Kris Martin ist Konzeptkünstler. Er trägt es mit Fassung. „Was solls?”, fragt er, der den Ideen misstraut. Lieber bezeichnet er sich als Materialist, der den großen Themen wie Tod, Liebe, Religion oder dem Ende nicht ausweicht. Ideen, findet er, sind nur so gut, wie sie sich materialisieren lassen in Bildern und Kunststücke. „Ich brauche die Gebundenheit an Materie als Medium für meine Kunst. Ich fühle mich davon angezogen und hingerissen.“
Über ein Jahr lang (2009) unterzog sich Martin der Arbeit, den gesamten Roman “Der Idiot” von Fjodor Dostojewski Wort für Wort abzuschreiben. Ein Akt der extremen Bewunderung und Identifikation mit Fürst Myschkins Verlangen nach spiritueller Transformation. Wort für Wort schrieb Martin das Buch per Hand ab, nur seinen eigenen Namen setzte er an die Stelle Myschkins.
Bei allem Erfinden und Ausführen bleibt Kris Martin (* 1972 in Kortrijk, Belgien) skeptisch, was das Tun eines Künstlers betrifft. „Ich kann nicht mehr als bestenfalls 50 Prozent tun. Der Blick des Betrachters schafft die anderen 50 Prozent dazu.“
Martin lebt heute mit seiner Familie in Gent. Dort richtete ihm schon 2003 das SMAK Stedelijk Museum voor Actuele Kunst eine Einzelausstellung aus. Der Titel war programmatisch: Gelijk het leven is (Wie das Leben ist).
Auf die Turmspitze der gotischen Hauptkirche von Gent platzierte Martin unlängst ein neues Kreuz. Das Kreuz ist ein wenig anders geraten als gewöhnliche Kreuze. Verschränkt es die Arme über der Brust als Geste des Innenhaltens und Gedenkens, oder verschließen die Hände die Augen?
Wir sprachen mit Kris Martin auf dem Eiskellerberg und trafen ihn beim Aufbau seiner Einzelausstellung in der Galerie Sies + Höke.