Zuwächse ins Ungewisse

Florian Peters-Messer beschenkt den Kunstpalast

Too Much Future, Wandarbeit von Rebekka Benzenberg

Florian Peters-Messer, bestens vernetzter Immobilienunternehmer aus Viersen, sammelt Arbeiten, die den Finger in die Wunde von Politik und Gesellschaft legen. Das Spektrum seiner Kollektion an Gegenwartskunst reicht von Altmeistern des Aufmüpfigen wie John Bock, Thomas Hirschhorn oder Erik van Lieshout bis zu jüngeren Künstlern der subversiven Art – u.a. Alexander Basil, Murat Önen oder Sophia Süßmilch. Nun gibt er rund 310 Werke als Schenkung an den Düsseldorfer Kunstpalast. Neben Malerei, Zeichnung und Fotografie beinhaltet sie Video- und Medienarbeiten sowie großformatige Installationen.

Jörg Restorff hat den Sammler besucht

Kunstsammler und Stifter Florian Peters-Messer

Über Sammler sind allerhand Ansichten im Umlauf – auch Klischees. Liebe zur Kunst? Na klar, die ist ohnehin eingepreist. Leidenschaft wird ihnen attestiert, Besessenheit obendrein. Jagdfieber und der Drang, etwas zu erwerben, um es zu besitzen, zählen ebenfalls zu den Zuschreibungen, die einen veritablen Kunstsammler ausmachen. Schließlich hält sich hartnäckig die Vorstellung, Sammler seien skurrile Typen, Eigenbrötler, Einzelgänger, die ihr Ding machen, ohne sich von anderen reinreden zu lassen.

Florian Peters-Messer ist, wer wollte sich wundern, ganz anders. Der in Viersen lebende Sammler läßt sich als Musterbeispiel eines Kommunikators beschreiben. Der Immobilienunternehmer agiert gern als Teamplayer, schmiedet geschickt Allianzen – manchmal vor, manchmal hinter den Kulissen. Er sucht Tuchfühlung mit anderen Sammlern. Beleg dafür ist der Verein „Art’Us Collectors’ Collective“, den er mit drei anderen Sammlern aus der Taufe gehoben hat. Oder mit Museen – bei den Freunden des Düsseldorfer Kunstpalasts agiert er als Schatzmeister. Auf Einladung des Museums am Ehrenhof hat er sich 2020 auch als Kurator betätigt. Die Ausstellung „Empört Euch! Kunst in Zeiten des Zorns“ organisierte er gemeinsam mit der Berliner Autorin und Kuratorin Linda Peitz.

Kampf für Gleichheit und Gerechtigkeit

Boxer, Harry Hachmeister, 2007

Mehr als 400 Arbeiten umfasst seine Kollektion, die ihn in einem weitläufigen Penthouse an der Sittarder Straße in Viersen umgibt. Für l’art pour l’art hat Florian Peters-Messer keinen Platz. Er brennt für Künstler, die für eine bessere Welt brennen. Die, so hofft Peters-Messer  die mit ihrer Arbeit „für mehr Gleichheit und Gerechtigkeit kämpfen“. Die Parole stammt von Thomas Hirschhorn.

Eine Begegnung mit Installationen des Schweizer Künstlers markiert den Einstieg des Kaufmanns ins Sammeln und seiner Faszination für Kunst, die sich einmischt und Missstände anprangert. So eindeutig die inhaltliche Stoßrichtung der Sammlung Peters-Messer, so vielfältig die Techniken, die hier vertreten sind: Malerei und Fotografie gehören dazu, Zeichnungen und Collagen, Installationen und Skulpturen.

Wer bekannte Künstlernamen sucht, wird hier reichlich belohnt. Auf der „artists“-Liste seiner Website stehen Kader Attia, Jon Bock, Monica Bonvicini, Sophie Calle, Elmgreen & Dragset, Rainer Fetting, Mischa Kuball, Bjarne Melgaard, Manfred Pernice, Gregor Schneider, Santiago Sierra und Florian Slotawa. Beinahe ein Who is Who der erweiterten Konzeptkunst. Doch setzt Florian Peters-Messer ebenso – und aktuell in zunehmendem Maße – auf jüngere Künstler, die in ihren Dreißigern oder Vierzigern sind. Zu nennen wären hier beispielsweise Alexander Basil, Kris Lemsalu, Henrike Naumann, Murat Önen, Achim Riethmann, Julian Röder oder Sophia Süßmilch.

Vom Quereinsteiger zum Senkrechtstarter

Eine beeindruckende Reihe – vor allem, wenn man berücksichtigt, dass Quereinsteiger Florian Peters-Messer noch viel vor hat. „Als Unternehmer und klassischer Betriebswirt ist mir das Sammeln nicht unbedingt in die Wiege gelegt worden.“ Wie so oft war es ein Lehrer, der entscheidende Impulse vermittelte. „Der Grundstein zu meinem Interesse an der Gegenwartskunst wurde durch die Kunsterziehung in der Schule gelegt“, erzählt Peters-Messer. Mit Dankbarkeit erinnert er sich seiner Kunstlehrerin Kathrin Wirtz, die ihm die Tür zur Gegenwartskunst öffnete: „Sie nahm uns mit zur documenta, zu Pina Bausch nach Wuppertal, zur Kunstsammlung NRW.“ Wer mit dem Sammler spricht, mag zu dem Schluss kommen, dass auch er ein guter Kunstlehrer geworden wäre: Die Gabe, den eigenen Enthusiasmus ohne übertriebene Schwärmerei an andere weiterzugeben und so den Kreis der Kunstbegeisterten zu erweitern, sie ist womöglich ebenfalls ein Erbteil der Kunsterzieherin.

Nach dem Abi jedoch siegte zunächst Pragmatismus über Euphorie für die Kunst: Florian Peters-Messer studierte BWL, arbeitete anschließend als Unternehmensberater in Frankfurt am Main, und setzte seine Karriere schließlich im Familienunternehmen fort. „Farben Peters“, der Name ist älteren Viersenern noch in guter Erinnerung. Als Großhandel für Farben, Bodenbeläge und Baustoffe umfasste das Unternehmen rund 40 Niederlassungen und beschäftigte circa 500 Mitarbeiter. 2009 wurde es verkauft. Seitdem kümmert sich Florian Peters-Messer um die im Familienbesitz verbliebenen Immobilien.

In der einstigen Bürozentrale von „Farben Peters“ – einem nüchternen Zweckbau, dessen Fassadenfarbe Rot allerdings ins Auge sticht – hat er im vierten Stock eine Wohnung bezogen. Als Lebensmittelpunkt und Showroom leistet sie gleichermaßen gute Dienste. 300 Quadratmeter bieten genug Spielraum, um die Arbeiten seiner Sammlung in wechselnden Konstellationen zu präsentieren. Auf dem Firmenareal befindet sich zudem das Lager des Sammlers, das circa 1000 Quadratmeter umfasst. Ein unverzichtbares Ausweichquartier, denn zum einen hat Peters-Messer mittlerweile weit mehr Schätze angehäuft, als seine Wohnräume aufnehmen können, und zum anderen bevorzugt er Arbeiten, die „raumgreifend“ sind, wie das im heutigen Kuratoren-Jargon so schön wie plastisch heißt.

Faible für Hardcore-Konzeptkunst

Allerdings ließen die ersten Erwerbungen kaum erwarten, dass Florian Peters-Messer einmal ein Faible für Hardcore-Konzeptkunst entwickeln würde. Mit Arbeiten von Martin Assig, Stephan Balkenhol und Gerhard Richter unternahm der Mittzwanziger erste sammlerische Gehversuche. Ende der Neunziger dann die Begegnung mit Hirschhorns Kunst, die gleichsam einen Paradigmenwechsel bewirkte. Seitdem erwirbt er vor allem zeitgenössische Kunst, die den Betrachter herausfordert, die ihn provoziert. Kunst also, die vor den Kopf stößt, um uns aus unserer mentalen Couchperspektive wachzurütteln und Denkprozesse voranzutreiben.

Bjarne Melgaard, „Untitled“, 2006

Die Endzeitstimmung, die sich in Teilen der Gesellschaft angesichts von Klimawandel, Corona, Flüchtlingskrise, Ukraine-Krieg und dem Erstarken extremistischer Positionen breitgemacht hat, auch sie schlägt sich in etlichen Arbeiten der Sammlung nieder. Noch wichtiger jedoch ist der Blick auf „das Individuum mit seinen intimsten Phantasien und Ängsten“, wie es Peters-Messer ausdrückt. Bjarne Melgaards rotzfreches Schriftbild „I am not a piece of shit I am a piece of society“ steht stellvertretend für viele Künstler, die ein extrem negatives, mitunter fratzenhaftes Bild unserer Lebenswelt zeichnen, sich aber gleichwohl als Teil dieser Gesellschaft verstehen.

Wie ticken die Jüngeren?

Alexander Basil, „Untitled 2020 Shower“, 2020

Alles ist im Fluss, das gilt auch und sogar in besonderem Maße für diese noch junge Sammlung. Der Sammler ist neugierig auf die Entwicklung der zeitgenössischen Kunst, lässt sich gern überraschen – frei nach Seth Siegelaubs Motto „Art is to change what you expect from it“. Deshalb hat er sich in den vergangenen Jahren verstärkt auf Werke aufstrebender Künstler konzentriert. Wie ticken, wie fühlen die Jüngeren, diese Frage treibt ihn um und an: „Ich habe keine Kinder. Kunst ermöglicht mir, in die Denkweise anderer Generationen hineinzuschauen, wie zum Beispiel Digitalisierung oder den Umgang mit Sexualität.“

Verjüngung also kennzeichnet die Sammleraktivitäten, aber auch Fokussierung. Gern beruft sich Florian Peters-Messer auf Paul Klees Bild „Hauptwege und Nebenwege“ (heute im Museum Ludwig Köln). „Im Laufe seiner Sammlerkarriere merkt man, dass man viele Nebenwege eingeschlagen hat und sich besser auf den Hauptweg konzentrieren sollte. Deshalb habe ich meine Sammlung in den letzten Jahren sehr gestreamlined und mich von vielen Arbeiten getrennt.“

Gegen Abschottung

Gleichwohl beherbergt das Magazin nach wie vor eine Vielzahl von Kunstwerken, die Peters-Messer nicht einfach horten mag. Das widerspräche seiner Überzeugung, wonach nur geteilte Kunst gute Kunst ist: „Ich leihe gerne Arbeiten aus, denn erst dann entfalten sie ihre sinnhafte Wirkkraft.“

Gemeinsam mit drei anderen Sammlern, die ebenfalls von Abschottung nichts halten, hat er vor Jahren den Verein „Art’Us Collectors’ Collective“ gegründet. Ziel der Initiative, der neben ihm Alexandra Hackelsberger (Berlin), Mathias Ricker (München) und Gudrun Ruetz (Stuttgart) angehören ist es, „die eigenen Sammlungen für Kuratoren und Kuratorinnen verfügbar – und durch Ausstellungen einem breiten Publikum zugänglich zu machen.“ 

Zur Website des Vereins gehört eine Online-Datenbank mit mehr als tausend Werkabbildungen, die zudem verschlagwortet sind. Sucht ein Ausstellungsmacher, ein Museum oder ein Kunstverein nach passenden Arbeiten zu einem bestimmten Thema, so lädt ihn das „Art’Us Collectors’ Collective“ ins virtuelles Schaulager ein. Stichwort genügt – und unter Umständen hat man innerhalb von Sekunden ein passendes Exponat für die angepeilte Schau ermittelt. E-Mail genügt, um den Ausleihwunsch Wirklichkeit werden zu lassen.

zur Person

Geboren im Jahr 1964, studierte Florian Peters-Messer BWL in Paris, Oxford und Berlin, Er sammelt Kunst seit Mitte der 90er Jahre. Heute umfasst seine Sammlung ca. 450 Arbeiten mit ca. 100 Positionen. Von 2001 bis 2009 besaß er eine Galeriebeteiligung bei Arndt&Partner. Er lebt in Viersen und Berlin und arbeitet im Immobiliensektor.
Peters-Messer ist Mitglied im Sammlerkollektiv art Us Collector’s collective, welches das Ziel verfolgt, junge künstlerische Positionen durch Ausstellungen, Publikationen und Bereitstellung eines virtuellen Schaulagers zu fördern, das von Kurator*innen für Recherchearbeit und Ausleihen besucht werden kann. Er beteiligte sich an Talks und Vorträgen zu den Themen Queer Art, Sexualität und Psychologie, rechte Radikalisierung und deren künstlerischer Verarbeitung und verfasste Texte für Publikationen und Ausstellungen.

Unter dem Titel Too Much Future. Schenkung Florian Peters-Messer wird eine Werkauswahl im Kunstpalast zu sehen sein – 28. August 2024 bis 5. Januar 2025


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