Könnte alles so einfach sein mit der Kunst und der Kohle. Auf dem Betonboden liegt ein Kreis aus anthrazit schimmernder Kohle, abgebaut im Bergwerk Ibbenbüren im Tecklenburger Land. Neben der Zeche Prosper-Haniel in Bottrop ist Anthrazit Ibbenbüren einer von zwei verbliebenen deutschen Steinkohlebergwerken. Jetzt werden auch sie stillgelegt. Da läuft nicht die Kohle raus, sondern die andere Kohle, die Subvention.
The Coal Circle, eine Arbeit des Land-Art-Pioniers Richard Long, ist in der Ausstellung Kunst&Kohle – Die schwarze Seite in der Duisburger DKM zu sehen. Das Museum wurde 2009 von Dirk Krämer und Klaus Maas gegründet. Maas führt in dritter Generation ein Familienunternehmen, ein Bauunternehmen, das sich auf Tiefbau spezialisiert hat und daher „hart mit Bergbau zu tun“ hat. Lange schickte er genaue Pläne für den Bau des Kohlenrings, die Unternehmer-Sammler erledigten hier in wenigen Nachtschichten die Bauarbeiten, um die Anthrazitkohle auf Vordermann zu bringen. Was von der angelieferten Tonne Kohle übrig blieb, stellten die beiden Bauhelfer zum Mitnehmen in einen Korb vor die Museumstür.
Die DKM zeigt exemplarisch, wie es gelingen könnte, die eigene, weit verzweigte Sammlung mit der neuen Sonderausstellung zu verbinden und aus dem facettenreichen Thema Kohle Funken zu schlagen. Langjährig mit den Sammlern verbundene Künstler wie Götz Diergarten, Sven Drühl, Bogomir Ecker, Gereon Krebber, Olaf Metzel, Claudia Terstappen, Thomas Virnich und Hannes Vogel widmen sich hier mit teils neuen Werken unterschiedlichen Aspekten des Lebens und Arbeitens Umfeld der Bergleute wie das stillgelegte Bergbaugebiet Ruhr. Mit dem Cornish Slate Circle beispielsweise ist Long seit dessen Eröffnung im Privatmuseum DKM vertreten. Als hätte der britische Künstler den langen Weg von Sumpfurwäldern zur Kohle auf seine ganz eigene Weise veranschaulichen wollen, kommen nun mit theDark Charcoal Circle (1989), theCoal Circle (1991 ) und der Bark Circle von 1993.
Ganz so einfach, so einladend und verständlich wie hier ist die Schose mit Kunst & Kohle nicht überall. „Metropole Ruhr“ lautet der Slogan auf einem braunen, plakatgroßen Schild an der Autobahn zwischen Düsseldorf und Essen. Auf Schloss Strünkede fand die zentrale Pressekonferenz zum Thema „Kunst & Kohle“ statt. Ein hübsches, barockes Wasserschloss in Herne, das gerne von Hochzeitspaaren als Kulisse genutzt wird und ansonsten Ritterrüstung und Armbrüste zeigt. Ein Blick zurück oder zumindest nach vorne. Soll es in der Zeit nach der Kohle wieder so idyllisch sein?
Die angekündigte „Verpackung“ des Schlosses mit gebrauchten Jutesäcken durch Ibrahim Mahama aus Ghana, der schon auf der Documenta 14 nicht überzeugen konnte, war noch nicht einmal zur Hälfte fertig. Der Gesamtkatalog im Schmuckschuber lag nur als Attrappe auf dem Tisch.
„Metropole Ruhr“ – aber wo ist sie?
Wie feiert man „Phasing“? 2018 steht nach mehreren Verschiebungen und Erweiterungen fest, es wird eine Verschiebung im Schacht geben. Die Steinkohleförderung in Deutschland wird nun endgültig eingestellt. Nach 260 Jahren. Von den einst 157 Zechen des Ruhrgebiets wird es keine einzige mehr geben. Allein in Herne gab es in seiner Blütezeit 15 Zechen. Die Förderung wird nun komplett eingestellt. Aber nicht, weil dort keine Kohle mehr abgebaut werden könnte. Es ist zu teuer geworden. Nach wie vor kommen täglich tonnenweise Steinkohle aus China, Vietnam oder Russland ins Ruhrgebiet und befeuern weiterhin Kohlekraftwerke. Ausländische Kohle ist „vor Ort“ gut zwei Drittel billiger als heimische Kohle. So kann man mit dem Ende der Steinkohle auch das Auslaufen der Subventionen feiern. Nicht unbedingt ein Prunkstück. Wie auch immer – gibt es einen Künstler, der den „Kohleausstieg“ thematisiert, den Klimaforscher für dringend nötig halten? Gibt es überhaupt eine Stimme, die die Stilllegung von Kohlekraftwerken in NRW fordert? So tief wollten die Macher der Ausstellung nicht bohren – die Kohle – Fluch oder Segen.
Stattdessen feiern sie die Kohle, als gäbe es alle Warnungen der Klimaforschung nicht. Seit dem „Kohle-Kompromiss“ von 1997 unter Bundeskanzler Kohl sollen es 150 Milliarden Euro Subventionen gewesen sein. Daher erfolgte der Abschied von der Schwerindustrie zu spät, zu viel Ruhralgie im Spiel, wovon die aktuelle Ausstellungsreihe keineswegs frei ist.
Aus Ruhrkohle wird Ruhrkunst, aus dem Anspruch, es allen zu zeigen, wurde Kunst&Kohle – ein Ausstellungsprojekt von 17 Museen in 13 Ruhrgebietsstädten. Nach China 8 vor drei Jahren organisierte der Koordinator Ferdinand Ullrich, Direktor der Museen der Stadt Recklinghausen i. R. und langjähriger Sprecher der RuhrKunstMuseen, das umstrittene Thema Kohle, um den bislang größten Zusammenschluss dieses losen Museumsverbundes zu organisieren jemals herbeigeführt. Ein Schwanengesang. Ist das Thema künstlerisch ansprechend? Ist es für zeitgenössische Künstler noch produktiv? Ist es nicht sowieso gestern, irgendwie verbrannt nach der berühmten Manifesta von 2012 in der stillgelegten Zeche Waterschei im belgischen Genk? Es riecht brenzelig nach Stadtteilromantik, nach Wiederbelebung, nach Nabelschau und Bergmannserlösung, wenig nach Morgenluft und „Strukturwandel“, von dem die erst letztes Jahr beschlossene Aktion „Metropole Ruhr“ ankündigt: „Mehr Grün, intelligente Verkehrskonzepte, klimafreundlicher Stadtumbau“. Es geht um Investitionen, um die Ansiedlung von Start-ups und mittelständischen Unternehmen im alten erschöpften Ruhrpott. Eine Imagestudie hatte ergeben, dass der Ruhrevier von Führungskräften als weniger jugendlich, dynamisch und innovativ wahrgenommen wird. So hat der Regionalverband Ruhr (RVR) zehn Millionen Euro für die „Zukunftsoffensive“ bewilligt. Ullrich konnte für Kunst&Kohle 2,5 Millionen Euro einsammeln. 750.000 Euro kommen von der RAG (ehemals Ruhrkohle AG), einer Stiftung, die sich um die „ewigen Lasten“ kümmern muss. Ab 2019 stellt die RAG jährlich 240 Millionen Euro bereit. So viel zu den Umständen.
Hammerkonzert abbauen
Die Busfahrt führte mich über Herne nach Dortmund nach Unna. In den ehemaligen Flottmann-Hallen stellt Ullrich, der hier auch als Kurator gefragt ist, David Nash in einer Serie von Kohleskulpturen und Kohlezeichnungen aus. Und schon hier wird das Dilemma der Ausstellung deutlich. Holz vom Künstler verkohlt, die Farbe Schwarz allgemein wird vielerorts als Stellvertreter für Kohle genommen und das Thema ist bereits bewältigt. In Herne konnte man viel über die Beziehung zwischen Nashs Zeichnungen und seinen monumentalen Skulpturen lernen. Doch das übergeordnete Thema lässt solche immanent künstlerischen Fragen gar nicht erst aufkommen. Schon der Name Flottmann hätte zu einer ganz anderen Reise führen können. An die Unternehmerfamilie Flottmann aus dem alten Kreis. Firmengründer Friedrich Heinrich Flottmann hatte sich 1869 in Bochum niedergelassen, wo er 1872 eine Metallgießerei gründete, die nach dem Tod des Firmengründers von seiner Frau Emilie weitergeführt wurde, bevor der älteste Sohn Otto Heinrich, ein Erfinder und Produktentwickler, sich patentieren ließ 1904 der „Druckluft-Bohrhammer mit Kugelsteuerung und automatischer Durchführung“, der den Ruhrbergbau revolutionierte. Flottmann verlegte den Firmensitz schließlich wegen besserer Expansionsmöglichkeiten nach Herne. Bereits 1957 kam es mit Beginn der Bergbaukrise zum Niedergang. Der Verkauf 1994 an den US-Mischkonzern Ingersoll Rand Company führte zum Ende des Unternehmens.
Von Pionieren und Firmengründern wie Flottmann ist auffallend wenig die Rede, wenn man sich die Kunst- & Kohleausstellungen anschaut, aber viel von den Bergleuten, den Kumpels. Klangkünstler Christoph Schläger widmet sich mit seinem „Abbauhammerkonzert“ den Flottmännern und lässt sie in sechs Museen wieder tanzen und singen.
Das Museum am Ostwall im Dortmunder U (wie zu hören ist, will sich das Museum nun einen anderen Namen geben) erwartet mit „Schichtwechsel“ einen Parforceritt von der bergmännischen Laienkunst im Ruhrgebiet zu „internationalen Gegenwartspositionen“. Oh Schreck! – Von den „Steckenpferd-Malern“ über Konzeptkunst und Diasec-Fotografie, von Erich Bödeker und Franz Brandes bis zu Rainer Ruthenbeck, Andreas Gursky und der unvermeidlichen Alicja Kwade mit ihren Goldbriketts aus DDR-Beständen.
Das entlastet das Zentrum für Lichtkunst Unna – und bleibt seiner Mission und seinem Thema treu. Unterirdisch, in den Kellergewölben einer alten Brauerei, reiht sie sich in eine eigene Lichtkunst-Sammlung mit wunderbar plausiblen Werken von Diana Ramaekers, Dorette Sturm und Nicola Schrudde ein. In allen drei Raumarbeiten spielt Kohle keine vordergründige, höchstens eine breite, übersetzte Rolle. So können die drei Arbeiten überzeugen, als Bereicherung der Lichtkunst und nicht als Beleg für ein absackendes Ausstellungsthema.
Unproduktiv – aber immerhin
Walter Smerling vom Museum Küppersmühle am Duisburger Innenhafen wollte “nicht mitmachen”. “Weil mir das Thema inhaltlich zu unproduktiv erschien.” So eröffnete er erst am 11. Juni die „Hommage an Jannis Kounellis“, den griechisch-italienischen Künstler, der lange eine Professur an der Kunstakademie Düsseldorf innehatte. Während der Vorbereitungen zu seinen Ausstellungen verstarb der Künstler im Februar letzten Jahres. Wie kein anderer verstand es Kounellis, das Material des Industriezeitalters mit Bedeutung aufzuladen und zur Grundlage seiner Kunst zu machen. Ayse Erkman, Anselm Kiefer, Michael Saisdorfer, Sun Xun, Tim Ulrichs und Bernar Venet beziehen sich in der Ausstellung mit neuen Installationen auf Kounellis. Ferdinand Ullrich wird auch hier Kurator sein, Armin Laschet, Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, wird diese Ausstellung eröffnen.
Mit dem Ausstieg aus der Steinkohle naht hoffentlich das Ende des Mythos Ruhr. Die Geschäftsgrundlage des Ruhrgebiets entfällt. Vielleicht sollten wir uns öffnen. Die Olympiabewerbung 2023 weist bereits in diese Richtung. 14 Städte an Rhein und Ruhr haben sich gemeinsam um die Ausrichtung beworben. Armin Laschet unterstützt die Bewerbung. Laschet verspricht, dass die Spiele “nachhaltig und bodenständig” sein sollen, “wie unser Land”. Die Chancen stehen nicht gut. Aber die Anwendung macht schon Sinn. Rhein-Ruhr soll eine „Stadt der Städte“ werden. Hier leben zehn Millionen Menschen.
Zur Ausstellung Kunst & Kohle erscheint ein kostenloses Booklet mit Informationen zu den Ausstellungen. Das Booklet ist erhältlich in den teilnehmenden Museen und unter www.ruhrkunstmuseen.com/kunst-kohle.html.
Veranstaltungsprogramm
Im Rahmen der Ausstellung wird eine Vielzahl an Veranstaltungen angeboten, die vom Bild-Klang-Experiment über musikalische Beiträge bis hin zum Figurentheater reichen. Alle Termine sind dem Ausstellungsbooklet zu entnehmen. Die Veranstaltungen sind für Inhaber des Kombi-Tickets kostenlos. Darüber hinaus gelten die üblichen Eintrittspreise der Museen.
Bustouren
Die RuhrKunstMuseen laden zu kostenlosen Bustouren ein und führen Besucher zu jeweils drei RuhrKunstMuseen. Termine sind dem Ausstellungsbooklet zu entnehmen. Für Inhaber des Kombi-Tickets sind die Eintritte in die Museen frei. Darüber hinaus gelten die üblichen Eintrittspreise der Museen.
Kunst & Kohle für Kids
An Familien richtet sich das MITMACHBUCH. Es ist kostenlos in den Museen erhältlich. Mit verschiedenen Bastelmaterialien ausgestattet, können die Kinder in den Ausstellungen auf Entdeckungsreise gehen und knifflige Aufgaben lösen.
Publikation zur Ausstellung
Zum Ausstellungsprojekt erscheint gegen Ende im Wienand Verlag, Köln eine reich bebilderte Publikation in 17 Bänden. Eine begrenzte Anzahl der Gesamtpublikation wird im Schuber erhältlich sein.
C.F.Schröer