"Wir sind die Neue Leipziger Schule"

Ungemach in der Baumwollspinnerei. Ein Gespräch mit dem “Hierbleiber” Matthias Kleindienst

Dreigestirn. Galerist Matthias Kleindienst auf der Art Cologne. Mit dabei Arno Rink (links & mitte), Chirstoph Ruckhäberle (rechts & Boden), Thilo Baumgärtel (ganz rechts)

Plötzlich war alles möglich. Die Grenze war weg. Die Ostmark noch da. Die Regierung weg. Die Zwischenregierung noch da. Die Stasi-Zentrale gestürmt. Die Akten noch da. Noch gab es die DDR. Und man konnte eigentlich beinahe tun und lassen, was man wollte. Also fand die erste Alternative Buchmesse im Klubhaus „Heinrich Budde“ statt (11. bis 14.März 1990). Mit dabei Sebastian und Matthias Kleindienst. Es blieb die einzige ABM.

Carl Friedrich Schröer: Bei “Heinrich Budde“ sind wir uns über den Weg gelaufen. Das ist bald dreißig Jahre her.

Matthias Kleindienst: Ne!

Das Neue Forum war groß in Form. Du warst, glaube ich, noch bei der Hochschule für Grafik und Buchkunst.

MKD Schon.

Was hast Du dort gemacht?

MKD Ich war in der Werkstatt für Holzschnitt. Also in der grafischen Werkstatt.

Du machtest den Werkstattleiter?

MKD Werkstattleiter, ja, ja.

Dann brach dieses ganze Ding unverhofft auf. Und irgendwas Neues kam hervor. Woran wir jetzt noch zu knabbern haben.

MKD Aber alle (lacht).

Eine unheimlich aufregende Zeit, damals.

MKD Mhm (bestätigend)

Weil, gleichzeitig war noch natürlich viel DDR da. Und dann kam auch schon so ein bisschen viel BRD. Diese Mini-Buchmesse war auch ein Anfang. Und der Werkstattleiter für Holzschnitt sagte sich irgendwann, ich mach jetzt auch was anderes. Ich mache jetzt ne Galerie auf.

MKD Ja. Ich hab aber auch die Werkstatt weiter gemacht, sozusagen.

Wie?

MKD Also das lief parallel.

Wie parallel?

MKD Fast bis zum Ende. Ich habe die Werkstatt erst vor zwei Jahren oder so aufgegeben.

Ach

MKD Ja.

Wie ging denn das?

MKD Die Hochschule war ja für mich wichtig. Ich habe ja die Künstler, die später in die Galerie kamen, dort fast alle selbst unterrichtet.

Ach so

MKD Und dann gesehen, was daraus wird. Was kommt.

Und wer was konnte

MKD Dann habe ich eine Reihe junge Künstler in die Galerie geholt. Ein paar sind geblieben, ein paar sind weggegangen. Aber das war so der Anfang. Und das lief immer sehr, sehr gut, halt. Ich habe die Galerie von Anfang an auf Leipzig spezialisiert. Es gibt da ja nach wie vor sehr gute und viele Handschriften. Das war für mich natürlich ein gewisser Vorteil, dass man da schon früh gesehen hatte, das kann was werden.

Immer frisch aus der Werkstatt

MKD Es gibt ja auch son Rundgang in der Hochschule, wie in Düsseldorf oder so. Und da kennt man oder sieht man ja auch was. Was so gemacht wird.

Wie viele von diesen Talenten sind was geworden?

MKD Ne ganze Menge. Sind aber nicht alle bei mir gelandet. Das geht ja gar nicht. Wie gesagt, einige habe ich auch behalten. Auch Matthias Weischer war anfangs dabei.

Der ist dann zu Judy Lübke gewechselt, später zu Johann König

MKD Ja, passiert schon mal. Und ein paar sind einfach geblieben. Sehr viel Leipziger Malerei natürlich.

Um wen tut es Dir am meisten leid, dass er weg ist?

MKD Kann man so nicht sagen. David Schnell finde ich super. Auch Weischer, in einer gewissen Weise. Aber Schnell wäre mir sogar noch lieber. Sagen wir mal so.

Wann ging es in der Baumwollspinnerei los?

MKD Das ging erstmal anderswo los. Erst habe ich Editionen gemacht, so Mappenwerke verlegt. Diese Geschichten, Grafik-, Originalgrafik in Büchern. Und Texte dazu. Und die Galerie kam dann irgendwie dazu. Die war erst mehr in der Innenstadt. Und erst viel später sind wir in die  Spinnerei umgezogen.

Und da ist die Galerie wie lange jetzt?

MKD Wir sind, glaube wir sind seit 2005 da.

Es ist bis heute eine der wenigen Galerien, die keine Zweigstelle in Berlin, Los Angeles oder Hong Kong aufgemacht hat

MKD Ne, wir haben in Leipzig noch ne Dependance, aber für andere Projekte oder so. Aber auch erst seit drei Jahren.

Und doch hat die Galerie Kleindienst die Neue Leipziger Schule mit auf die Schiene gesetzt?

MKD Wir waren ja eigentlich die Neue Leipziger Schule.

Ach so!

MKD Das hat ja Lübke dann nur erfunden und weitergemacht. Oder unter dem Label  konnte der das natürlich sehr gut machen. Und da war der Rauch natürlich dann der Boss der neuen Leipziger. Und die anderen, die Nachgeneration ist eben dann so mit reingerutscht. Weischer, Schnell und Baumgärtel hatten ja dann in Berlin eine eigene Genossenschaftsgalerie gegründet.

Welche Rolle hast Du gespielt?

MKD In Berlin keine. Ich hatte die Leute in Leipzig trotzdem. Die haben ja auch ihren Weg gemacht. Aber ich hatte gute Leute trotzdem in der Galerie in Leipzig halt.

Henriette Grahnert?

Doubleface, Henriette Grahnert, 2019

MKD Die Grahnert kam dann ein bisschen später, ist halt noch ein bisschen jünger als Neo Rauch. Auch Julia Schmidt gehörte dazu. Frauen waren ein bisschen wenig, muss ich sagen.

Rosa Loy?

MKD Rosa hatte ich dann schon. Die ist auch mal kurz weggegangen. Haben wir wieder und arbeiten jetzt aber sehr gut zusammen. Muss ich sagen. Sozusagen nicht mehr die ganz jungen. Man kann ja nicht alles. Es gibt immer mal einen jungen, den man ausstellt, dazu nimmt. Aber ich versuche schon zu setzen, auch auf die, die ich habe oder hatte.

Die Aufbauarbeit dauert Jahre

MKD Deshalb war es natürlich auch schade, dass Schnell und Weischer gegangen sind. Ist klar. Als sie-, sag mal, profitabel werden konnten, warn se weg.

Wie ist heute das Zusammenspiel mit Eigen+Art?

MKD Freundlich. Ja.

Weil ja beide am gleichen…

MKD Also man spricht natürlich. Man hat einen guten Umgang. Einen sehr guten sogar.

Lords Trainee, Henriette, Grahnert, 2012

Ihr kennt euch als alten Tagen noch

MKD Das hat sich irgendwie ergeben, also wir machen alles halt noch zusammen, wenn es sein muss. Biertrinken oder sonst was.

Und sonst?

MKD Da gibt’s wirklich jetzt gar keine Probleme. Natürlich die Distanz zu Lübke, der ist einfach freundlich. Aber man hat auch nix-, also wir haben jetzt nix miteinander irgendwie, dass wir zusammenarbeiten oder irgendwas. Sowas gibt’s halt nicht.

Könnte man sich leicht vorstellen. Beide sitzen in der Spinnerei, fast Tür an Tür

MKD Aber der ist, der ist ne andere Kategorie, und das weiß er auch. Ne?

Beide Galerien haben je eine Künstlerin bei JETZT! Der aktuellen Ausstellung zur Malerei in drei Museen durchgebacht, Grahnert von Kleindienst, Kristina Schuldt von Eigen+Art. Galeristenstolz?

MKD Für meine Galerie ist das schon sehr gut. Ja die Grahnert hat sich wirklich sehr gut entwickelt. Die hat auch in der Kunsthalle Nürnberg schon eine große Einzelausstellung gehabt. Sagen wir mal, sie wird auch anerkannt.

Kommt sie auch aus der Werkstatt?

MKD Die haben hier alle in Leipzig studiert. Da hat man sie beobachtet und ausgestellt und verfolgt, und nun macht sie ihr Ding.

Und eines Tags kam Matthias Kleindienst und dachte: „Ach, das wäre ein Fall für mich.“

MKD Ja, da hab ich zu Ihr gesagt, okay, wir machen mal ne Ausstellung.

Wann war die erste Ausstellung?

MKD Weiß nicht mehr ganz genau, ungefähr zwanzig Jahre her… Aber das merke ich mir ja nicht. Man kennt sich ja, man hat Umgang, fast wöchentlich, täglich. Und da denkt man nicht, ach, du bist aber alt geworden. Das ist einfach so ein Zusammengehen.

Stimmt dieser Begriff eigentlich, Neue Leipziger Schule? Gibt es das noch? Oder hat sich auch dieses Label mittlerweile verschlissen?

MKD Das ist von Anfang an mehr Marketing gewesen, glaube ich. Also, klar, die kennen sich alle gut. Erst gab es die Alten und dann kamen die Jungen. Das versteht man unter Neue Leipziger Schule.

Wie standen die so untereinander?

MKD Es gab sogar einen Stammtisch. Ich glaube, das war, oder ist ein ganz gutes Verhältnis eigentlich. Ein paar sind natürlich weitergekommen. Das ist überall so. Aber im großen Ganzen ist da auch ein gutes Verhältnis unter den Leuten.

Und die Rolle von Neo Rauch? Ist der so ein Übervater?

MKD Nein. (Lacht) Nein, natürlich nicht. Der ist dann schon-, der ist auch mehr zurückhaltend, sagen wir mal so.

Aber es gibt ihn. Er muss da irgendwo sein, aber man sieht ihn nicht oft

MKD Er war ja auch mal an der Schule, war ein paar Jahre Professor und viele Maler haben bei ihm studiert. Julius Hofmann, den ich in der Galerie habe, und ein paar andere auch, haben ja auch bei ihm noch studiert.

Ist Rauch schon über den Wolken?

MKD Neenee, das ist ein ganz, muss ich sagen. Also ich kenne den ja nun wirklich durch Rosa auch. Ganz normaler Mensch. Muss ich schon sagen. Der kommt in die Spinnerei und guckt sich auch die Ausstellungen an und sein Atelier ist ja auch in der Spinnerei. Er ist eigentlich ganz parterre.

Die DDR-Kunst hat ja gerade so ne Art Revival

MKD Ja, finde ich inzwischen auch mal gut. Hat man dreißig Jahre nicht drüber gesprochen. Da gibt es ja wirklich, oder gab es ja gute Maler. Muss man ja sagen. Gerade in der Malerei. Nich? Die sind ja alle irgendwie im Erdboden verschwunden. Redet kein Schwein mehr drüber. Wenn man jetzt nicht Richter als Ossi bezeichnen würde. Oder so.

Oder Penck?

MKD Klar Penck! Sind aber alle in den Westen gegangen, vorher. Muss man ja sagen. Und deshalb kann man die ja nicht so vergleichen. Aber gerade Leute wie Walter Libuda beispielsweise, von dem ich schon 1990 eine Mappe gemacht habe. Der ist eben nicht so präsent, wie es ihm eigentlich zustehen sollte.

Gibt es Künstler oder Künstlerinnen, die noch heute übersehen werden?

MKD Ja, da gibt es noch mehrere Leute, wie Harald Metzkes, oder die Ebersbäche, Hartwig und Wolfram. Es gab hier ja wenig Galerien, gibt’s auch noch wenige, die die Leute zu den Kunstmessen gebracht hätten.

Die Messe sind allesamt im Westen

MKD Stimmt. Das wäre schon mal der erste Schritt, auf der Messe gezeigt zu werden.

Wie gelang denn die internationale Durchsetzung der Neuen Leipziger Schule? Der Hype ging ja bis nach Los Angeles und Tokyo

MKD Der war ein bisschen übertrieben teilweise. Ne? Das waren im Grunde drei Jahre, die waren dann schon okay so. Würde ich sagen. (Lacht)

Jetzt arbeitet die Galerie Kleindienst an der neuen, Neuen Leipziger Schule?

MKD Wenn man das so bezeichnet. Es ist einfach die Leipziger Schule. Und da sind nicht nur figürliche Gegenstände, es sind auch abstrakte dabei und so weiter und so fort. Und ich würde es trotzdem als Leipziger Schule bezeichnen.

Hochschule für Grafik und Buchkunst, schon der Name steht für gute handwerkliche Qualität. Ist das ein Gütesiegel?

MKD Das ist hier an der Schule wirklich Tradition. Woran hier angeknüpft wird, ne gewisse Tradition. Werkstätten, zweijährige Grundausbildung, incl. Aktzeichnen, Anatomie Rahmenbau, alle grafischen Techniken, Tiefdruck, Hochdruck, Flachdruck und so weiter. Das ist der Grundstock sozusagen.

Und Buchkunst

MKD dazu gehört Satz, Layout. Büchergestaltung, Plakate. Was weiß ich, was da alles dazugehört. Das gibt es fast nur noch in Leipzig, dass jede Drucktechnik eine eigene Werkstatt in einem Raum hat und dazu qualifizierte Mitarbeiter.

Aus diesem Grundstock entspringt dann die Leipziger-, oder die Neue Leipziger Schule?

MKD Ja. Das ist in Leipzig immer schon das Aushängeschild gewesen. Dass es da ne wirkliche, ne richtige Ausbildung gibt. Also auch noch Perspektive gelernt wird. Das ist jetzt nicht einfach nur eine freie Malschule.

Das lässt sich später in den Arbeiten erkennen, weil sie handwerklich gut gemacht sind

MKD Ja, handwerklich sind sie besonders gut. Egal ob man sie jetzt langweilig findet oder nicht. Oder was weiß ich. Aber es ist Handwerk, das auf jeden Fall.

Das gute Handwerk ist aber auch die Falle der DDR-Kunst

MKD Bei der DDR-Kunst sieht man das deutlich.

Man kann dazu stehen, wie man will. Aber technisch hatte es einen hohen Standard

MKD Genau, ja.

Aber künstlerisch von gestern?

MKD Nicht unbedingt.

Axel Krause ist technisch perfekt. Auch er kommt aus der Leipziger Schule. Der saß mit am Stammtisch, ein Leipziger Urgestein. Und doch haben sie gesagt, jetzt reichts und ihn rausgeworfen

MKD Ich habe ja einen Kompagnon, für Christian Seyde war das noch extremer mit dem Axel. Es ist einfach so, der Axel Krause… Es geht ja nicht um seine AfD-Mitgliedschaft. Das kann er ja machen, was er will. Aber er hat es ja wirklich Hetze gemacht. Und das ist dann wirklich ein Grund, den wir dann als Galerie nicht mehr vertreten konnten.

Was heißt Hetze?

MKD Naja, so richtig Ausländerhetze, und so weiter und so fort. Ne? Und das war dann schon ein bissl beschissen, muss ich ganz einfach sagen. Wir kennen uns noch-, wir reden auch zusammen. Aber das mit den Ausländern ist eben wirklich ein Punkt, wo man mit ihm auch nicht mehr reden kann. Er fühlt sich ja dann immer als Opfer.

Bei der letzten Jahresausstellung in der Baumwollspinnerei wurde er wegen seiner politischen Haltung ausgeschlossen

MKD Jaa.

Das war dann wohl ein gefundenes Fressen für ihn „Ausstellungsverbot“…

MKD Ja, klar. Aber das hat nichts –  das muss ich mal betonen – nichts mit der Galerie zu tun. Wir haben da kein Einfluss gehabt. Das ist wirklich ne andere Geschichte. Wir werden mit in einen Topf geworfen, für uns kam das auch überraschend. Wir haben ihn voriges Jahr im Oktober rausgeschmissen.

Aufgrund einiger Bemerkungen auf facebook?

MKD Das wollten wir einfach nicht mehr so richtig vertreten.

Gab es noch ein Gespräch mit ihm?

MKD Ne, wir haben das verhältnismäßig schnell gemacht. Diese ganze Geschichte hat natürlich ein bisschen gedauert, ein paar Monate schon.

Sie verfolgten, was Axel Krause so auf facebook postet?

MKD Klar. Wir haben es ihm dann gesagt und er hat sofort reagiert. Ist sofort zum MDR Kultur. Und von da an rollte die ganze Scheiße ja an.

Weil Sie ihm gesagt haben, daß sie seine Ausländerhetzte stört?

MKD Eigentlich eine private Sache. Er hat es dann aber aufgezogen. Politisch aufgezogen.

Was hat der Mitteldeutsche Rundfunk daraus gemacht?

MKD Gleich an dem Abend brachte der MDR eine Sendung. Und dann gings los, mit Interviews und mit Fragestellungen. Und dann wird ja auch die Westpresse wach.

War ihnen klar, welche Lawine sie auslösen könnten?

MKD Die Reaktionen waren dann natürlich heftig, im Internet und die Morddrohungen, wie man das heutzutage so macht.

Haben sie Angst um ihr Leben gehabt?

MKD Naja, als ich hörte, dass es so eine Liste von 25.000 Leuten gibt, die dann weg sollen, sobald die an die Macht kommen, habe ich schon nachgedacht. Was weiß ich ob ich schon mit draufstehe? Oder bist du das harmlose Arschloch, das gar nicht interessiert?

Es wurde doch erst groß berichtet, nachdem bekannt wurde, Krause sei aus der Jahresausstellung Leipziger Künstler ausgeschlossen wird

MKD Aber die waren nicht gut informiert. Es ging da nicht um die AfD-Mitgliedschaft. Da muss man schon mal nachfragen. Jetzt gibt es viele Leute, die auf seine Facebookseite gucken und wissen auch warum. Wir haben uns nicht einfach getrennt, nur weil er in der AfD ist. Das könnte für mich auch ein Grund sein, wenn er mit Höcke am Stammtisch sitzt. Wäre das dann wirklich rein privat.

Nach der Wahl sind jetzt alle alarmiert

MKD Da kümmere ich mich gar nicht so richtig drum, welcher Künstler welchen Umgang hat.

Marc Jongen und Erika Steinbach gehen jetzt zu seinen Ausstellungen

MKD Ja, er hat jetzt andere Galerien. Die Bilder laufen wahnsinnig gut weg.

Aber die Bilder sind darum nicht besser geworden?

MKD Sind ja gute Bilder. Ein bisschen steif vielleicht, bisschen fest. Ja so, okay.

Reut es sie, dass Krause jetzt so einen Erfolg hat, wo sie ihn über Jahrzehnte aufgebaut  haben?

MKD Ne. Gar nicht. Hab ich kein Problem mit. Freut mich jetzt nicht besonders, dass es für ihn so weitergeht.

Die Bilder sind so, wie sie sind. Die dahinterliegende Gesinnung, woher glauben Sie, kommt die?

MKD Das weiß ich eben auch nicht. Man kann mit ihm auch nicht darüber reden. Da ist kein Bezugspunkt mehr, wo wir uns dann treffen könnten.

Trotzdem, die Causa Krause wirft Fragen auf. Axel Krause kommt aus der Leipziger Szene, ist Mitglied der Neuen Leipziger Schule. Das ist kein Randphänomen. Und da findet auch mehr oder weniger gleichzeitig die Diskussion um Noe Rauch statt und seine Auseinandersetzung mit Wolfgang Ullrich

MKD Was bei ihm passiert ist, kann ich nicht sagen.

Woher weht der Wind da auf einmal?

MKD Ich frage mich wirklich, was stört euch? Ich meine, ich find auch nicht alles klasse, was hier passiert. Es gibt Leute, die wollen eine Grundrente, es gibt Leute, die wollen, dass man sich mehr um sie kümmert, oder mehr Kitaplätze. Aber was wollt ihr denn eigentlich? In Sachsen sind gar nicht so viele Ausländer, dass die uns die Häuser und die Wohnung wegnehmen. Oder wollt ihr ne Revolution? Aber was wollt ihr danach? Das können die gar nicht beantworten. Wenn die wirklich gegen Europa wären, dann dürften sie doch nicht in diesem scheiß EU-Parlament sitzen.

Vielleicht fühlen sich viele unterlegen, zu kurz gekommen?

MKD Das ist auch ne Mentalität von Dresden, bissn so. Die waren einfach damals son bisschen das Dorf da hinten. Und vielleicht ist so was noch geblieben, sone Mentalität.

Die Welt beschleunigt sich wahnsinnig, zum Beispiel durch die Dinger, die wir alle in der Tasche tragen

MKD Ja, geht mir auch zu schnell manchmal, ne? (lacht)

Viele möchten einfach, dass es so bleibt, wie es ist. Oder noch besser, so wie es früher mal war

MKD Genau. Denen geht das alles viel zu weit. Manchmal kehren sie den Biedermann raus, manchmal kommt der Brandstifter raus.

Im Moment n bisschen mehr Brandstifter

MKD Man muss sich aber dann schon überlegen, was in der AfD für Leute sind. Oder mit welchen Organisationen die zusammengehen. Das Spiel kennen wir. Das hatten wir schon mal. Die taten ja auch alle ganz moralisch. Eben bieder. Waren ja auch sehr bieder. Und dann kamen aber hinten die Brandstifter doch ganz schnell aus den Büschen.

Der Wutbürger als Brandstifter

MKD da ist mir natürlich die Kunst näher, weil die nicht so bieder ist. Da bricht schon mal was auf und da darf schon mal sehr viel Krasses und Radikales auch mal raus. Die Künstler  müssen nicht dauernd auf bieder und geschmacklos machen, um ein Vertrauen zu erwecken. Das macht mir Hoffnung.

 


 

Matthias Kleindienst wurde 1953 in Karl-Marx-Stadt geboren, wo er auch zur Schule ging. “Eigentlich war ich ein guter Schüler, besonders erfolgreich im Bänkerücken. Das heißt, wenn man eine vom Lehrer gestellte Frage als Erster beantworten konnte, dann durfte man einen neuen Sitzplatz einnehmen, also jeweils auf der vorderen Bank. Mein Interesse am Zeichenunterricht war nicht sehr ausgeprägt.“ Nach einer Lehre beim VEB Buchungsmaschinenwerk Karl-Marx-Stadt im VEB-Kombinat Zentronik und Militärdienst in der Nationalen Volksarmee fand er eine erste Anstellung in der Buchhandlung „Buch-Dienst Karl-Marx-Stadt“, anschließend Buchhändlerschule in Leipzig. Über seinen Jugendfreund Andreas Wachter fand er an Oktober 1976 an der Hochschule für Grafik und Buchkunst eine neue Stelle als technischer Mitarbeiter im Bereich Hochdruck. Dort druckte der spätere Werkstattleiter Kleindienst für Elisabeth Voigt und Wolfgang Mattheuer, aber auch für A. R. Penck und HAP Grieshaber. Im Wendejahr 1989 bestand Die Hochschule seit 225 Jahren, seit 1947 führt sie Grafik und Buchkunst im Titel, gleichwohl wurde sie dem mit Leipziger „Dreigestirn“ mit Bernhard Heisig, Wolfgang Mattheuer und Werner Tübke zur Malerschmiede der „Leipziger Schule“.

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