
„Liebe Alle“, schreibt Robert Fleck in seiner letzten Dienstmail, bevor er offiziell in den free lance verabschiedet wird:
„Seminar Atelierbesuche morgen: Atelier Danica Dakic, Fürstenwall 161.Das ist eines der schönsten und besten Ateliers in Düsseldorf, schräg gegenüber von demjenigen von Mischa Kuball, dass wir vor einigen Wochen besuchten.
Ich emeritiere ja am 31.7., das sind meine letzten Lehrveranstaltungen. Da ich mein Büro ausräume, in dem alle KünstlerInnen-Kataloge standen und stehen, die sich zusammengesammelt haben, seit ich ab 2004 vornehmlich in Deutschland arbeite, habe ich dies getan und alle Kunstbücher und KünstlerInnen-Kataloge da recht geordnet aufgestellt. (Eine vergleichbare Mitnahm-Aktion vor einem Jahr verursachte da ein Chaos, so sympathisch sie war.)
Von morgen 30.6., bis Dienstag 8.7., ist der Raum frei zugänglich und Sie, wie alle anderen Studierenden, Lehrenden und Angehörigen der Kunstakademie und Kunstfreunde können sich da so lange aufhalten, wie Sie möchten, und mitnehmen, was immer Ihnen ins Auge springt. In der obersten Reihe sind nur Publikationen von ehemaligen Studierenden oder ehemaligen Lehrenden der Kunstakademie. Da sind noch echte Trouvaillen.
Meine Erreichbarkeiten nach der Zeit an der Kunstakademie (12 1/2 Jahre, 25 Semester, 300 Seminare Atelierbesuche, 1200 Lehrveranstaltungen insgesamt): Ich plane, etwa ein Drittel meiner Zeit in Düsseldorf zu sein. Seien wir gerne in Kontakt.“
Was noch zu sagen ist, finden Sie in diesem Gespräch, das wir aus Gründen der Intensität und Gründlichkeit in zwei Teilen veröffentlichen.
Besonders seine, bisweilen stürmischen Jahre an der Kunstakademie, wo er über zehn Jahre lang auch als Prorektor unter Tony Cragg, Rita Mcbride, Karl-Heinz Petzinka amtierte. Bei seinem ausgleichenden, grundwiener Temperament wurde er unfreiwillig zum Gegenspieler von Rita McBride, mit der er nun, zufällig, am gleichen Tag (8. Juli) von der Kunstakademie in einer Feierstunde verabschiedet wird.
„Bin meinerseits wieder free lance wie in den 1990er Jahren, was im Grunde meine bislang schönsten Jahre waren, jetzt mit sechs Vor- und Nachlässen und Stiftungen betraut sowie drei bis vier Ausstellungen pro Jahr und ein bis zwei Büchern pro Jahr. Und anderen Projekten parallel“. Beste Grüße, Robert Fleck
So hat man sich das in etwa vorgestellt: emeritiert, free lenz.

Robert Fleck: Das erste Mal nach Düsseldorf bin ich im November 1978. Da habe ich den Stand gemacht für die Galerie Grinzinger, die damals noch in Innsbruck war, wo ich studiert habe. Ich bin aus Wien. Und da hat praktisch den Messestand gegenüber Peter Kogler gemacht. Witzig, der hatte gerade Abitur gehabt. Für die Modern Art Galerie war er auch am Kölner Kunstmarkt. Dann hatten wir einen Tag frei und es war gar keine Überlegung was wir machen. Es war sofort klar, dass wir hier herfahren, zur Kunstakademie. Und das finde ich so ein typisches Ding, was die Kunstakademie für ein Anziehungspunkt hier in der Stadt ist. Auch die Kunsthalle. Ich kaufte ein sieben Meter langes Multiple von Robert Filliou, Nr. 1/400, habe noch die Quittung: 15 Mark.
eiskellerberg.tv: Kogler und Du, Ihr habt Kojen für die Kunstmesse aufgebaut?
Für den Kölner Kunstmarkt, ein Vorläufer der Art Cologne. Da haben wir überhaupt das Internationale zum ersten Mal gesehen, nur auf die Biennale Venedig waren wir zuvor gekommen. Das war im Sommer 1978. Wir waren das erste Jahr in der Kunstwelt sozusagen. Aber die Entscheidung war sofort hierher. Und dann haben wir uns eingeschlichen in der Akademie und ich kann mich erinnern, ich stand vor der Tür, wo draufstand Norbert Kricke. Das war das Höchste der Gefühle. Wir waren da drin wirklich wie in Heiligen Hallen oder wie die Leute in die Pyramiden gegangen sind. Das hatte ich mit keiner anderen Akademie. Zwei Jahre später bin ich nach Paris umgezogen. Ich bin vielleicht nach fünf Jahren zum Ersten Mal in die École des Beaux Arts gegangen, wir wären nie als Erstes da hin! Anders als das Centre Pompidou, da bin ich sofort hin.
Aber hier in Düsseldorf hat die Kunstakademie so eine Funktion gehabt. Das Gleiche ist mir noch einmal passiert. Wir sind 2008 nach Düsseldorf gezogen, aus Hamburg, weil meine Frau in der Französischen Schule die Verwaltung übernommen hat. Ich war noch in den Deichtorhallen und es war noch überhaupt nicht klar, dass ich an die Bundeskunsthalle gehe. Aber dann hat sich das mit der Bundeskunsthalle schnell ergeben. Bei der Übersiedlung ging das so überhastet, dass ich niemanden hier hatte, um auszuladen. Die einzige Möglichkeit um irgendjemanden als Helfer zu haben war, dass ich Sabrina Haunsperg, die Tutorin von Herbert Brandl, angerufen habe. Und dann stand die Brandklasse bei uns in Flingern. Das war sehr nett. Und dann war klar, ich musste mal die Klasse besuchen. Also bin ich am Samstag hin und meine Frau ist mit. Da war ich schon ernannt für die Bundeskunsthalle. Wir sind dann durch die leere Akademie gegangen und ich habe nur die Namen gelesen: Rosemarie Trockel, Tomma Abts, Herbert Brandl, Tony Cragg, Peter Doig, Christopher Williams und so weiter. Da habe ich zu meiner Frau gesagt: hier hätte ich hersollen!
Ich war ab 2000 vier Jahre Direktor der Kunsthochschule von Nantes in Frankreich und da haben wir einen Neubau begonnen usw. Da sieht man, das Konstrukt Schule ist eigentlich immer, Bau immer eine Bauphase. Ich war dann jetzt über zehn Jahre Pro-Rektor der Kunstakademie, war eigentlich immer für die Rektoren, also für Rita McBride und für Karl-Heinz Petzinka, in der Bundesrektorenkonferenz. Das heißt, man hat deutschlandweit alles gesehen, was es so gibt. Und ich muss sagen, das mit Abstand das beste Gebäude ist die Akademie Düsseldorf. Viel besser als zum Beispiel in Wien, in Paris oder München. Ich finde, das ist wirklich toll gedacht für Kunst mit der Ausrichtung, mit der Raumhöhe, mit allem. Das ist wirklich gedacht von jemandem für Kunst und nicht für Prestige. In Wien ist die Akademie ja auch fast gleichzeitig gebaut. Ist aber einfach ein Prachtbau von der Habsburger Monarchie und ist von den Raumhöhen und so überhaupt nicht geeignet. Da ist auch kein schönes Licht, eigentlich ist das gar keine Akademie.
Da war also diese Geschichte und eigentlich war das der Anlass zum Überwechseln in die Akademie. Das war schon angedacht. Ich hatte zwei Kollegen mitgebracht in die Bundeskunsthalle, und wir haben uns nach nicht mal einem Jahr gesagt: wir wollen hier raus. Denn mit Kunst hatte der Job eigentlich fast nichts zu tun. Wir hatten damals die Retrospektive der Arbeiten von Thomas Schütte, zur Vorbereitung hatte ich gerade mal 15 Minuten mit dem Künstler. Das war nur Management. Um den Stress abzubauen, habe ich eine ganz lange Fahrt bin mit dem Fahrrad unternommen und da bin ich in Belgien von einem Auto nieder gefahren worden, wo ich mit 70 kmh in der Abfahrt war und habe irgendwie auch meinen Tod erlebt.
Wie hast du da überhaupt erlebt?
Ja. Das heißt, ich habe wirklich das gespürt, dass ich gesagt habe: Ist eigentlich schade. Das war ganz schön hier. Und es waren viele sympathische Leute da. Und es war eine angenehme Stimmung, wie wenn du ins Wasser tauchst ungefähr. Total angenehm.
Ja, wenn du 70 km/h fährst und das Auto fährt auch noch mit 70 unterwegs ist, da wird kann es ordentlich krachen. Da fliegen die Fetzen.
Es hat so geknallt und ich habe einfach abgehoben wie ein Düsenjäger. Es war aber wirklich ein angenehmes Gefühl. Und dann sah ich die Straße auf mich zukommen und hatte das Gefühl, das kann noch mal gut gehen: Jetzt musst du richtig gut sein. Und dann bin ich schon gestanden und hatte scheinbar nichts, außer Abschürfungen überall. Das Rad war zerlegt wie in einem Massaker. Da waren Teile, die so dick sind, einfach abgeschliffen. Das hat solche Kräfte generiert, die da wirkten. In Wirklichkeit hatte ich aber alles gebrochen und habe dann am nächsten Tag eine Lungenimplosion gehabt. Wenn man intensiv Rad fährt, hat man immer Schleim da in den Lungen drin. Das hat man als Radfahrer. Und dann hat eine deutsche Ärztin, die in Belgien im Krankenhaus war, gesagt: Mit dem Schleim, das ist ein richtiges Problem. Denn ich bekomme als nächstes eine Lungenentzündung und dann ist es vorbei. Die hat mir dann ganz extreme Schmerzmittel gegeben, wo die Krankenschwestern gesagt haben, das hält niemand aus. Und die hat gesagt, der ist ja trainiert, der hält das aus. Sie hat mir 2010 das Leben gerettet. Dann bin ich nach 14 Tagen rausgekommen, war dann 14 Tage noch zu Hause und habe es dann geschafft, von zu Hause in Flingern ins Café auf der Beethovenstraße zu gehen. Das waren so 150 Meter. Mehr schaffte ich gar nicht. Dort saß dann Katharina Fritsch. Wir kannten uns, da wir ihre Ausstellung ein Jahr zuvor in den Deichtorhallen gemacht hatten. Die hat mich völlig entsetzt angeschaut und hat gesagt: Du siehst aus wie der Tod! Sie hat auch gleich gesagt: Du, das ist, das ist nichts für dich da in Bonn, wir holen dich da raus, wir holen dich an die Akademie. Sie war gerade neu berufen durch Tony Cragg. Also hat sie mit Tony Cragg gesprochen und er hat mich dann sehr elegant eingeladen zum Weihnachtsessen. Da war ich dann schon wieder auf den Beinen. Es hat niemand gemerkt, worum es da ging. Wir sind zweimal den Flur auf und ab gegangen und haben alles besprochen. Ich war später einen ganzen Samstag bei ihm. Er hat mir sein ganzes Werk und den Skulpturenpark Waldfrieden gezeigt. Er meinte, es wäre ein ganz normales Verfahren, er würde die Kandidatur unterstützen, aber nur, wenn ich dann auch zehn Jahre Prorektor mache. Also typisch strategisches Denken von Tony, unglaublich. So wurde mir zugetragen, wann die Berufungskommission tagte, um festzulegen, wer von den Kandidaturen eingeladen wird zum Probe-Vortrag, und wann die sein sollen. Ich hatte nur das Gefühl: Hoffentlich bin ich da überhaupt in Deutschland, weil man für die Bundeskunsthalle dauernd auf Achse ist. Dann ruft Siegfried Gohr an und ich war in einer Sitzung in der Bundeskunsthalle. Er ruft an und sagt: Das ging jetzt schneller. Und ich dachte, was ging schneller? Der Termin? Also bin ich auf die Toilette, damit das nicht auffällt, und habe zurückgerufen. Er sagte, der Dekan Kunibert Behring, Professor für Didaktik, aus der Bochumer Schule von Max Imdahl, den ich überhaupt nie vorher gesprochen hatte, der hat einfach bei der Sichtung der Mappen gesagt, dass er eine Pause machen möchte. Da sei eine Kandidatur, die sei über dem Niveau. Er möchte nur wissen, ob das eine Scheinkandidatur ist, um den eigenen Vertrag an der Bundeskunsthalle neu zu verhandeln. Dann haben Tony Cragg, Siegfried Gohr und Katharina Fritsch gesagt: Nein, der geht weg aus der Bundeskunsthalle, wenn wir ihn berufen. Daraufhin hat Kunibert Behring gesagt, er würde eine Direktberufung vorschlagen. Und das hieß, ich war plötzlich berufen. Tony Cragg war am nächsten Tag im Ministerium, hat meinen Vertrag festgemacht und hat mich sofort angelobt. Da wird man angelobt, eine Angelobung. Die Personalchefin schrieb mit, was der Rektor sagte, als Beilage zum Arbeitsvertrag. Tony Cragg hat einen genialen Satz gesagt, der Zusatz zum Arbeitsvertrag wurde, und zwar möchte er, dass ich möglichst viele Projekte außerhalb mache, das sei Werbung für die Kunstakademie. Das muss man erstmal so sehen! Zugleich hat er sozusagen das Kanzleramt in Berlin, das zuständig ist für die Bundeskunsthalle, das absolut wollte, dass ich nicht an die Kunstakademie gehe, einfach überholt. Total überrumpelt.

Es ging damals um eine Vertragsverlängerung in Bonn
Mein Vertrag ging noch bis Ende 2013 und war nicht kündbar. Die Vorsitzende des Aufsichtsrats hatte mich vor der nächsten Aufsichtsratssitzung in der Bundeskunsthalle über ihre Referentin informiert, dass sie eine Stunde früher kommt. Da hat die mich unglaublich unter die Mangel genommen. Ich müsse diese Professur wieder ablehnen, ich muss sie zurückgeben. Allerdings war ich beraten von einem Arbeitsrechtler in Köln über die ganze Strecke, der mich gebrieft hat. Ich habe einfach gesagt: Nein, ich trete diese Professur mit Anfang Sommersemester an und gehe nicht aus dem Vertrag mit Düsseldorf raus. Nachher hat sie gegenüber dem Aufsichtsrat und der Öffentlichkeit sich nichts anmerken lassen, dass sie genau vorher mich da rausholen wollte.
Aber es gab doch auch große Unruhe wegen einer Anselm Kiefer-Ausstellung?
Ein halbes Jahr zuvor war eine Autorin von der FAZ in der Bundeskunsthalle für eine Jury. Sie hat mich beim Mittagessen so richtig, in Wien sagt man hinterfotzig, also unehrlich gefragt: Na, was ist Ihr nächstes großes Projekt? Ich antwortete „Anselm Kiefer“ und daraufhin sagte sie: „Dann knallen wir sie ab.“ Wortwörtlich. Da dachte ich mir, knall mich ab, ich gehe ohnedies an die Kunstakademie, und ich mache das mit Kiefer!
Die Sache war dies, es gibt ja zwei Aufsichtsräte in der Bundeskunsthalle, da alle Bundesländer Miteigentümer der Bundeskunsthalle sind, allerdings zahlt nur der Bund. Aber alle Länder sind dabei. Daher gibt es einmal im Jahr, im Juni, eine Sitzung mit allen Ländern. Ich weiß nicht mehr, wie das zweite Gremium heißt. Und da hat der Vertreter von Nordrhein-Westfalen witzigerweise gefragt, ob die anderen eigentlich meinen Vertrag mit der Kunstakademie Düsseldorf kennen. Er wäre sich nämlich nicht sicher, ob beide Verträge vereinbar sind. Berlin hatte den Fehler gemacht und nie meinen Vertrag angefordert. Die haben gar nicht gefragt, wie der Vertrag aussieht. Dann habe ich ihnen den Vertrag geschickt und auf einmal musste ich blitzartig nach Berlin und ins Kanzleramt. Da hat mich wieder zum Glück der Arbeitsrechtler gebrieft. Gleichzeitig hat dann hier Tony Cragg und der damalige Kanzler, die haben klar gemacht, dass sie jederzeit die Möglichkeit haben, sozusagen mich zu einer Vollzeitprofessur zu machen. Dann wurde ich wirklich vor die Alternative gestellt, unbedingt kündigen hier an der Kunstakademie, es sei gar nichts anderes möglich. Aber ich blieb dabei, und sagte ich kündige einfach nicht, sondern ich ersuche den Aufsichtsrat, um einen Auflösungsvertrag mit der Bundeskunsthalle.
Aber dann sprach die NRW Kulturministerin Ute Schäfer das große Wort „Kulturbruch“.
Natürlich hatten wir eine Planung mit Kiefer. Wir haben an einer großen Retrospektive gearbeitet, die sollte in den Gropius Bau nach Berlin wandern. Aber dann hat der damalige Leiter vom Gropius Bau auf einmal eine Ausstellung angeboten bekommen, voll bezahlt von Hilti, von dem Unternehmen und hat daraufhin einfach die Kieferausstellung abgesagt. Daraufhin hat der Kiefer die Ausstellung in der Bundeskunsthalle auch abgesagt, weil er es ohne Berlin nicht machen wollte. Das war aber schon 2010. Wir blieben aber mit Kiefer in Kontakt, auch für ein Projekt in Frankreich, und dann hat sich 2012 die Gelegenheit ergeben, die Ausstellung mit Leihgaben aus der Sammlung Hans Grothe zu zeigen.
Das Diktum Kulturbruch fiel damals, weil es als Unding galt, eine Ausstellung in einem öffentlichen Haus allein mit Leihgaben aus nur einer Privatsammlung zu zeigen. Aber schon Jahre vorher hatte es ausgerechnet in der NRW-Landesvertretung in Bonn eine Ausstellung Beuys vor Beuys gegeben. Alle Leihgaben stammten aus der Sammlung van der Grinten.
Was ja auch witzig war, weil die Kultur-Ministerin gleichzeitig NRW Ministerin für Familie, Kinder, Jugend und Sport war und ich gleichzeitig angestellt war an der Bundeskunsthalle und an der Kunstakademie.
Gleichzeitig lief in der Düsseldorfer Kunsthalle eine Ausstellung, die die Sammlung Rheingold, zusammengetragen von Helge Achenbach, zeigte. Also bitte!
Aber ich konnte da aus Bonn raus. Dann lernte ich Düsseldorf erst richtig kennen. Vorher kannte ich es nur vom Wochenende. Was mich wirklich verblüfft hat ist, wenn man das dann zum ersten Mal erlebt, ist der Rundgang. Wenn man dann sieht, wie viele Leute zum Rundgang in den anderen Städten kommen, bei den anderen Kunsthochschulen. Das ist verblüffend, weil man sieht eine soziale Verwurzelung, die Verbundenheit hier mit der Kunstakademie. Das ist sagenhaft. Das habe ich nirgendwo sonst gesehen.
Als ich in Bonn war, bin ich immer gependelt und in der Früh immer mit dem Zug hin und abends zurück. Dann sitzt man immer mit den gleichen Leuten. Da kommt man leicht ins Gespräch. Zum Beispiel mit einem jungen Ökologen, weil in Bonn ja die UNO Ökologie sitzt. Der hat mir erzählt hat, sie waren jetzt beim Rundgang, weil Sie haben die Wohnung neu und Sie haben ja was gebraucht für die Wände und Galerie ist Ihnen zu teuer. Da kennen sich auch nicht aus. Beim Rundgang haben Sie schöne Sachen gefunden. Da hab ich mir gedacht: Das ist aber was! Wenn mir jemand, der sozusagen nichts mit Kunst zu tun hat, zum Rundgang geht, weil er Bilder braucht. Das hatte ich sonst in Akademien nicht im Entferntesten erlebt. Die andere Sache, die wirklich so verblüffend ist, ist diese innere Freiheit.
Kamst Du als Prorektor auch wieder näher an die Kunst heran?
Das ist eigentlich die Leistung von Markus Lüpertz, glaube ich, dass er das Bologna System mit Bachelor und Master von der freien Kunst ferngehalten hat für ganz Nordrhein-Westfalen. Das ergibt, dass es zum Beispiel im Fachbereich FB2 bei den Wissenschaftlern keinerlei Koordination gibt, was man macht. Ich habe mal gefragt: Sollen wir uns da vielleicht abstimmen? Nee, nee, hieß es, wir machen das einfach so frei. Das Einzige, was vorgeschrieben ist von den Kunsthistorikern, einer macht immer für den ersten Jahrgang Einführung in die Kunstgeschichte. Jetzt gibt es dazu eine Einführung in die Philosophie, immer im Frühjahr mit Ludger Schwarte. Das sind die einzigen Pflichtveranstaltungen für die Lehrenden. Den Rest sozusagen entdeckt man im Vorlesungsverzeichnis, was die anderen anbieten. Das ist an einer Uni undenkbar, absolut undenkbar, schafft aber dabei eine Freiheit.

Ist auch eine Frage der Prüfungsordnung. Es gibt auf allen Unis Klausuren, Prüfung und Noten. An der Kunstakademie gibt es ein Aufnahmeverfahren, das wars dann auch schon. Es gib keine Abschlussprüfung. Künstler ist, wer angenommen wurde. Es gibt auch keine Durchfallquote. Wer sich zur Abschlussarbeit meldet. Erhält seinen Abschluss..
Es ist noch nie jemand durchgefallen. Es ist ein formeller Akt, der aber wichtig ist. Das ist interessant zu erleben. Zum Abschlussgespräch, undenkbar an einer Uni, sucht sich der Student die Klasse aus, später den Klassenleiter als seinen Erstprüfer und dazu eine zweite künstlerische Professur als Zweitprüfer und dann einen Wissenschaftler oder eine Wissenschaftlerin als Drittprüfer. Das heißt, der Prüfling sucht sich selbst seine Jury aus. Was ja auch undenkbar ist. Das führt aber dazu, dass die Gespräche erstens intensiv sind und ein Abschluss den halben Raum haben oder den Ganzen einnehmen.
In den meisten Fällen gibt es eine Einzelausstellung. Das ist natürlich ein Projekt, wo die Studierenden wissen, der Abschluss sollte so sein, dass das sitzt. Dann ist aber auch das Gespräch oft sehr, sehr interessant. Denn es geht mehr darum: wie geht es weiter, wie führen sie das hier Gelernte, Erarbeitete weiter? Haben Sie ein Atelier, Haben Sie eine Galerie? Wie ist die Planung? Vielleicht sagt man, dann schauen Sie doch mal ins Postprogramm. Dann bleibt man natürlich in Kontakt. Das ist so eine Schwelle und ein ganz wichtiger Moment für die meisten. Aber es hat mit einer Prüfung nichts zu tun. Das ist mehr ein kollegialer Akt. Man geleitet sie raus und sagt dann Sie können mich jederzeit kontaktieren, wenn ich irgendwie helfen kann.
Wenn ich das von außen überblicke, gab es drei große Themen in der Kunstakademie in den letzten zehn Jahren. Da war dieser plötzlich aufpoppende Streit und Konflikt im Kollegium, im Rektorat. Dann die neue Akademiegalerie. Und dann war es die Frage der Werkstätten, die hin und her ging. Alle drei Felder sind ungelöst.
ENDE TEIL 1
Zuletzt von Fleck
Mack – en face. Ein Künstlerleben, mit Sophia Sotke und in Zusammenarbeit mit Florentine Bücker und Antonia Lehmann-Tolkmitt, München: Hirmer – Chicago University Press 2025
Franz Grabmayr, Oper 1970-1980. Die Blätter aus der Wiener Staatsoper, Köln: Snoeck 2024
Kunst und Ökologie und ART. Kunst im 21. Jahrhundert, Edition Konturen, Wien/Hamburg 2021, 2023
Heinz Mack, Ein Künstler des 21. Jahrhunderts, mit Antonia Lehmann-Tolkmitt, Hirmer, München/Chicago 2019
Pierre Soulages (avec Hans Ulrich Obrist) et Yves Klein. L’aventure allemande, éditions Manuella, Paris, 2017 et 2018
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