Die malerischen Eskapaden von Monika Baer

Sets and Stages

Ein Beitrag von Lothar Frangenbe

Monika Baer, Untitled, 2018, Metallpigment, mineralische Pigmente, Acryl, Hartschaum auf Leinwand, 210 x 160 cm, Courtesy die Künstlerin und Galerie Barbara Weiss, Berlin

Das Kunstmuseum Bonn hat für sein vielfaches Engagement zur Malerei den mit 15.000 Euro dotierten Preis der Dieter Krieg Stiftung erhalten. Man entschied sich für den Ankauf eines Bildes der Berliner Malerin Monika Baer, geboren 1964 und documenta-Teilnehmerin 2007. Zu begutachten ist diese Arbeit innerhalb einer kleinen Werkschau vor Ort. Die Präsentation hätte ruhig weniger sparsam, ja deutlich opulenter ausfallen dürfen. Nur ganze sechs Bilder aus den letzten 25 Jahren sind zu sehen. Sie stehen stellvertretend und zeitgerafft für ganze Bildfolgen und -serien, in denen die Künstlerin ihre malerischen Strategien abarbeitet. Studiert hat sie ab Mitte der 1980er Jahre an der Kunstakademie Düsseldorf. Der Hype um die sich rotzig gebende Malerei der „Neuen Wilden“ war gerade verflogen. Malerei als künstlerische Ausdrucksform stand, wie schon so oft, mal wieder auf dem Prüfstand und zur Disposition. Weitergemalt wurde trotzdem, auch von Monika Baer. Allerdings nicht unbeeindruckt von den fortwährenden Krisen des Mediums. Sie verfolgte früh konzeptuelle Ansätze, die im harten Wechsel der malerischen Phänomene, mal narrativ im vertrauten Bildfenster, mal abstrakt als Bildobjekt, auf den gemalten Oberflächen Gestalt annehmen. Die Befragung aktueller Möglichkeiten von Malerei mit von ihr inszenierten Brüchen und Widersprüchen findet in Form von Sets und Bühnendesigns statt. Die Bildreihen sind Austragungsorte für die Darbietung dieser Konstrukte. Und die Künstlerin führt Regie.

Monika Baer, Set 4, 1995, Öl auf Leinwand, 160 x 250 cm, Courtesy die Künstlerin und Galerie Barbara Weiss, Berlin

In der Ausstellung fällt der Blick schnell auf ein größeres, bunt leuchtendes Querformat, ein frühes Bild von 1995 („Set 4“ als Dauerleihgabe im Kunstmuseum Bonn). Es kommt wie ein flott gemaltes Bühnenbild daher, voller Requisiten, aber ohne Akteure. Die Künstlerin hat auf eine Postkartenvorlage zurückgegriffen. Um eine reflektierende, an Wasser erinnernde Fläche scheinen an den Bildrändern entlang unterschiedliche Gegenstände zu kreisen, Hütten, Bretter, ein Käfig oder Körbe. Sie halten das Auge des Betrachters in Bewegung. Eine Leiter und ein umgekippter Karren sperren den Bildraum nach hinten kreuzartig ab. Da ist kein Durchkommen. Dieser Hintergrund gewährt keinen Ausblick in imaginäre Räume, er kommt als unbetretbare Kulisse daher. Die Künstlerin verführt nicht zu einem Ausflug in die Tiefen des Bildes. Der Bildgrund bleibt flächig. Er transzendiert nicht. So ködert Baer die Betrachter mit Reizen und Effekten, führt vor, wie man mit Mitteln der Illusion Bildräume schafft und versucht gleichzeitig, diesen „Schein“ zu entlarven. Was bleibt, wenn der Vorhang fällt, oder die Kulisse nach oben fährt?

Auf der gegenüberliegenden Wand fällt ein abstrakter Gegenpart ins Auge. Es ist die Arbeit („Ohne Titel“ 2018), die mit den Mitteln der Stiftung angekauft wurde. Ein völlig anderer Auftritt, die malerische Antithese. Die illustrative Narration weicht einer wolkig, nebulösen Leere. Aus dem ausgewaschen wirkenden, schlierenartigen Farbgrund erheben sich, deutlich konturiert, zwei ausmodulierte Tropfen. Zu erkennen geben sie sich erst, wenn man sich dem Bild nähert. Camouflageartig sind sie mit der gleichen blassen Farbigkeit wie der Rest des Bildes überzogen: Abstraktion gegen tropfende Tränen aus Hartschaum, objekthaftes Konstrukt in inszenierter Farbmalerei. Simulationen und Täuschungen werden auch hier genutzt, um dem Betrachter den konzeptuellen Anspruch des Werks vorzuführen.

Und natürlich gibt es ihre bekannten Arbeiten zu sehen, bei denen Objekte als ungemalte Versatzstücke aus der Alltagswelt über den Bildrand hinaus rutschen und real werden. Malerei erscheint als Teil unserer konkreten Gegenwart, Dinge des Alltags werden zu Requisiten von Baers Kunstwelt. Eine kleine Schnapsflasche steht auf einem dünnen Holzbrettchen (Untitled 2013), Winkel und Schrauben halten bleichgelb, monochrome Bilder mit eingelagerten, pastosen Dekors und Strukturen fest an der Wand („Untitled“ 2016/2017). Sie wollen sich offenbar gegen ihre mögliche Verfügbarkeit wehren, sei es als Preziose oder Handelsware.

Monika Baer baut ihre Malereien als Testreihen und doppelbödige Wechselspiele auf. Sie werden als Gebilde zusammengesetzt, Bildelemente montiert und demontiert. Sie greift strategisch auf diese Kunstgriffe zurück, um sich der Auseinandersetzung zu stellen, wie man heute als Künstlerin in einem oft überholt wirkenden Medium weitermachen kann. Im Hin und Her ihrer Vorgehensweise bleibt die begrenzte Bildoberfläche der eigentliche Schauplatz, an dem die Malerin vertraute, eingefahrene Wahrnehmungs- und Deutungsmuster untersucht. An den Betrachter übergibt sie die Aufgabe, sich zu fragen, welche Kette von oft widersprüchlichen Assoziationen er mit all diesen gemalten Vorführungen verbindet. Er wird in ihre Auseinandersetzung um künstlerische Methoden und ihre Bedeutung hineingezogen. Aber bei all dem Spiel mit Illusionen und Fallstricken schleicht sich der Eindruck ein, dass sich dabei auch jede dieser malerischen Erscheinungen zu einer reinen Konvention entleert.

Und hier liegt das Problem: Ihr gelingt die inhaltliche Aufladung der Bilder durch eine Kombinatorik scheinbar disparater Elemente und realer Objekte, aber sie verwendet einen vertrauten Kanon bildnerischer Mittel und Oberflächen, die uns visuell nicht in neue, malerische Welten entführen. Diese Überraschung bleibt aus. Für sie scheint es kein neues malerisches Vokabular zu geben. Indem sie sich des vorhandenen Repertoires malerischer Möglichkeiten bedient, lösen sich ihre künstlerischen Exkurse zu wenig von der Ebene des Kommentierens. Man versteht den Diskurs und seine Vorführung, erlebt ihn aber wenig über die malerische Umsetzung. Die dargebotenen, malerischen „Delikatessen“ müssen permanent vom Betrachter mit den richtigen, kontextuellen Vorzeichen versehen werden, um den Intentionen der Malerin gerecht zu werden. Tut man es, werden die Arbeiten zu diaphanen Bildfolien, durch die Metaebenen des Kunstdiskurses nach vorne treten. Lässt man es, laugen die Bilder aus.

Die für die Malerin sicher interessanten Tests, nicht nur handwerklicher, auch intellektueller Art, geraten für den Betrachter auf Dauer zu einem verblassenden Spiel mit sich wiederholenden Fragestellungen. Das Medium „Malerei“ wird nicht neu beatmet. Ihre „abgenutzte“ Rhetorik dient als Mittel zur Codierung der transitiven Inhalte. Nur diese weisen über das konkrete Bild hinaus. Somit läuft die künstlerische Strategie nicht in die intellektuelle, aber in die malerische Leere: ein Abgesang auf die Malerei, deren mögliche Kraft oder Faszination mit solchen Vorführungen permanent gebrochen wird.

 


 

Ausstellungsdauer: 30. April bis 16. Juni

 


 

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