Platzhirsch und anderes Großwild

Aufwärmen am Spielfeldrand. Ein Preludium der vereinigten Kunstsammler zur Art Cologne

Kunstsammler – wir übernehmen hier ausnahmsweise die gendersternfrei Variante des erst 2016 in Berlin gegründeten Vereins der Kunstsammler – sind scheu und einzelgängerisch. Auf jeder Kunstmesse dürften sie zum aussterbenden, aber bestgejagten Wild zählen. Schonzeit ist nie. Dennoch zieht es sie immer wieder hin auf die weiten, lichtdurchfluteten Flure.

Zum Aufwärmen vor der Preview der Art Cologne bietet sich seit Jahren schon die Jahreshauptversammlung des Kunstsammler e.V. an. Vorsicht Rudelbildung! Das ist viel mehr als eine öde Mitgliederversammlung irgendeines Kunstvereins. Die vereinigten Kunstsammler tagen ab 10 Uhr im Europasaal der Kölnmesse, Daniel Hug persönlich erscheint zur Begrüßung und lobt sich und seine 14. Ausgabe der Art Cologne selbst, „ich bin überwältigt… wir optimieren.“ Aber dann übernimmt Harald Falckenberg, Initiator und 1. Vorsitzenden des Vereins seit Gründung. Falckenberg, vermögender Jurist, Großsammler aus Hamburg ist auch mit 79 Jahren ein kulturpolitischer Achtzehnender. 

Nun ist es die erste Versammlung der Kunstsammler ohne Falckenbergs Lieblingsfeindin Monika Grütters (einige werden sich erinnern: die sogenannte „Kulturstaatsministerin“). Viele fragten sich im Vorfeld bereits, was Falckenberg ohne sie überhaupt noch vom Zaun brechen wolle. Zur ihrer Nachfolgerin fällt ihm nicht viel ein außer dem Kalauer „Roth kommt und alle sehen Schwarz“. Schwer getäuscht. Falckenberg, angriffslustig wie je, charmant wie polemisch, zieht alle Register und bläst ins Horn: „Unsere Stimme wird auch noch gebraucht. Da bin ich mir sicher!“

Wie sehr Grütters den Kulturstandort Deutschland im europäischen Vergleich „stark benachteiligt“ hat, beklagt er seit Tag und Jahr bis hin zu einer Verfassungsbeschwerde gegen „ihr“ Kulturgutschutzgesetz (KGSG) „dieses eigentümliche Monstrum“. Die Klage der Sammler, ist zu erfahren, hängt in Karlsruhe „in der Luft.“ Aber es gibt ja noch genug Empörungspotential. Verdoppelung der Mehrwertsteuer für Kunstverkäufe, Künstlersozialkasse, Folgerecht und die jetzt geltenden erhöhten Sorgfaltspflichten eines lückenlosen Provenienznachweises. Dieses Gemisch aus Grütters Giftküche führe „nachweislich zu einer Verlagerung des Kunsthandels ins Ausland“. Das alles nimmt Falckenberg und seine vereinigten Kunstsammlern zwischen die Hörner.

Ach so, es geht diesem Sammlerverein gar nicht um Sammlerförderung, sondern „in letzter Konsequenz“ um die „inländische Künstlerförderung.“ Entsprechend werden die Kunstakademien in Lande reihum mit Spenden versorgt. Aber war da nicht mal was mit dem Sammeln selbst? Der Erwerb von Kunst galt als die beste Kunstförderung.  

Von den 69 Mitgliedern waren gerade mal 15 mehr oder minder prominente Sammler in Köln erschienen. Falckenberg jedenfalls zeigt sich unbeeindruckt und läuft zu Hochform auf. Sammler ist, wer sich dafür hält. Aber wer sammelt eigentlich nicht? “Auch Künstler sind oft die besten Sammler”. Zum Verein halten sie weithin Abstand. So wurden zwei Juristen, Alexander Herbert aus Zürich und Hannes Hartung aus Ulm in den Vorstand gewählt. Beistand für Falckenbergs kulturpolitische Attacken.

Von Köln aus hatte einst der Satz „Der Sammler geht voran…“ (gemünzt auf den auch kulturpolitisch umtriebigen Peter Ludwig) Schule gemacht. Die Sammler machten der öffentlichen Kulturpolitik auf allen Ebenen und in allen Bereichen tatsächlich mächtig Beine (und ein paar Kopfzerbrechen dazu). Nun geht ein Auktionator aus Köln, Hendrik Hanstein (Lempertz), voran bzw. auf die kulturpolitische Barrikade.

“Auch ich bin Sammler”, wie Hanstein sich outete, auch er sieht den Kunststandort Deutschland in Gefahr. „Die Folterinstrumente des KGSG“ seien schuld. Z.B. die neue Regelung der zufolge Kunst, die nicht aus der EU nach Deutschland eingeführt werde, neuerdings eine Einfuhrlizenz benötige. Damit verbunden ein lückenloser Nachweis über die Herkunft des Kunstwerks, selbstverständlich mit Nennung aller Namen der Besitzer. Das führe dazu, dass Einlieferer, etwa aus der Schweiz oder Großbritannien um Auktionen in Deutschland einen Bogen machten. Die im KGSG festgesetzten „Sorgfaltspflichten“ führten u.a. dazu, dass Personen „haftbar gemacht werden für Dinge, die sie nicht zu verantworten haben.“ Schlicht weil sie möglicherweise ein Werk geerbt oder erstanden hätten, aber nichts von den Umständen des Erwerbs zwischen 1933 und 1945 wissen. Aber Gefahr liefen, ihr Werk trotzdem zu verlieren, wenn es als “Raubkunst” eingestuft werde. Auch Leihgaben für Museen und Ausstellungen in Deutschland würden durch das KGSG stark beeinträchtigt. Eigentümer könnten nicht mehr anonym bleiben, da die Leihverträge nun mit den ausstellenden Institutionen persönlich geschlossen werden müssten. Ihre Namen und persönlichen Daten, auch der Wert der Kunstwerke könnten weitergeleitet werden, z.B. an die Finanzbehörden. Was wiederum bei einer künftigen Wiedereinführung der Vermögenssteuer kräftig zu Buche schlagen könnte.

Von Hartmut Fromm (Rechtsanwalt, Unternehmer und scheidendes Vorstandsmitglied) kam der vielleicht entscheidende Einwurf: Sammler sollten zeigen, dass es ihnen „um Freude an der Kunst, trotz des vielen Geldes“ gehe. Trotz oder wegen mit ihrer Millionen, vielleicht Milliarden wollen sie kulturpolitischen Einfluss auf die staatliche Gesetzgebung nehmen. Frage: Wer nimmt sie ernst – trotz des vielen Geldes?

Wenn, wie Hanstein es vehement fordert, der Mehrwertsteuersatz wieder auf 7 Prozent reduziert wird, wird sich das Geschäft beleben, weil die Sammler in Deutschland wieder günstiger einkaufen können. Schließlich lebt der Auktionator doppelt von den Sammlern, als Einlieferer wie als Käufer. Der Sammlerverein als Lobby in eigener Sache? Dann aber wieder Falckenberg: „Es geht immer um eine Haltung, die man vertritt“. Kunst oder Markt? Seine Sorge: „die riesige Konzentration auf dem Kunstmarkt“.

„Luxusware zu Senstationspreisen“, zu Werbezwecken mißbrauchte Kunst von Luxuskonzernen wie die der Franzosen Pinauld und Arnauld, das prangert Falckenberg an: “Mir geht es um Kunst”. Pinauld hat schon vor Jahren das Auktionshaus Christies gekauft, Arnauld ist jetzt mit einer Milliarde Dollar bei der Großgalerie Gagosian eingestiegen. Falckenberg sorgt sich um die junge Kunst und die jungen Galerien, auch um die mittleren Galerien, wie sie etwa das Feld der Art Cologne bestellen. Er sorgt sich auch um die Sammlerkonkurrenz seitens der deutschen Museen. Denn die hätten immer weniger Geld für Ankäufe zur Verfügung. Die großen Galerien stünden als Geldgeber für Ausstellungen gerne bereit, sofern dort ihre Künstler gezeigt würden. Und schon wieder steigen die Preise.

Beißt sich hier die Schlange in den Schwanz? Die Preise auf den Kunstmärkten sind gestiegen, weil reiche Sammler die Preise in die Höhe getrieben haben. Da können öffentliche Häuser eben nicht mithalten. Und was François Pinault und Bernard Arnault betrifft, wer wollte ihnen die Freude an der Kunst absprechen, trotz des vielen Geldes? Die Unterscheidung zwischen Luxusware und wahrer Kunst war noch nie haltbar. Jetzt aber schnell auf die Messe, zur Jagd auf die beste Kunst, die heißesten Trophäen aller Zeiten.

C.F.Schröer  

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