„Gretas Großvater“

Robert Fleck über Friedensreich Hundertwasser. Ein Dokument.

“Auch Gott kennt keine geraden Wege!”. Hundertwasser demonstriert mit einem verbogenen Lineal, wo es lang geht. Wien, 1985, Foto: Gerhard Krömer, Copyright: Hundertwasser Archiv

Lange vor Joseph Beuys begriff Friedensreich Hundertwasser Regentag Dunkelbunt (bürgerlich: Friedrich Stowasser, * 15. Dezember 1928 in Wien; † 19. Februar 2000 an Bord der Queen Elizabeth 2 vor Brisbane) den Mangel der Kunst seiner Zeit und suchte nach einer Verbindung zur Natur. Er radikalisierte seinen Ansatz und bezog ihn völlig in seine Lebenspraxis ein.

Zeitlebens trat er als Gegner der „geraden Linie“ und jeglicher Standardisierung auf. Ab Mitte der sechziger Jahre wandelte er sich zum radikalen Naturschützer und Umweltaktivisten. Seit den siebziger Jahren erweiterte er seinen existentiellen Großversuch und wandelte u.a. in Neuseeland riesige Gebiete in urwüchsige Wälder zurück. Heute ist sein 93. Geburtstag.

 

Carl Friedrich Schröer
Es gibt einen Hundertwasser vor Hundertwasser. Den frühen Hundertwasser kennt kaum jemand. Nachher ist er so bunt und berühmt geworden, dass er sich selbst überblendet hat. Jedes Kind kennt zur Genüge diese vergoldeten Zwiebeltürmchen, die Plakate und Puzzle, die bunten Seidenschals und die Deko-Tassen, die es im Museumshop zu kaufen gibt. Dadurch ist Hundertwasser in die Deko Kiste gekommen. Er ist aber auch ein Weltbürger gewesen, der ja früh ausgestiegen ist und die Umweltkrise auf uns zukommen sah. Wie nur Joseph Beuys hat Hundertwasser vielleicht noch radikaler sein Leben seiner ökologischen Weltsicht unterworfen und ist durch irre Baumpflanzungen in Neuseeland und andernorts zum Öko-Radikalen geworden. Müsste man Hundertwasser mal von Hundertwasser befreien?

Robert Fleck
Das haben wir mit der Ausstellung in Wien versucht. Das ist dann ein bisschen durch Corona untergegangen. Mit Hundertwasser – Schiele haben wir im Leopold eine totale Konfrontation gesucht. Es gibt einen Katalog dazu, wo man das nachsehen kann. Hundertwasser ist der Einzige der gesamten Familie, der mit seiner Mutter die Nazizeit in Wien überlebt hat. 60 Leute aus der Familie sind in Auschwitz umgekommen.

“Verschimmelungsmanifest” auf der Museumsfassade, Wien 2020

Er wurde mit seiner Mutter zwangsumgesiedelt in den 2. Bezirk in Wien. Aber er ist sofort beim Anschluss der Hitlerjugend beigetreten, um sich zu schützen. Der Junge war unglaublich intelligent. Mehrfach kamen Trupps oder Leute, um ihn und seine Mutter abzuholen. Und er hatte die ganz hohen Dekorationen, also Orden von seinem Vater aus dem Ersten Weltkrieg, die allerhöchsten Auszeichnungen von Österreich-Ungarn. Die hat er sich an die Brust angeheftet und hat sich einfach in die Tür gestellt. Als dann 1945 die Rote Armee auf Wien zuzog, kamen die Kameraden aus der Hitlerjugend ihn abholen zum Volkssturm. Dann hat er gesagt, „ich komm nicht mit“. Da gibt es einen tollen Text zu. Die waren dann alle tot, weil sie sind gegen die Rote Armee, alles 15jährige. Als er gesagt hat, er kommt nicht mit, haben die ihn gefragt: „Wieso kommst du nicht mit?“ Dann hat er gesagt: „Ich bin Jude.“

Aber machte ihn nicht allein sein Name in der Nazizeit verdächtig?

Friedrich Stowasser hat er geheißen. Später, in Paris, hat er Russisch gelernt. Er hat sich die Sprachen selbst beigebracht, hat gesagt, ein Weltkünstler muss Sprachen können und in Paris hat er Russisch gelernt, gegen Zeichenstunden. Da hat er gesehen, dass Sto auf Russisch hundert heißt und deswegen hat er sich ab 1949 dann Hundertwasser genannt. Ich habe irgendwo gelesen, das ist in Wirklichkeit Jiddisch. Wer auch überlebt hatte war der Ernst Fuchs und der ist gleich an die Akademie gegangen. Die Mutter von Hundertwasser ist auch mit einer Mappe von ihm an die Akademie. Der Direktor war der Herbert Böckl, Parteimitglied Anwärter der NSDAP aber war dann Direktor und die Mutter ist dann noch mal gekommen und hat gesagt, er geht doch nicht an der Akademie. Der Böckl hat dann zu ihr gesagt: „Wenn das nicht ein großer Künstler wird, dann sind sie schuld.“ Vielleicht haben sie gemeinsam beschlossen, dass er die Oberstufe des Gymnasiums nachholt, die er als Jude nicht besuchen konnte. Vom Vater, glaube ich, hatte er eine Briefmarkensammlung und er hat eine weltweite Korrespondenz aufgebaut. Keine 17 Jahre alt, so hat er viele Kontakte aufgebaut, die er nachher genutzt hat, alles über diese Briefmarken. Er konnte dann schon 1948 an die Akademie, fließend Französisch, Italienisch und so weiter sprach er sowieso.

Er ist dann zum Andersen gekommen, einem Professor, der gleich alt wie der Schiele war. Er blieb 30 Jahre an der Akademie und war ein reaktionärer Maler geworden. Im ersten Herbst, wo er an der Akademie war, waren zwei ganz große Ausstellungen zu Schiele, von Emigranten organisiert, nicht von den Österreichern. Da hat Hundertwasser beschlossen, das ist mein Lehrer, nicht dieser Andersen. Und dann hat er angefangen eben in der Bibliothek der Akademie mit dem Werkverzeichnis, das einer von den Emigranten gemacht hatte, mit dem Werkverzeichnis von Schiele hat er sich Kunst beigebracht. Wir haben das an ganz frühen Arbeiten nachgezeigt: Du kannst einen richtigen Schiele und ihn nebeneinander hängen und dann siehst Du, er macht das wie der Schiele, mit der Linie mit ganz vielen Elementen, mit dem Muster, aber nur macht er das abstrakt.
Das zweite wichtige Buch für ihn war der Max Dörner, Maltechniken. Den hat er fast auswendig gelernt. Dann ist er zu Fuß nach Italien, um sich die Sachen im Original anzusehen. Dort ist er auf Franzosen gestoßen, die ihn dann mit zurückgenommen haben, mit nach Paris.

Wie weit kam er in Italien?

 

Bella Figura. Hundertwasser 1954 in Italien Copyright: Hundertwasser Archiv

Ganz durch, bis Sizilien, alles durch. Das war schon typisch so, die haben sich in Siena kennengelernt. 1948 war da ja fast kein Ausländer. Die Franzosen konnten kein Italienisch und er konnte sowohl Französisch wie Italienisch, also auch übersetzen. Das waren lauter Künstler und bis Sizilien hatten sie alle überhaupt kein Geld mehr. Sie wollten eigentlich nach Tunesien. Die Franzosen haben sich dann vom Konsulat nach Frankreich zurückführen lassen und haben ihn einfach mitgenommen wie ein U-Boot. An der Grenze hat er ein Durchreise-Visum nach Belgien bekommen und ist bis Paris mitgefahren. Dort hat er dann, was ganz schwierig war, die Aufnahme in den USA geschafft und damit hat er die Aufenthaltsgenehmigung für Frankreich gekriegt. In Paris ist er systematisch in alle Eröffnungen usw. gegangen. Immer mit dem Egon Schiele-Katalog und hat immer propagiert: Das ist ein ganz wichtiger Künstler, den habt ihr übersehen. Der Schiele war eben überhaupt nicht bekannt. Seine Mutter hat seine Sekretärin gespielt, die hat er so eingesetzt. Schreibt dann Listen mit den Adressen von den Leuten, die er jetzt kennen gelernt hat. Vor allem René Bro, auch Guy Debord, Dubuffet und Fautrier. Es ist 1950, da ist er 21 Jahre alt und fängt an mit Malen. Alle großen Sammler und die Cobra Leute, alle und das Studio Faccetti.  Es ist unglaublich, wie er sich da ein Netzwerk aufgebaut hat, sagenhaft. Er hat dann eine frühe Karriere in Paris gemacht, die eigentlich wahnsinnig ist. Das sind ja ganz tolle Bilder. Bis er wirklich einen Galerie Vertrag hatte und an Geld kam, hat er im Gartenhaus von einer Familie direkt am Stadtrand von Paris gewohnt.

Zur Eröffnung in Wien sind die Tochter und die Enkelin dieser Familie gekommen. Die haben erzählt, dass die Bilder, die wir von ihnen geliehen haben, ihre Wohnung seitdem noch nie verlassen haben. Über Künstler Freunde hat er damals mitbekommen, dass die so ein Gartenhäuschen haben und gleich gefragt, ob er da am Wochenende malen kann, in Ruhe. Da ist er sieben Jahre lang geblieben, das ist so typisch Hundertwasser. Er hat einfach immer bezahlt mit Bildern.

Wie hast Du ihn kennengelernt?

Meine Eltern, 1945, zwei Jahre bevor ich geboren wurde, waren die wie immer auf Urlaub in Kärnten. In einem ganz armen Teil von Kärnten, an einem See und da haben sie den Hundertwasser malen gesehen. Das Bild vom See hatten wir auch in der Ausstellung. Daher, einfach gehört, hatte ich von ihm. Aber das erste, was ich richtig erlebt habe, war einfach absolut sagenhaft. Da hat er 1968 im Januar den Großen Preis der Stadt Wien bekommen, den Kulturpreis. Der wurde ihm übergeben vor laufenden Fernsehkameras von der Kulturstadträtin. Da hat er sich vollständig nackt ausgezogen und hat eine Brandrede gegen die Architektur der sozialen Wohnbauten in Wien gehalten. Das sei genau nachgeahmt, den Baracken im KZ, nach gleichen Methoden gebaut. Unglaublich natürlich, das war ein Riesending. Die Kulturstadträtin war vielleicht die beliebteste Politikerin in Österreich. Das war natürlich überraschend, dass dieser Künstler, von dem man neuerdings schon gehört hat, dass der sich da so auszieht! Ich war im ersten Jahr Gymnasium in Wien, da waren wir über 400 Schüler. Gleich danach war Fasching. Da ging der Schulsprecher auf einmal während der Schulspeisung, der ging raus wie eine Nummer. Er trug ein weißes Hemd, schwarze Hose, ging raus, hatte irgendwas mitgenommen, hat sich da hingestellt und das Hemd ausgezogen. Mit nacktem Oberkörper nimmt er dann das Papier, er hält das hin und da drauf steht „Fünfzigwasser“. Die 400 Schüler haben gegrölt, jeder wusste worauf er sich bezieht. Da hat man gemerkt, dass ist unglaublich, dass ein Künstler, was der für eine Breitenwirkung haben kann.

Seine Bilder kannte man durch eine große Ausstellung, die Wieland Schmied 1964 an der Kestner-Gesellschaft in Hannover gemacht und durch ganz Europa geschickt hat. Die hat dann Werner Hofmann in Wien übernommen, ab 1964 war er schon unglaublich präsent. Schon da hat das mit den Modellen für eine ökologische Umgestaltung der Welt begonnen, Überdachung der Autobahnen, Begrünung der Autobahnen, alle Dächer grün. Das war in allen wichtigen Zeitungen. Und es gab ja nur zwei Fernsehsender in Deutschland.

Hundertwasser während der Sendung “Wünsch Dir was”, Düsseldorf, 27.02.1972, Foto: Gabriela Brandenstein

Dann das ZDF, hier in Düsseldorf wurde die die Sendung produziert, „Wünsch dir was!“. Da war ein Musikmanager, der war damit betraut, immer so kuriose Gestalten zu finden, die da einen riesen Auftritt machen. Der hat dann den Hundertwasser gefunden und Hundertwasser hat da in der Sendung das Fensterrecht proklamiert. In einem Filmausschnitt sieht man ihn in einem sozialen Wohnbau und proklamiert dort: „Jeder hat das Recht so weit sein Arm reicht aus dem Fenster das zu gestalten, was er will.” Also er hat einen Kreis gemacht aus dem Fenster heraus und dann das Ganze herum. Jeder hat das Recht, das war natürlich spektakulär.

Es blieb beileibe nicht bei Fassadenmalerei

Genau! und endlich von dieser blödsinnigen Diktatur der geraden Linie weg. Natürlich wenn der einen Auftritt gemacht hat, da hat jedes Wort gesessen. Später habe ich ihn gesehen, da hat fast nicht gesprochen, selbst im Privatleben auch kaum mit seinen Frauen. Er hat immer mit einer Frau gelebt und die hat er gewechselt. So was habe ich noch nie gesehen. Also in Neuseeland hat man gesagt „Fred kommt, sperrt die Frauen weg.“

Was war denn so attraktiv an dem schweigenden Mann?

Ich habe ihn einmal nur getroffen und er hatte unglaublich tiefe Augen und war unglaublich intelligent. Ich hatte dann den Eindruck, dass er der intelligenteste Typ ist, den ich je getroffen habe, wirklich wahr. Unglaublich tiefe Augen.

Nach dieser Quiz-Sendung im ZDF galt er schnell als ein Künstler-Typ aus Wien, ein Original, schrill und sehr durchgeknallt.

Das hatte schon in Paris begonnen. Er entwarf seine Kleider selbst, er lehnte alle Produkte der Industrie ab.

Diese Nummer, die Beuys in Deutschland zugeschrieben wurde, hier kommt der irre Kunstprofessor, die bediente Hundertwasser ja auch spielend. Aber es nahm der Wucht ihrer Anliegen, ihrer Mission doch auch die Schlagkraft.

Hundertwasser mit zwei verschiedenen Socken im Atelier in Wien, 1980, Foto: Rolf M. Aagaard

Klar! Er lief in selbst genähten Kleidern herum, er trug immer unterschiedliche Socken. Wenn ihn jemand gefragt hat, warum haben sie unterschiedliche Socken, da fragt er zurück: ja wieso haben sie gleiche Socken an? Typischer Hundertwasser Satz. Bei allem war er ein Prophet. Er hat gesagt, wir müssen das Leben ändern. Wir brauchen einen Friedensvertrag mit der Natur. Wir dürfen keine Flächen mehr der Natur wegnehmen. Eine völlig integrale Ökologie. Es gibt da keinen Abfall. Er hat ja wirklich so gelebt, dass er keinerlei Abfall produziert hat. Alles wurde recycelt, aber auch alles. Er hat nichts gekauft, was verpackt war überhaupt nichts und alles wird recycelt. Zum Beispiel das eine Haus, das er in Neuseeland gebaut hat, das Bottlehouse. Da hat er in die Wand, sozusagen in den Mörtel, die leeren Flaschen gesteckt, das wurden die Fenster.

 

Das Motiv findet sich bei seiner öffentlichen Toilette wieder. Doch dieses demonstrative Herauskehren des Anderssein hat man ihm geduldet und gleichzeitig hat es seine Ernsthaftigkeit untergraben. Entsprechend seiner weitsichtigen Ideen und die Konsequenz, mit der er sein Leben lebte, besitzt er keinen herausragenden künstlerischen Rang. Mag sein, dass er bei Google die Nr.5 ist, aber in der Kunst gehört er zu den schillernden Vögeln, eher Kitsch, was er produziert hat, als ein ernst zu nehmender Beitrag zur Kunst des 20. Jahrhunderts.

Die Ausstellung im Leopold startete 2020 und lief dann ein ganzes Jahr. Bei der Preview im Februar 2010 saß ich neben Jane. Sie ist die die größte Spezialistin für Egon Schiele. Sie sagte mir, sie sei fast wütend abgereist nach New York, weil sie sich gefragt habe: Wie kann man Hundertwasser zusammen mit Schiele zeigen? Aber dann sah sie es klarer: Der ist gleich gut. Also wenn man die richtig guten Sachen vom Hundertwasser nimmt, sind die unglaublich gut.

Beuys hatte es nicht leicht. Der wurde immer als der durchgeknallte Kunstprofessor mit dem Hut bezeichnet und in eine gewisse Ecke gestellt. Irgendwie hatte man bei Hundertwasser den Eindruck, der kann machen was er will, er genießt Narrenfreiheit. Man kann über ihn lachen, aber man nimmt ihn nicht wirklich ernst.

Ende `72 tat er sich mit diesem Musikmanager, der ihn zum ZDF gebracht hatte, zusammen. Er hat ihm erklärt, dass er inzwischen mit 20 Galerien arbeitet, und das sei viel zu aufwendig, das bringe überhaupt nichts. Und wie es im Musikgeschäft üblich ist, hat Hundertwasser ihm sämtliche Geschäfte übergeben. Er hat keine Adresse mehr gehabt, keine Telefonnummer. Also außer wenn du sie persönlich von ihm bekommen hast. Dieser Manager hatte Kontakte außerhalb der Kunst und der hat ganz andere Methoden der Vermarktung aufgezogen. Der hat zum Beispiel eine Vereinbarung mit dem österreichischen Bundeskanzler Bruno Kreisky getroffen. Er organisierte eine Welttournee von Hundertwasser, die teils durch die Museen lief, teils nicht durch die Museen, jedenfalls war diese Tournee in 60 Ländern zu sehen und immer mit einem Vorwort vom Kreisky. Dann hat er begonnen, seine Kataloge selbst zu produzieren. Hundertwasser konnte sein eigenes Layout machen. Aber auch finanziell ist es viel interessanter, vor allem, wenn man so an ein Massenpublikum herankommt. Dann hat er angefangen, Museums-Produkte, also Kalender, Bücher, Schals zu machen. Die gibt es noch immer, läuft super. Aber auch die Verwaltung des gesamten Werks hat er dem Manager übergeben. Beim Tod von Hundertwasser, der relativ überraschend kam, denn die Leute haben immer gedacht, so wie der lebt, wird der hundert. Aber er hatte einen Herzfehler, schon seit dem Krieg. In Wirklichkeit hat er sich sehr schlecht ernährt. Im Grunde hat er sich unterernährt. In der Früh hat er Salat gegessen. Da wo er war, er hat fast immer in der Natur gelebt, ist er einfach umhergegangen, hat sich Blätter eingesammelt. Sein letzter Gehilfe in Neuseeland erzählte, dass er ihn einmal um neun Uhr früh fast bewusstlos angetroffen hat. Er hat dem Gehilfen noch gezeigt, was er jetzt als neues Blatt, was er noch nie gegessen hat, gegessen hat in der Früh. Der rief dann bei der Entgiftungszentrale an und hat das dem Arzt geschildert. Der Arzt fragte: Wie alt ist das Kind?

Einmal die Woche ist er dort, wo er dann die Toilette gebaut hat, Chicken Wings essen gegangen. Als ich dort war, habe ich die da auch gegessen, um zu sehen, was das ist. Das ist das schlechteste Zeugs, was überhaupt gibt. Also total ungesund.

War das ein Restaurant?

Der primitivste Laden, den es gibt.

Warum bist du hingefahren? Ist ja nicht gleich um die Ecke.

Ich war 2015 dann dort. Die ganze Sache war so: Du bist an Hundertwasser nicht rangekommen, weil das ging alles über den Manager.

Wie heißt der Mann?

Hundertwasser und Joram Harel vor dem Werk Paradies – Landschaft der Menschen, Vögel und Schiffe, New York, 1983, Copyright: Hundertwasser Archiv

Joram Harel. Was für beide wichtig war, beide sind Juden und die haben sich darüber ganz stark verstanden. Ich hatte dann mit dem Hundertwasser zu tun, als ich das Buch über die Galerie nächst St. Stephan geschrieben habe. 1982 ist das erschienen und über Harel habe ich dolle Abbildungen von seinen Ausstellungen dort bekommen. Hundertwasser hatte seine wichtigste Ausstellung in der Galerie 1958 und hat das Verschimmelungs-Manifest auf einer Tagung der Galerie verlesen. Da brauchte ich einfach diese Abbildung und ein bisschen biografisches Material. Daher hat mir der Harel immer die Aussendung zum Hundertwasser Newsletter geschickt, dann hat sich der Kontakt ergeben. Das ging alles über den besten Freund von Hundertwasser in Frankreich, den er schon 1949 in Siena kennengelernt hat. Es gab auf einmal eine Ausstellung in der Normandie, weil er dort gelebt hat. Der Hundertwasser hat dort seinen Bauernhof gehabt. Ich sollte die Biografie von dem Freund recherchieren. Der hatte seine Familie de facto verlassen und die Familie kannte die eigentliche Biografie auch nicht. Zugleich sollte ich organisieren, dass der Hundertwasser darin schreibt. Die Witwe hat dann sowohl den Text von Hundertwasser zensiert als auch die  Bio. Dann hat mich der Hundertwasser angerufen und war einfach nur sehr, sehr nett. Zuerst auf Französisch, weil er dachte ich sei Franzose. Sehr angenehm, sehr verbindlich, ganz klar. Ich erhielt von ihm den Auftrag, diese Zensurierungen müssen weg. Als ich gesagt habe, das wird schwierig, weil die Witwe bezahlt die Ausstellung, hat er gesagt: Nichts ist unmöglich. Wenn man sich das vornimmt, dann schafft man das. Und das war‘s. Total typisch. Hundertwasser. Das Witzige war dann, nach etwa 20 Minuten, sagt er: Wissen Sie, ich sitze im Flugzeug zwischen Neuseeland und Japan. Es gibt hier jetzt Telefone, das ist unglaublich praktisch. Da denke ich, der telefoniert aus dem Flugzeug, was das für ein Vermögen kostet. Aber er hat überhaupt keinen Sinn für Geld gehabt, er hatte die Kreditkarte von seinem Manager und er hat einfach die Kreditkarte reingesteckt.
Relativ kurze Zeit später, das war im Herbst, stand ich in Wien in einer Ausstellung von Bruno Gironcoli im Museum für angewandte Kunst und dann stand der Hundertwasser da. Da habe ich ihn angesprochen und dann sind wir ins Café vom MAK gegangen. Wir sind da gesessen, haben angefangen zu sprechen und da hat man gesehen, wie die Leute sich weggesetzt haben. Da hast Du richtig gemerkt, wie verhasst der war in der Kunst.

Warum eigentlich?

Na, weil sie gesagt haben, Kitsch-Künstler und so weiter. Da habe ich die Leute gehört, wie sie gezischelt haben: Schau da an, jetzt sitzt der Fleck mit dem Hundertwasser. Der Fleck ist völlig durchgeknallt! Wir hatten aber ein tolles Gespräch. Der hat auch über den Bruno sofort so präzise Sachen gesagt, was das Gute ist, was das Limit ist, und ich habe gedacht, wahnsinnig. Aber was ganz klar war, er arbeitete nicht für die Kunstkritik und nicht für die Kunstgeschichte, sondern für die Leute. Das hat er sich ganz klar überlegt und das hat als Konzept auch perfekt funktioniert. Nach einer halbe Stunde oder so, und im Nachhinein habe ich erfahren, er spricht mit niemandem eine halbe Stunde, aber wir haben uns eben gut verstanden, meinte er, er müsse zum Kunsthaus Wien. Ich habe gesagt, ich wohne ohnedies bei Peter Kogler, das liegt gleich auf dem Weg. Also haben wir dann beim Gehen weiter gesprochen. Es war absolut faszinierend. Er hat immer so auf den Boden geschaut und mit seiner Stofftüte und mit seiner kuriosen Kleidung. Ich bemerkte, also wenn man sich umgedreht hat, dass alle Leute geschaut haben. Das war völlig unglaublich, die Leute sind stehengeblieben, als ob da ein Heiliger geht. Also ich bin auch mit dem Bundespräsidenten unterwegs gewesen, da war das nicht so. Für die normalen Leute, für die war wie ein Heiliger, die haben ihn alle erkannt. Wirklich alle Leute, das war sagenhaft. Dann standen wir noch vor der vom Atelier von Kogler und haben noch kurz weiter geredet. Als ich später rein bin, saßen er da und mehrere Künstlerfreunde. Ich sagte: Ich hätte euch fast den Hundertwasser mitgebracht. Da haben sie unisono gesagt: Wir hätten den nicht reingelassen. Das Witzige war, dass jetzt bei der Ausstellung in Wien habe ich für genau die gleichen eine Führung gemacht, die dann sagten, das ist ein Weltkünstler.

Woher kam dieses Ressentiment? Diese Spaltung? Die Anerkennung bei den einfachen Leuten und die Missachtung der Kunstszene?

Er hat ja lange nicht in Österreich gelebt und die allermeisten Werke waren in Österreich nie zu sehen. Die letzte Ausstellung seiner Arbeiten in Österreich war 1975.

Er galt als Paria. Das ist doch erstaunlich. Er war immerhin eine Generation älter als die Kogler Leute.

1980 hat den Staatspreis bekommen und hat die Provokationsrede gehalten. Da hat gesagt, die zeitgenössische Kunst unserer Zeit ist entartet. Da haben wir alle gesagt, der ist jetzt echt durchgeknallt. Und nicht nur das. Dann war er so gegen den EU-Beitritt Österreichs. Wo man sich gedacht hat, was jetzt unterscheidet den von Jörg Haider?

Wie bist du dann nach Neuseeland gekommen?

Meine Frau arbeitete als Schulverwalterin. An der Schule gab es im Umkreis von 50 km nichts Kulturelles. Also haben wir in der Bretagne eine Galerie, also einen Ausstellungsraum aufgemacht. Das war im Frühjahr und wir haben da lauter Ausstellungen gemacht. Dann habe ich den Manager gefragt, ob er nicht eine Idee hätte mit Hundertwasser. Vielleicht gibt es Plakate, die er uns leihen könnte. Dann hat er Sachen aus dem Keller geholt, auch Exemplare von Plakaten, die waren auf viel besseres Papier gedruckt und ohne den Text. Er hat alles zu einer Rolle eingerollt und gesagt, das behalten sie gleich. In der Zeit war  Hundertwasser in Neuseeland und da hatte ich die Faxnummer, weil wir für die andere Sache hin und her gefaxt haben. Und dann hat der Hundertwasser gesagt, er ruft an, während wir die Eröffnung machen, und dann spricht er mit den Leuten und mit den Schülern. Das hat er verschlafen und hat dann mehrfach ein Fax geschrieben, wie ihn das ärgert und wie er sich entschuldigt. Da hat man den Eindruck gehabt, dass für den war jetzt das mit den Schülern zu sprechen so wichtig, wie im MOMA auszustellen. In der Bretagne wo nichts ist! So hat sich eigentlich der Kontakt ergeben mit dem Manager. Alle Kollegen haben sich geweigert, über den Hundertwasser zu schreiben.

Daraufhin habe ich halt den ersten Text geschrieben, dann den zweiten und dann den dritten und vierten. Zugleich, der erste den ich in den Deichtorhallen gezeigt habe, war der Dokoupil. Er meinte, zeig den Hundertwasser. Und meine Antwort war, da flieg ich raus!

Woher kam diese Missachtung? War das antisemitisch motiviert?

Ich habe mehrfach geschrieben über verschiedene Aspekte bei Hundertwasser. Als ich über die Architektur von Hundertwasser im Architekturmuseum in Frankfurt geschrieben habe, ist die Direktorin entlassen worden. Der Aufsichtsrat sagte: Hundertwasser geht nicht.

Dann Ende 2008, da war ich gerade an die Bundeskunsthalle berufen worden, gab es ein Symposium zum 80. Geburtstag von Hundertwasser. Der war im Februar 2000 gestorben. Das war im Naturhistorischen Museum in Wien, weil alle anderen Museen, alle Kunstmuseum haben sich geweigert, irgendwas zu machen. Da waren zwar viele Leute zugegen, aber es waren nur zwei Leute aus der Kunstwelt: Bazon Brock und ich. Er war ein früherer Student von Hundertwasser, wo sie die Hamburger Linie 1959 gemacht haben. Das war schon völlig irre! Ich bin mit dem Brock zurückgefahren und wir haben uns wirklich gefragt, was ist da los, was kann man da machen? Und auf einmal kam das Wiener Belvedere mit einem Projekt, das hieß dann Hundertwasser, Japan und die Avantgarde. Eine ganz tolle Ausstellung, die Harald Krejci gemacht hat, der ist jetzt Chef-Kurator im Belvedere 21. Die Agnes Husslein war Direktorin und war sehr geschickt, wie sie da einen richtigen Publikumsmagnet aus dem Museum gemacht hat. Der Krejci ist mit den Texten von mir zu ihr, hat das hingelegt und gesagt: Warum machen wir nicht was! Das wurde eine Bomben- Ausstellung. Der Manager hat mir immer wieder gesagt, ich soll nach Neuseeland reisen, mir das dort ansehen, das muss man gesehen haben. Der hat es geschafft, als der Hundertwasser gestorben ist, den österreichischen Behörden weiß zu machen, dass da mehr Schulden waren als was positive Werte. Damit hat die Hundertwasser Stiftung, die schon eingerichtet war, 100 Prozent geerbt, ohne einen Groschen zu zahlen. Also wirtschaftlich betrachtet macht er das 1a.

Wie kam es nun dazu, dass du endlich nach Neuseeland aufgebrochen bist?

Bei Eröffnung im Belvedere musste ich Eröffnungsrede halten. Es war so, der Harald hat unglaublich gut recherchiert und hat super Leihgaben bekommen. Er hat zum Beispiel sehr schön gezeigt, dass die Spiralen aus der Pariser Zeit beginnen, alle monochrom. Die meisten Monochrome sind Yves Klein-Blau. Die waren so eng befreundet und haben diese Farb-Experimente zum Teil gemeinsam gemacht. Da gibt es auch Briefe von Klein, total interessante, wo man sieht, die waren beide Mystiker und haben diese Farb-Mystik zusammen verfolgt.

Bei der Eröffnung hat der Manager dann gesagt, du ich habe es dir schon fünfmal gesagt, fahr nach Neuseeland, ich bezahl das. Ich lad dich jetzt mit deiner ganzen Familie ein, weil sonst fährst Du da nie hin… Wäre ich noch an der Bundeskunsthalle gewesen, wäre es nicht gegangen. Dann sind wir 2015 hin und er hat ausdrücklich immer gesagt: Ich lad dich da nicht ein, damit du dich verpflichtet fühlst, zu schreiben. Du sollst dir das nur anschauen. Ich dachte aber, dass er immer wieder Leute dort einlädt. Also Wieland Schmied war einmal da, nach dem Tod von Hundertwasser. In Wirklichkeit war ich der Zweite, der nach dem Tod da war. Es gibt aber noch den letzten Helfer und auch noch die Fahrer rundum sind noch da. Die, die ihn erlebt haben. Der letzte Helfer ist jeden zweiten Tag dort und schaut nach dem Rechten. Als der Manager angefangen hat, sich um den Hundertwasser zu kümmern, hat er ihn als erstes gefragt: Hast du irgendetwas, was du unbedingt gerne machen würdest, aber was fast unmöglich ist? Da hat er gesagt, als Kind habe seine Mutter ihm vorgelesen von den Berichten eines österreichischen Zoologen, der im späten 19. Jahrhundert in Neuseeland war und erlebt hat, wie die europäischen Kolonisatoren das Land praktisch übernommen haben. Er hat auch beschrieben, wie die Maori, die Ureinwohner, das Land bestellt haben, wie s auf ihre Weise funktionierte. Hundertwasser hatte die Vorstellung, dass ist am anderen Ende der Welt, da gehen die mit dem Kopf nach unten über die Erde. Außerdem war Neuseeland der einzige Teil der Welt, wo es weder Atomkraft noch Atomwaffen gab. Da hat der Jorma Harel ihm eine Ausstellungstournee organisiert 1973. Das war eigentlich die größte Ausstellung, die bis dahin ein internationaler Künstler in Neuseeland gemacht hatte. Riesen Aufsehen, in sechs Städten oder so. Zugleich waren es die Anfänge von Greenpeace. Da gab es Aktivisten, also Europäer, die sind von dort aus mit relativ kleinen Schiffen, und der Pazifik ist einfach riesig groß, sind die zum Moreaux Archipel rausgefahren, wo Frankreich die Atomtests gemacht hat. Mit so winzigen Schiffen sind die da rum gekommen, damit die Franzosen diese Tests nicht machen können. Das hat ihm natürlich unglaublich imponiert. Die hat er kennengelernt, das waren so halbe Hippies im Grunde, da hat er sich dann in einer Hippie Kolonie eingemietet. Das war ihm aber gleich viel zu kollektivistisch und durch den Joram Harel verfügte er auch über Geldmittel. Man muss sagen, richtig wohlhabend wurde er, als er 1962 den österreichischen Pavillon der Biennale Venedig gemacht hatte. Er hat dort, das steht auch in den Berichten über die Biennale und in den ersten Büchern über die Geschichte der Biennale drin. Der hat seine eigene Ausstellung versteigert bei der Eröffnung. Der stand richtig da, die Sammler standen vor ihm und er hat versteigert. Von da an war wohlhabend. 1975, das war dann der dritte Aufenthalt oder so, hat es sich seine erste Farm in Neuseeland gekauft mit 200 Hektar. Und dann gleich die benachbarte, also 400 Hektar. Die waren alle abgeholzt als Weideland. Da hat er zunächst die Deiche, die die Farmer angelegt hatten, damit das Meer draußen bleibt, das ist an der Bay of Islands, das ist ganz im Norden. Diese Deiche hat er weggenommen und hat Kanäle angelegt wie in Venedig, damit das Wasser ganz reinkommt und sich mit dem Süßwasser mischt. Auf dem Weideland, also da, wo Ebbe und Flut sind, kamen die abgeholzten Bäume schon wieder raus. Selber hat er noch 100.000 Bäume gepflanzt und zwei Biotope angelegt. Mit Bäumen aus unterschiedlichen Kontinenten, total multikulti.

Die Farmer, die das mit ihm angelegt haben und dieser Helfer, die konnten mir das natürlich hautnah erklären, wie diese Biotope funktionieren. Da gibt es keine Forstarbeiter. Die Bäume sind völlig selbstgenügsam, sie stehen so dicht, dass du da eh nicht rein kommst. Es gibt eine Zufahrt, aber die ist so abgesichert, wenn du da als Tourist vorbeikommen würdest, kommst du eh nicht, weil da ist nichts, würdest du auch nichts sehen. Der Manager bezahlt die Verlage, die Reiseführer machen, dass das nicht erwähnt wird. Dann sind alle Dächer begrünt, also auf Google Earth siehst du dort nichts. Ich hatte gleich abgemacht, dass ich da unten auch wohnen kann. Ich dachte halt, dass immer wieder da Leute wohnen und ich wusste nicht, dass ich der erste war seit Hundertwasser, der da in seinem Bett geschlafen hat.

Er hat sich dort ein Holzhaus gebaut?

 

Hundertwasser auf seinem Land in Kaurinui Valley, Neuseeland, 1995 Copyright: Hundertwasser Archiv

Ursprünglich hatte nur das Häuschen übernommen, das die Farmer hatten. Das war ein italienisches Fertigteilhaus, total primitiv. Dann hat er nach dem Grundsatz gelebt, der Natur kann keinen Quadratmeter mehr wegzunehmen. Da gab es auch eine Hütte, da wurden die Kühe gemolken, die ist zusammengebrochen, später, in den 90er-Jahren ist der Schweinestall zusammengebrochen. Aus dem Stall für die Kühe hat er dieses Bottelhouse gemacht, schon in den 70er Jahren. In den 90er Jahren hat er aus der Schweinehütte ein Haus gemacht. Es gibt keine Isolation, aber es gibt 50 Zentimeter Humus auf dem Dach, das ist die Klimaanlage. Es gibt eine rein pflanzliche, überhaupt nicht chemische Klärstation, bei allen drei Gebäuden. Also ich bin dann mit meiner Familie da runter und nur der Helfer wusste, dass ich unten bleibe. Wir lebten dann in dem Haus, ringsum sind einfach so Gräben, die sind ausgehoben, aber natürlich nicht mit irgendwie Plastik oder so ausgelegt. Du hast die Gräben und du siehst da irgendwie die verschiedensten Insekten rumlaufen.  Bei den Gräben hast du immer wieder so Leitern, die darunter führen. Meine Frau und meine Tochter sind dann weg und das Gefühl war dann ungefähr so, wir sehen uns nie wieder. Ich bin da in der völligen Wildnis, es gibt es kein Handy. Du kannst in der Nacht nicht raus. Du findest auch gar nicht raus in der Nacht, keine Chance, und Du bist da irgendwie im Nichts. Ich hatte meinen Rucksack, ich hatte absichtlich keinen Computer, hatte etwas zum Essen und Wasser und das war‘s.

Gegen 21 Uhr wird es finster und auf einmal sehe ich: Hey, das Meerwasser kommt da rein! Dann bin ich einfach in den Wassergräben rund ums Haus geschwommen. Das ist aber irre. Du schwimmst dann da, du schwimmst unter der Vegetations-Oberfläche. Du spürst auch, das ist Meerwasser. Alles so im Kreis einmal um das Haus herum. Aber dann führt das tiefer ins Tal hinein und verbindet sich mit dem zusammengeführten Süßwasser, das von den Hügeln runter kommt. Dieses System ist ganz wichtig auch dafür, wie überhaupt die Bäume da wachsen. Es war unglaublich beeindruckend. Ich hatte zugleich ein Fahrrad gemietet und bin dann einmal am Tag raus, weil drei Tage ohne Rausgehen hätte ich nicht ausgehalten. Allein die Grillen, dieses Geräusch, das war so laut, dass ich mir Ohrstöpsel machen musste. Es gibt kein mechanisches Geräusch, überhaupt nichts.

Hast Du einen Ausflug zur Toilettenanlage gemacht? Die liegt ja nicht so fern ab in einer Stadt.

An der Küste gibt es Tourismus, die öffentliche Toilette liegt in einer Kleinstadt, zehn  Kilometer im Landesinneren. Die Stadt war richtig arm. Aber dort hat er immer eingekauft und eben einmal in der Woche gegessen. Er hat wenig geredet, aber er hatte ein super Verhältnis zu den einfachen Leuten. Das war auch in Österreich so, und in der Normandie nicht anders. Habe ich immer so gehört. Der Bürgermeister hat dann zu Hundertwassers Leuten gesagt, dass die einzige öffentliche Toilette gerade kaputt ist. Er hatte gesehen, dass der Hundertwasser so bunte Gebäude macht in Europa, ob er nicht so was in seinem Ort machen könnte. Dann haben die das völlig ohne Baugenehmigung einfach gemacht. Zum Teil mit dem Schutt der alten Anlage. So haben sie die Toilette gebaut, die sehr schön ist und wo ein Baum oben rauskommt. Das ist so wie die Wiener Sezession. Wo in Wien diese Kuppel ist, kommt hier ein echter Brocken von Baum raus. Dann ist eigentlich das Wunder geschehen, weil das ist die populärste Sache in der ganzen Gegend wurde. Da kommt jetzt ein Bus nach dem anderen, also im Winter, wenn die Touristen kommen. Es kommen so viele Leute, dass sie dahinter eine riesen Toilette gebaut haben und den ganzen Parkplatz für die Busse dazu. Die ganze Hauptstraße ist nur Hundertwasser-Weg. Es ist unglaublich. Das hat die Ökonomie des Ortes richtig verwandelt, jetzt leben die von Hundertwasser. Ganz in der Nähe wird gerade Hundertwasser Museum eröffnet, ca. 20 Kilometer entfernt.

Hundertwasser mit der Koru Fahne, 1985, Copyright: Hundertwasser Archiv

Diese erste Ausstellung, die Hundertwasser 1973 in Neuseeland gemacht hat, war rein über die Ökologie. Es gibt dort einen Enviroment-Day, er hat die Plakate dafür gestaltet. Um 1985 herum wurde er Ehrenbürger von Neuseeland. Bei ihm im Tal war dann auch der Ministerpräsident. In der Zeit hat er auch eine alternative Fahne für Neuseeland entwickelt, die nichts mit dem Union Jack zu tun hat, die ein grünes Farmland ist, das sich ausrollt. Das  ist wieder eine Spirale, die man allerdings von der anderen Seite her sehen kann. Es war verblüffend zu sehen, ich bin mit dem Fahrrad und auch dem Mietauto viel rumgefahren und in jedem zweiten Garten weht diese Hundertwasser-Fahne. Seither wurde die vom Parlament als zweite offizielle Fahne eingeführt. Der Hundertwasser ist da einfach unglaublich präsent in Neuseeland.

Nach der Reise habe ich das Buch gemacht bei Edition Konturen, Kunst und Natur, Hundertwasser, Neuseeland und der Entwurf einer ästhetischen Ökologie. Weil er hat immer gesagt, Naturschutz hat keinen Sinn. Wir haben die Natur schon so kaputt gemacht. Aber man kann sie restaurieren, so wie man es mit Bildern macht. Der einzige Maßstab sei, was schön ist, ist naturgemäß. Weil die Natur auch schön ist. Das ist der einzige Maßstab.

Klingt fast schon nach Hundertwasser-Klassizismus. Das Schöne galt schon bei den Griechen als das Naturschöne. Und doch lehnt Hundertwasser die gerade Linie und den rechten Winkel total ab.

Ihm ist wichtig, das Schöne ist vom Organischen her gedacht. Er hat immer gesagt: Ich bin ein vegetativer Maler, mache vegetative Malerei und ein Bild muss funktionieren wie eine Pflanze und entsteht auch so. Eine Frau, die lange mit ihm gelebt hat, eine Französin, hat mal was Interessantes geschildert. Sie war dabei, als er ein Bild malte. Man muss wissen, er hat immer alles auf Papier gemalt, aber das Papier ist eben mit alten Rezepten über Jahre vorher präpariert worden und hat dann geruht. Deswegen konnten wir die Hundertwasser Bilder im Leopold Museum auch ein Jahr lang zeigen. Die sind alle aus Papier, sind aber erstens vollständig bedeckt und sind alle so präpariert, dass Du die unbeschränkt zeigen kannst. Die sind dann aufgezogen auf Leinwände. Sie hat erzählt, sie war einmal nur von A bis Z dabei als er ein Bild gemalt hat. Sie hat einfach daneben gesessen und geschaut. Er hat immer alle Farben verbraucht, die er sich gerichtet hatte, vollständig verbraucht. Als sie dann das Gefühl hatte, jetzt ist es fertig, hat er auf einmal die Schale mit dem Wasser genommen und drüber geschüttet. Sie war darauf überhaupt nicht vorbereitet und hat aufgeschrien, wieso er das jetzt kaputt gemacht hat. Er ruhig: Ich habe es nicht kaputt gemacht. Man muss auch das ganze Wasser verbrauchen, es darf kein Abfall geben. Sie sagte, es ist kaputt und sie hätten richtig gestritten. Das sei endlos gegangen und er hatte sein Bild völlig vergessen. Um  ihr diesen Grundsatz zu erklären, man muss auch beim Wasser alles verbrauchen, man darf auch das Wasser nicht wegschütten, das war ihm dann wichtiger ist das ganze Bild. Irgendwann haben sie einen Lachkrampf bekommen, weil sie gemerkt haben, dass sie so abgedriftet sind.  Sie hat das Bild dann in Ruhe angesehen, dass es trocken war und hat gemerkt, das hat es eigentlich noch gebraucht. Weil es ist eine Art Vibration entstanden durch das drüber gegossen Wasser. Daran sieht man, wie der da so existiert hat.

Klingt doch sehr aktuell, das Verwerten, die Achtsamkeit, die Nachhaltigkeit. Ist Hundertwasser ein unterschätzter Künstler, ein verkanntes Genie? Er wird hier gar nicht wirklich ernst genommen. Erst über sein Schaffen in Neuseeland kommt er jetzt vom anderen Ende der Welt her wieder zurück.

Hundertwasser beim Bauernhaus La Picaudière, Normandie 1987, Copyright: Hundertwasser Archiv

Er hat sechs Lebensorte gehabt, in Wien, lange oben auf dem Otto-Wagen-Haus ist eine Kuppel, da war er drin von `67 bis `91. Da hat er zum Beispiel schon in den späten 60er Jahren Bienenzucht betrieben. Da gibt es noch diese Geschichte, dass der Franz West ist da hingegangen und hat die Zeichnungen unter der Tür durchgeschoben und hat dann behauptet, er wird von Hundertwasser gesammelt. Zu dem Zeitpunkt hatte der unglaubliches Ansehen. Später hat er in Wien auf dem Kunsthaus Wien gewohnt. Da hatte er eine relativ kleine Wohnung und der Rest war ein Urwald mitten in Wien. Also auf der ganzen Fläche, einen richtigen Urwald und unglaublich schön gelegen, denn du siehst, beide Seiten von Wien. Dann hat er im Waldviertel hat er eine Länderei gekauft im Durchbruch eines Flusses. Das ist total wild und da hat er auch so viel Terrain gekauft, das man da überhaupt nicht mehr bauen kann. Heute eine wilde Schlucht, also damit das absolut bewahrt wird. In Venedig hat er lange ein Atelier gehabt, in einem Atelier-Haus auf der Guidecca. Als er gehört hat, dass da jetzt ein Hotel gebaut wird, hat er das gekauft, damit es nicht bebaut wird. Dort hat er dann im Gärtnerhäuschen gewohnt, weil dort ein unglaubliches Licht ist. Die Lagune ist direkt dahinter, da hast Du ein Licht, sagenhaft.
In der Normandie hat er schon 1957 insgesamt acht Hektar gekauft. Ein ganz einfacher Bauernhof und hat dort 10.000 Bäume gepflanzt. Wo mir Nachbarn gesagt haben, sie haben ihn alle für einen Verrückten gehalten. Weil sie, die Bauern, haben ja die Bäume weggerissen, damit sie Weidegrund haben und der hat genau das Gegenteil gemacht. Sei aber dann zu jeder Familie hingegangen und hat ihnen erklärt, warum er das gemacht hat. Das dieses Biotop für sie, die herum Felder haben, ganz produktiv wird. Also Sie werden sich noch mal freuen, dass da diese 10.000 Bäume stehen. Da war ich jetzt gerade wieder, da wir es gerade retten müssen. Da ist fast nur die gleiche Baumart, die so hoch wächst und da ist auch ein unglaubliches Licht.

Hamburger Linie, Studenten beim Action-Teaching

In Wien hat zuletzt im Zusammenhang mit der Leopold Ausstellung der KURIER einfach getitelt „Gretas Großvater“. Das ist es jetzt irgendwie. In Wien haben wir, der Bazon Brock und ich,  die unendliche Linie von 1959 auf Hamburg wieder aufgeführt. Da hat der Hundertwasser in der HfbK eine unendliche Linie gezogen, die sollte durch die ganze Stadt gehen. Daraufhin wurde er aber sofort gefeuert vom Rektor. In den Büchern über die Happenings ist das oft das erste, was erzählt wird. Das haben wir in Wien wieder aufgeführt, denn das hat dann mit seinen Spiralen zu tun und die Hamburger Linie wird Ende Januar 2022 im Centre Pompidou Metz wieder aufgeführt. In Metz machen sie eine Ausstellung: Künstler, die lehren. Da ist der Beuys und Robert Filliou dabei, der Hundertwasser ist eine dieser Figuren. Aber das ist wichtig. Das ist kein Kunstwerk, sondern Action-Teaching. Das geht dann vier Tage, immer einer zieht die Linie weiter. Ein sehr interaktives Happening.

Wir sehen jetzt, ich war gerade in Metz und habe da einen Vortrag gemacht an der Schule zusammen mit dem Centre Pompidou, auf einmal gewinnt der Hundertwasser eine riesen Aktualität. Die Kuratoren und Studenten dort, die haben diese Kitschphase nicht im Kopf, sondern den konzeptuellen Hundertwasser und den Vorreiter einer ökologischen wachen Kunst.

Wie schnell nennt man irgendwas kitschig, um es abzutun, abzuqualifizieren. Ich weiß gar nicht, ob Hundertwasser Kitsch ist. Eher kinderleicht und farbenfroh. Gedankenschwer und tiefgrüblerisch ist er sicher nicht, aber doch weitsichtig und ungemein unorthodox.

Würde ich auch nicht sagen. Aber viele von den Produkten sind Kitsch. Was seine Architekturen betrifft, hat er auch gesagt, dass seine Architektur ist ja nicht wichtig, aber er sei ein Architektur-Doktor. Wenn wir in diesen grauen, geradlinigen Dingen herumlaufen, dann muss man endlich mal was anderes sehen.

Durch die exzessive Vermarktung, das ist wie bei Vasarely, bei Chagall und anderen, sah man sich die über. Ein gewisser Verschleiß-Effekt setzte da ein, man wollte das Zeug einfach nicht mehr sehen. Es war nur einen Moment lang neu.

In den 80er, 90er Jahre sind die Bilder weniger gut als vorher. Eigentlich ist die richtig dolle Phase `65 vorbei. Was man alles nicht weiß. Deshalb haben wir diese Werke in der Wiener Ausstellung auch vorgestellt, die hatte man auch in Österreich nie gesehen.

Du warst Kurator dieser Ausstellung?

Vier oder fünf Jahre vorher war ich, eigentlich ungeplant, bei dem Eröffnungsabend von der Vienna Art Fair. Da steht Nathalie Heuhorst, die mit mir in Bonn gearbeitet hat, mit dem Hans-Peter Liebling, dem Direktor vom Leopold. Die standen da und haben so geredet und ich bin auf sie zugegangen und hab irgendwie Hallo gesagt. Dann fragt: Woran arbeitest du denn? Und sagt, sicher über Hundertwasser als Witz. Dann hat es ihn so gerissen und da hat er mich zur Seite genommen. Eine amerikanische Kuratorin hat auf dem Schiele-Symposion auf einmal diese Geschichte „Hundertwasser-Schiele“ vorgetragen. Da hat er sich gleich gefragt, ob man da nicht eine Ausstellung machen könnte. Sie hat aber gleich gesagt: Ja, das kostet 70.000 Euro, weil sie kommt dann mit dem ganzen Team herüber. Die hatte er gar nicht. Dann hat er mich einfach gefragt, ob ich das mache. So bin ich da reingerutscht und das war ein riesen Vergnügen. Eigentlich war es das beste Museumsding, das ich je erlebt habe.

Es wurde nach Hundertwassers Tod zum großen Versuch, ihn in Wien und auch international neu zu verorten.

Das erste Mal war‘s im Belvedere. Das zweite war jetzt da. Da hatte man schon den Eindruck, jetzt geht das richtig los. Wir haben nicht die internationale Presse da empfangen können, kein internationales Publikum, nachdem es einen Monat nach Eröffnung geschlossen wurde. Aber die Kollegen haben das schon sehr wahrgenommen. Was sich natürlich jeder gefragt hat: Was machen die mit Hundertwasser? Wobei wir natürlich die Ausstellung nur machen konnten, weil das Leopold Museum mit der eigenen Sammlung und mit dem, was der Familie Leopold gehört hat, die haben 220 Schiele-Arbeiten. Das war dann das erste Vergnügen, dass man Schiele-Arbeiten so aussucht, dass man sagt Ja, Nein. Die andere Geschichte, die völlig irre ist: Die habe ich zuerst gehört vom Manager, aber auch von unterschiedlichen Seiten: Hundertwasser hat eine Tochter, was man überhaupt nicht wusste, jetzt weiß man’s. Man konnte den Hundertwasser ja nicht direkt erreichen. Er hat unendlich viele Frauen gehabt, unendlich viele. Die meisten hat er dann über Jahre aufgegeben. Eines Tages ruft eine Frau den Manager an und sagt: Wir sollten uns treffen. Ich habe eine Tochter von Hundertwasser. Der hat immer gesagt: Kinder sind der Tod des Künstlers und er konnte auch nicht mit Kindern. Also ich habe das ja nie erlebt, aber man hat mir gesagt, er war völlig unbeholfen mit Kindern. Dann hat der Manager sich mit dieser Frau getroffen und die hat erzählt, total wirre Geschichte, dass sie beschlossen hat, nie zu heiraten und doch ein Kind zu haben von einem Genie. Sie habe mehrfach mit Nobelpreisträgern geschlafen und es hat nicht funktioniert aber mit Hundertwasser hat es funktioniert. Hundertwasser hat dann gesagt, er kann es sich an die Frau erinnern. Er habe noch einen Verdacht gehabt und sie gefragt, ob es da eine Gefahr gibt. Dabei hat sie es genau ausgerechnet, dass sie absolut funktionieren musste. Dann hat Hundertwasser aber gesagt, er tritt kein Vaterschaftstest an, das kommt überhaupt nicht in Frage. Das ist nie seine Tochter, das gibt es nicht. Ging so weit, dass der Manager gesagt hat: Wenn du das nächste Mal nach Österreich kommst, dann verhaften die dich, wenn du keinen Vaterschaftstest machst. Dann hat er den Test doch gemacht und natürlich war der Test positiv. Aber es gibt einen Prozentsatz von möglichen Irrtum, auf den er sich immer berufen hat und gesagt: Das ist nicht meine Tochter. Er wollte sie auch nie sehen, nicht treffen. Sie haben sich einmal getroffen, weil bei einer Signierstunde, stand sie auf einmal vor ihm und hat gesagt: Ich bin deine Tochter. Daraufhin hat er die völlige Panik bekommen, hat sie angestarrt und sie ähnelt ihm zu 100 Prozent. Er hat aber die totale Panik bekommen, hat sich umgedreht, hat zum Manager gesagt, wir müssen hier weg und hat zu ihr kein Wort gesagt. Sie ist eine total reizende und super intelligente Person, ist Dozentin an der Universität für Bodenkultur in Wien und eine international Ökologie-Expertin. Sie heißt Heidelinde Tremmel. In ihrer Freizeit forscht sie über ihren Vater, hat die meisten Zeitzeugen besucht, war in Neuseeland, das darf die Stiftung dann nie wissen. Sie hat sich da von einem Zeitzeugen zum anderen durchgefragt. Überall, sie war in Venedig und überall.

Wie hast du sie kennen gelernt?

Bei der Buchvorstellung von meinem Buch über Neuseeland. Sie ist zur Buchvorstellung gekommen, einfach als ganz normaler Gast und da hat mir jemand gesagt: Schau, da ist die Tochter von Hundertwasser. Dann haben wir natürlich gesprochen und sie war total interessiert an den Fotos, die wir da aufgenommen haben, weil sie bis dahin war sie nicht in Neuseeland. Von da hat sich der Kontakt ergeben. Wir haben uns dann getroffen. Das war sympathisch und wir sind sehr regelmäßig jetzt in Kontakt. Weil wir einfach Informationen austauschen. Da gibt‘s eine richtig lange Radiosendung, eine Kollegin vom ORF hat da ein langes Gespräch mit mir gemacht. Es gibt auch einen Prozess zwischen ihr und der Hundertwasser-Stiftung. Für die Stiftung ist diese Tochter von Hundertwasser so ein rotes Tuch, also ihre Existenz wird negiert von der Stiftung und sie wollen, dass sie nirgendwo aufscheint. Auf die Frage des ORF habe ich gesagt: Also natürlich, wir kennen uns, sie arbeitet an der Universität für Bodenkultur usw. und in ihrer Freizeit forscht sie richtiggehend über ihren Vater. Das ist auch ganz wichtig, denn diese Zeitzeugen, die sie befragt, die muss man jetzt noch befragen, denn die sind bald weg. Das war so witzig, denn damit wurde das Ganze offiziell.

Hundertwasser wird immer aktueller. Was planst du gerade in Sachen Hundertwasser?

Ich kümmere mich gerade um das Gebiet in der Normandie. Das war lange besetzt von radikalen Ökologen, die sich dort versteckt haben. Da habe ich sie angerufen und habe ihr erzählt, dass das jetzt saniert werden soll und wie das da läuft… Da habe ich dann aber gemerkt, es wurde auf einmal emotional. Da hat man schon gemerkt, dass dieses negiert werden von der von der Stiftung, Spuren hinterlässt. Zum Beispiel hat die Stiftung darauf bestanden, dass wir Sie nicht zur Vernissage einladen im Leopold. Ich habe sie dann vertraulich darüber informiert. Da hat sie gesagt, das weiß ich ohnedies, und ich habe eh diesen Forschungsaufenthalt woanders. Dann hatte ich aber mit ihr abgemacht, dass ich halt eine Führung für sie machen kann. Auf einmal, am Tag vor der Ausstellung, kam der Lockdown. Aber die Führung konnte ich natürlich machen. Es war da ja nicht mal mehr eine Aufsicht, wir waren einfach in der geschlossenen Ausstellung. Sie hat eine Künstlerin mitgenommen, die fast 90 Jahre alt ist und die sicher auch zeitweise eine Freundin von Hundertwasser war. Aber vor allem war sie die Freundin und dann die Verlobte vom Konrad Bayer, von dem Schriftsteller. Also sind wir zu dritt zwei Stunden oder was in der Ausstellung gewesen. Und das war natürlich unglaublich berührend, dass die Tochter diese Bilder alle noch nie gesehen hatte. Das waren die Bilder ihres Vaters. Das war, wie wenn man in seiner Grabkammer ist. Man hat schon gemerkt, dass da eine Kommunikation zwischen ihr und den Werken ist. Ich habe letztens mit der alten Dame telefoniert und daraufhin habe ich sie dann spontan angerufen und habe erzählt, wie das jetzt da ist in der Normandie. Da habe ich dann gemerkt, ich muss den Kontakt jetzt regelmäßig halten. Das geht da emotional total tief, dass sie einfach nicht existiert. Das Witzige ist, sie hat jetzt schon das zweite Kind und damit hat der Hundertwasser zwei Enkelkinder, der der nie ein Kind haben wollte. Der Manager ist jetzt auch schon sehr alt, auch bald 90 und je nachdem, wie das mit der Stiftung weitergeht, wird auch das endlich entschieden, hoffe ich.

 


Robert Fleck (1957 in Wien) wuchs in einem Nachbarhaus der Muehl-Kommune auf, seine Familie war mit Otto Muehl bekannt. 1962 bis 1967 besuchte er das Lycée Français de Vienne und anschließend das Öffentliche Gymnasium der Stiftung Theresianische Akademie, das er mit der Matura 1975 abschloss. Von 1976 bis 1977 studierte er an der Universität Wien Kunstgeschichte, Geschichte, Geografie und Sport und von 1977 bis 1981 an der Universität Innsbruck Kunstgeschichte, Geschichte und Philosophie. Von 1978 bis 1981 war er Mitarbeiter in der Galerie nächst St. Stephan und anderen Wiener Avantgarde-Galerien. Anschließend ging er nach Paris und studierte an den Universitäten Paris I-Sorbonne und Paris VIII-Saint-Denis und dem Collège de France unter anderem bei Gilles Deleuze, Jean Baudrillard und Michel Foucault Ästhetik, Philosophie und Geschichte. Er wurde mit einem Thema zur Geschichte der Demokratie an der Universität Innsbruck zum Dr. phil. promoviert.

Bis 2003 lebte er in Frankreich, arbeitete als freier Kunstautor. Von 1991 bis 1999 war er unter anderem Frankreich-Korrespondent des Kunstmagazins art, von 1991 bis 1993 österreichischer Bundeskurator für Bildende Kunst und 1998 Co-Kurator der 2. Europäischen Biennale für zeitgenössische Kunst Manifesta in Luxemburg. Von 2000 bis 2003 war er Direktor der E.R.B.A.N.-Ecole Régionale des Beaux-Arts de Nantes. Er wurde 2005 Direktor der Deichtorhallen in Hamburg und Intendant der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland in Bonn (bis 1. Oktober 2012). Seither ist er an der Kunstakademie Düsseldorf Professor für „Kunst und Öffentlichkeit“ und Leiter der Akademie-Galerie in Düsseldorf. Als Kurator war Fleck an Imagine tomorrow, a juxtaposition of Hundertwasser and Schiele, in Vienna’s Leopold Museum.

  


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Robert Fleck, Kunst und Natur. Hundertwasser, Neuseeland und der Entwurf einer ästhetischen Ökologie. Vorwort von Hans Ulrich Obrist, Wien, Hamburg, 2016

Robert Fleck, Die Rettung des Planeten, in: ART. Kunst im 21. Jahrhundert, Wien, Hamburg 2021

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