Sun Mus Malertraum von Koreas Wiedervereinigung

In der Migrationsfalle

Vermummt. Sun Mu in seiner Ausstellung im Parkhaus

Hitzewelle hat irgendwie „Flüchtlingswelle“ aus den Schlagzeilen verdrängt. Wie dann doch wieder alles miteinander zusammen hängt, erfahren wir jetzt. Die sommerliche Hitze über Europa ist dem Klimawandel geschuldet. Da starren wir auf die rissigen Flecken am Rheinufer, da spüren wir es brennend heiß auf der Haut. Durch die fortgesetzte Austrockung ganzer Landstriche (Bodendegration) fallen die Ernten aus und die Böden können viel weniger Kohlendioxid aufnehmen. Eine Zahl, die „zu einer Angelegenheit für den Weltsicherheitsrat und aller Innenministerien werden dürfte“, folgerte Joachim Müller-Jung, Redakteur im Ressort Natur und Wissenschaft der FAZ, „50 bis 700 Millionen Menschen könnten bis zum Jahr 250 gezwungen sein, ihr Land zu verlassen und zu Migranten werden.“ Christliche Moral: Erst genießen wir den schönen Sommer, dann kommen die Migranten, „erst kommt das Fressen, dann die Moral“ (Maceath, die Dreigroschenoper).

Das sommerliche Klima hat auch guten Seiten. Zur Eröffnung der Ausstellung Sun Mu two hearts/zwei herzen im Parkhaus kamen unverhofft viele Besucher. Einst wurde der Malkasten gegründet, um der Düsseldorfer Künstlerschaft die Zugereisten würdig vorstellen zu können. Sun Mu („Ohne Grenzen“) bleibt drei Monate in Düsseldorf, zeigt hier seine erste Einzelausstellung in Europa und hat das Zeug, ein Weltstar zu werden. Denn er kommt aus Nord Korea. Genauer floh er aus Nord Korea, aus einem der übelsten Tyrannenstaaten der Welt geflüchtet. „Zufällig“, sagt Sun Mu. Nicht aus politischen Gründen. Eher aus Hunger und aus Neugierde auf die Welt „da draußen“.

Zur Eröffnung des Koreaners Sun Mu erschienen mit Carmen und Imi Knoebel, Thomas Schütte, Mischa Kuball, Helmut Schweizer, Katharina Sievering, Klaus Mettig außergewöhnlich viele Künstler. Die Düsseldorfer Künstlerprominenz war angetreten, um Sun Mu zu begrüßen. Lag es allein am schönen Wetter? Lag es an der Gefahr, der Malkastengarten werde demnächst versteppen? Oder an den Abrißplänen des Malkasten-Vorstands, verbunden mit dem Begehren, dem unabhängigen Kunstraum Parkhaus den Garaus zu machen? War das Aufgebot also eine Solidaritätsadresse an den Parkhauswächter Charly Rummeny „Das ist ja auch seltsam / Liegt alles im Keller“?

Oder lag es an Trump? Erst Mitte Juni hat er die Korea- Karte gespielt. Bei ihrem historischen Treffen in Singapur hatten sich US-Präsident Donald Trump und Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un auf eine vollständige Denuklearisierung der koreanischen Halbinsel irgendwie geeinigt. Es war das erste Treffen in der Geschichte zwischen einem amtierenden US-Präsidenten und einem nordkoreanischen Machthaber. Der Abbau der Nuklearwaffen werde “sehr, sehr bald beginnen”, sagte Trump.

Auf die koreanische Karte setzt auch Sun Mu. 1972 in Nordkorea geboren, entschloß er sich in Zeiten der schweren Hungersnöte 1998 über die Grenze nach China zu fliehen. Seine mehrjährige Flucht über China, Thailand, Laos nach Südkorea erlebte er als traumatisches Erlebnis. Seine Bilder sind davon stark geprägt, wie auch seine Malweise. Sun Mu wurde in der nordkoreanischen Armee zum Propagandakünstler ausgebildet, später konnte er an der Kunsthochschule in Pyongyang studieren. Heute lebt er als Maler in Seoul. Immer wiederkehrendes Thema seiner Arbeit ist die politische Situation seines Heimatlandes, die Teilung Koreas, die inneren und äußeren Konflikte dieses im Schockzustand des Kalten Krieg verharrenden südostasiatischen Subkonitents. So auch in Düsseldorf. Schon die Einladungskarte zeigt die beiden Staatchefs Un und Trump wie sie sich händeschüttelnd gegenüber stehen. Der eine Rot, der andere Blau. Selbstverständlich ist es verboten, den nordkoreanischen Machthaber ohne die Erlaubnis des gottgleichen Diktators auf die Leinwand zu bannen. Sun Mu setzt sich über dieses Gesetz hinweg und damit einer Verfolgung aus, von der niemand sagen, wie gefährlich ihm das werden kann. Ist Su Mun ein politischer Künstler? Er wendet sich nicht gegen Mißstände, übt keinerlei Kritik. Eher möchte man sagen, er ist ein patriotischer Künstler, dem nichts so sehr am Herzen liegt, wie die Wiedervereinigung der beiden Koreas.

Hat einer wie Sun Mu, der in Nordkorea geboren wurde, hierzulande überhaupt eine Chance der Rolle als  als politischer Künstler zu entkommen? Nur vorsichtig löst er sich vom Agit Prop-Stil nordkoreanischer Provenienz. Den Boden der Parkhaus-Halle hat er mit koreanischen Schriftzeichen übersäht, es sind Parolen, die ihn in seiner Kindheit und während seiner Militärzeit eingebläut wurden. Es finden sich wild-gestische, abstrakte Bildchiffren an der Stirnwand, wie auch Ölbilder in traditioneller asiatischer Naturmotivik. Unter vielen Bildern finden sich zu Ornamenten geformte Schriftzeichen, z. B. „Das ist das, was ich sage“, „Wir gehen Hand in Hand“. Es dominieren die plakativen Motive, auf  denen das bekannte politische Personal präsent ist. Eine Falle?

Aus Angst vor Sippenhaft seiner in Nordkorea verbliebenen Familienangehörigen, vermeidet es Sun Mu, seinen wirklichen Namen preiszugeben, noch zeigt er sein Gesicht auf Fotos oder in Filmen. Aber bereitwillig posiert er grell maskiert vor den Kameras. Was prompt dem Hipe um Sun Mu dient, allmählich sein Markenzeichen wird und ihn nicht aus der Rolle des Geflüchteten aus Nordkorea entläßt, auch wenn das 20 Jahre her ist.

 

Redaktionelle Mitarbeit Benita Ortwein

 

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