Monobloc und Heckklappe.
Gerd Schäfer und Kasper König (l.) nach erfolgtem Atelierbesuch, Foto: Jürgen Drescher
Kasper König und ich kannten uns seit über 40 Jahren. Es war zunächst eine Anwalt-Klientbeziehung. Aus ihr wurde im Lauf der Jahre eine intensive Freundschaft. Kasper ist am 9. August 2024 verstorben.
Noch am 11. Juni besuchte ich Kasper in Berlin. Er arbeitete an seinem Schreibtisch und schrieb Postkarten, die er zuvor aus mehreren Postkarten, Fotos aus Zeitschriften oder anderen Fundstücken collagenhaft hergestellt hatte. Sie sind von ihm nahezu täglich an Künstler, Sammler, Freunde, Familienmitglieder, frühere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geschickt worden. Kasper ließ sich durch meinen Besuch nicht „stören“, d. h. er arbeitete zunächst nach der Begrüßung und der Erledigung der Frage, ob ich einen Kaffee oder ein Glas Wasser wünschte, an seiner täglichen Übung weiter.
Nachmittags fuhren wir gemeinsam zu Jürgen Drescher ins Atelier. Drescher wartete auf mich, weil ich einen besonderen Stuhl bei ihm abholen wollte, einen Monobloc. Beim Monobloc handelt es sich um ein Massenprodukt aus Plastik. Wahrscheinlich das weltweit meist produzierte Sitzmöbel. Auf allen Kontinenten ist es als billiges, bequemes Sitzgerät in Betrieb. Drescher hat ihn allerdings als Aluminium-Sandguss ausgeführt.
Das Atelier in der 3. Etage des Atelierhauses konnten wir über einen Aufzug erreichen, was für uns beide sehr hilfreich war. Nach einem etwa zweistündigen sehr lebhaften Gespräch mit Jürgen Drescher – er zeigte uns noch eine Reihe anderer Skulpturen, Malereien und Zeichnungen – brachen wir wieder auf. Jürgen trug seine Skulptur über das Treppenhaus runter, Kasper und ich folgten langsamer nach, da sich Kasper in dem langen Gang auf der 3. Etage bis zum Treppenhaus die dort hängenden Arbeiten anderer Künstler interessiert, manchmal „nicht schlecht“ murmelnd ansah. Kompliziert wurde der Abstieg im Treppenhaus. Ich musste, selbst etwas wackelig auf den Beinen, Kasper, der sich rechts am Geländer festhielt, stützen. Unten angekommen, setzte sich Kasper in den geöffneten Kofferraum meines Wagens, ich selbst auf den umfrisierten Monobloc. „Das muss ich fotografieren,“ sagte Jürgen Drescher und tat es. So entstand eines der letzten Fotos von Kasper.
Kasper und ich sind auf dem Foto ohne Kopfbedeckung. Unsere Hüte lagen irgendwo im Wagen. Kasper war leidenschaftlicher Hutträger. Vor sechs Jahren hatte ihm meine Frau Angela, die bis zu unserem Umzug nach Vorpommern in 2003 eine kleine Hutmanufaktur betrieb, einen Filzhut geschenkt. Für Boutiquen, Modeschauen, Events, Pferderennen und ähnliche Ereignissen entwarf sie Damenhüte. Für mich, unsere Söhne und Freunde fiel auch ab und zu ein Herrenhut ab, Filz im Winter, Stroh im Sommer. Seit dem Geschenk des Filzhutes trug Kasper mit Begeisterung statt früher Kappen oder Mützen nur noch Filzhüte im Herbst und Winter und Strohhüte in den besseren Jahreszeiten.
Meine Frau musste ab und zu nachliefern. Denn mit den Hüten ging Kasper grausam um: Sie waren nach kurzer Zeit außer Form. Wie er das schaffte, war uns schleierhaft. Kasper aber liebte seine Hüte, egal in welchen Zustand er sie versetzt hatte. Meine Frau erhielt zahlreiche Postkarten-Collagen aus Berlin und von seinen jeweiligen Reiseorten (eine Schere, Klebstoff, Postkarten und Fotovorrat nahm er auf seinen Reisen immer mit). Auf einer Postkarte aus Neapel steht der Zusatz: „Dein Hut wird sehr bewundert“. Es gibt viele Wortableitungen vom Hut, wie Hut ab, behüten, verhüten, auf der Hut sein etc. Sie haben etwas mit Kasper gemein. Auch er hat Zeit seines Lebens als Kurator von ihm ausgewählte Künstlerinnen und Künstler, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, wie auch viele, viele Freunde gefördert und behütet.
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Gerd Schäfer ist promovierter Jurist, Literaturfreund und Kunstsammler. Nach dem Studium gründete er zunächst in Düsseldorf, später in Berlin die Sozietät Schäfer Wipprecht Schickert und Partner. In Düsseldorf ist er vor allem als Vorsitzender des Kunstvereins für die Rheinlande und Westfalen gut in Erinnerung. Von 1977 bis 1995 leitet er den Kunstverein durch klipprige Zeiten. Heute lebt er mit seiner Frau im Gutshaus Landsdorf in Mecklenburg-Vorpommern, wo er auch seine Kunstsammlung um sich hat.
“Es schließt sich für mich ein Kreis”