet. Selbstverständlich war Berlin hoher Favorit im Rennen. Die Ministerin machte sich im Verein mit Weski für die Bundeshauptstadt stark. Wenn da nicht die üppige Nachfianzierung des Museums des 20. Jahrunderts in Berlin in der Luft gehangen hätte. Bevor die Große Koalition in Berlin kippt, wollte Grütters beide Vorhaben durch den Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestags bringen.

Dass nun, keine fünf Monate später, die Entscheidung für Düsseldorf gefallen ist, grenzt an ein Wunder. Ist aber mehr auf das selten geglückte Zusammenspiel von Politik und Fotokunst in dieser Stadt zurückzuführen. NRW Ministerpräsident Armin Laschet, OB Thomas Geisel auf der einen, bedeutende Fotokünstler der Stadt wie Thomas Ruff, Thomas Struth und Laurenz Berges, Andreas Gursky und Moritz Wegwerth auf der anderen Seite legten sich ins kulturpolitische Zeug und zogen „einmütig“ die richtigen Strippen.

Mit der Entscheidung  vom 14. November für ein Deutsches Fotoinstitut in Düsseldorf ist der entscheidende Sprung hin zu einer „Fotostadt Düsseldorf“ gelungen. Die „Weichen sind gestellt“ (OB Geisel), die Vorfreude ist riesig, die Erwartungen sind es auch. 41,5 Millionen Euro wird der Bund zur Verfügung gestellt, das Land Nordrhein-Westfalen will weitere Kosten kofinanzieren, die Stadt Düsseldorf wird ein Grundstück am Ehrenhof (auf dem Gelände des Betriebshof des Gartenamts) in das Finanzierungspaket einbringt. Es ist überhaupt das erste Bundesinstitut, das in Düsseldorf angesiedelt wird. Neben dem Haus der Geschichte und der Bundeskunsthalle in Bonn, erst das dritte Kulturinstitut des Bundes in Nordrhein-Westfalen.

Noch hat das Kind keinen Namen

Bei allem Eifer ist beinahe untergegangen, wie das neue Bundesinstitut inhaltlich ausgerichtet werden soll. Ob Fotomuseum, Fotoinstitut, Fotoarchiv, Fotozentrum, oder gar Fotokunstzentrum – dazwischen liegen Welten, auch finanzieller Natur. Noch hat das Kind keinen Namen. Auch was die Baulichkeit selbst angeht ist alles offen. Ein Archiv stellt andere Anforderungen als eine Ausstellungshalle als ein Museum. Ein Blick nach Marbach könnte hier Aufschluß bieten. Hier wurde 1955 das Literaturarchiv auf der Schillerhöhe gegründet. Hier lagern heute die wichtigsten Nachlässe der neueren deutschen Literatur. Dort war auch Platz genug für ein benachbartes Literaturmuseum der Moderne für die Ausstellung von empfindlichen Papierexponaten. David Chipperfield Architects haben den ansehnlichen Neubau entworfen. 2006 wurde er eröffnet.

Die Diskussion in Düsseldorf wird also weitergehen, vor allem über die inhaltliche Ausrichtung des neuen Fotoinstituts, damit über den Raumbedarf, damit über den Bauplatz, schließlich über die Ausgestaltung der Architektur. Sicher auch über die Finanzierung. Denn die 41,5 Millionen aus Berlin sind als hälftiger Beitrag zu den Baukosten gedacht. Wer aber übernimmt die Folgekosten, zumal die Betriebs- und Personalkosten? Wer wird die Leitung übernehmen?

Weiter im Verein

Schon mal gut, dass sich auf Initiative von Andreas Gursky ein Verein zur Gründung und Förderung eines Deutschen Fotoinstitutes gegründet hat. Zu den Gründungsmitgliedern zählt u.a. Max Becher Fotograf (einziger Sohn von Bernd und Hilla Becher). Den Vorsitz hat der Düsseldorfer Fotograf Moritz Wegwerth übernommen. Nach einem Studium an der Folkwang Universität in Essen unter Jörg Sasse, wechselte er 2008 an die Kunstakademie in Düsseldorf, wo er 2014 seinen Meisterbrief von Prof. Gursky erhielt. Der Verein hat ein erstes Konzept für ein Deutsches Fotoinstitut erarbeitet. Auf der Grundlage dieses internaional ausgerichteten Konzepts konnte die Bewerbung Düsseldorfs in Berlin schließlich zum Erfolg führen.

Demzufolge kümmert sich das Deutsche Fotoinstitut um die Formulierung von Richtlinien und Standards für die fachgerechte und nachhaltige Erhaltung von fotografischen Kunstwerken. Es stellt sein in täglicher Praxis und im Dialog mit Partnern aus der Industrie und Forschung sowie vor allem mit den Künstlern und Nachlassverwaltern beständig verfeinertes Wissen weltweit zur Verfügung. Das noch erst zu gründende Institut würde sich von seinem Sitz in Düsseldorf aus an die Spitze eines wissenschaftlichen Diskurses befördern. Auch hier geht es um eine Vernetzung möglichst aller, heute noch vielfach verstreut arbeitender, auch konkurrierender Fotoarchive.

Wie gut, dass es das Restaurierungszentrums der Landeshauptstadt Düsseldorf im Ehrenhof schon gibt. Die Erhaltung und Pflege von Kunst- und Kulturgut, einschließlich der Fotografie, wird hier unter der neuen Leitung von Joanna Phillips betrieben.

Wie gut auch, daß sich die Stadt endlich aufgeschwungen hat, eine Foto-Biennale ins Leben zu rufen. Dazu soll ein „Bernd und Hilla Becher-Preis für Fotografie“ erstmals 2020 verleihen und endlich auch das Fotoarchiv in Kaiserswerth dauerhaft erhalten werden.

Auch Felix Krämer wird die Berliner Entscheidung zu schaffen machen. Wie wird sie etwa die geplanten Umbaumaßnahmen am Kunstpalast beeinflussen? Was wird aus dem ARFOG? Wie wird sich das NRW Kunstforum im Ehrenhof zum neuen Fotoinstitut stellen?

Am 14. November hat der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages übrigens noch was entschieden. In Berlin wird ein neues Museum des 20. Jahrhunderts gebaut: Baukosten (vorerst) 364,2 Millionen Euro. Nur mal so, um die Verhältnisse zu klären.

Redaktionelle Mitarbeit: Anke Strauch

 


 

Werke von Moritz Wegwerth aus der Serie: Election Night 2018 – 2019 sind z.Z. bei Philara On Display VI zu sehen.

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