„Wie ein großer überdachter öffentlicher Raum“, wünscht sich Susanne Gaensheimer die Zukunft ihres Museums. „Niedrigschwellig und anspruchsvoll“. Wir treffen uns auf einen Latte Macchiato im Café des K21, das um die Mittagszeit wie ausgestorben ist. Seit zehn Monaten im Amt, hat sie sich warmgelaufen und umgeschaut, in Düsseldorf für sich und ihre Familie eine Wohnung gefunden und „schon fast alle“ Künstler-Patriarchen und Künstlerinnen-Celebritäten der Düsseldorfer Kunstszene aufgesucht. Auch Reinhard Mucha. Zuletzt war sie auf Besuch bei Imi Knoebel. Katharina Sieverding und Gerhard Richter (inzwischen Köln) stehen noch auf dem Besuchsprogramm. Gaensheimer sieht sich als Teil der „Neuen Welle“, die sie ans Rheinufer anrollen sieht und gemeinsam mit den anderen drei Neuen, Alain Bieber, Felix Kraemer und Calle Petzinka auch mächtig anschieben will.
Die Münchnerin (*1967 ) ist seit Gründung der Staatsgalerie NRW im Jahr 1961 erst der vierte Direktor und nach Marion Ackermann die zweite Direktorin. Zusammen mit Bianca Knall (neue Kaufmännische Leiterin) bildet Gaensheimer den Vorstand der Landesstiftung. Mit 91 Mitarbeitern zählt das Haus zu den größten im Land.
Was will sie ändern? Wohin will sie mit der Kunstsammlung? – Woran es liegt, dass die Kunstsammlung NRW längst nicht mehr so souverän in der internationalen Museumslandschaft dasteht wie ehedem, liegt auf der Hand. Die Konkurrenz, zumal seit dem Hauptstadtumzug nach Berlin, ist stärker geworden. Das Publikum, vor allem das jüngere, interessiert sich nicht mehr per se für die Wege der klassischen Kunstgeschichte. Die digitale Revolution lässt die Angebote der Museen alt aussehen. Hinzu kommen hausgemachte Verstrickungen und Verzettelungen. Mit seinen drei Spielstätten hat die Kunstsammlung eher an Kontur verloren. Die Ausweitung des Spielbetriebs ins Ungefähre und Eventhafte tat ein Übriges. So hofft alles auf Susanne Gaensheimer. Sie soll der NRW-Staatsgalerie zu neuem Glanz verhelfen und neue Wege in den Museumshimmel weisen – möglichst weit oben.
Überraschend ihr Elan eines Sowohl-als-auch. „Zwei Dinge will ich hier ändern. Sowohl einen internationalen Kontext fördern, aber auch einen starken Bezug zum Ort herstellen.“ Sie stellt sich in eine Kontinuität mit ihren Vorgängern und will doch auf keinen Fall ein Weiter-So. Entsprechend will sie die Sammlungspräsentationen im Stammhaus K20 als auch in der Dependance K21 verändern, ausweiten. „Ein Inseldasein der Kunstsammlung, wie es das bisweilen gab, lehne ich ab. Eine elitäre Haltung teile ich jedenfalls überhaupt nicht.“
Alfred Schmela, den legendären Düsseldorfer Galeristen, lässt sie zu dessen 100. Geburtstag hochleben (mit Schätzen aus dem Familienarchiv), doch will sie das Schmela-Haus anschließend am liebsten ganz los werden. „Aufbruch“, das große Wort, kommt ihr leicht über die Lippen. Sie schätzt die Situation für günstig ein, euphorisch ihr Blick nach vorn: „…dass hier, nachdem alles nach Berlin gezogen ist, wieder ein Zentrum entsteht, an dem etwas passiert, was an die große Zeit um 1960 anknüpft. Die jungen Künstler kommen zurück in die Region… Es ist erstaunlich lebendig hier, auch was die jungen Galerien betrifft. Zusammen hätten wir jetzt die große Chance, ein neuer Hotspot zu werden.“
Die internationale Reputation des Hauses, die zuletzt etwas gelitten hatte, möchte sie auffrischen. Selbstverständlich ein offenes Haus führen, neue Publikumsschichten gewinnen, dem Internet und den digitalen Medien neue Plattformen bieten und verteidigt doch vehement ihren kunsthistorischen Anspruch.
Anders als ihre Vorgängerin Marion Ackermann trifft sie in Düsseldorf ungleich günstigere kulturpolitische Verhältnisse an. Mit Isabel Pfeiffer-Poensgen ist eine (parteilose) Ministerin für Kultur und Wissenschaft ins Amt berufen worden, die sich in der Kunstwelt bestens auskennt und der zudem mehr Mittel zur Verfügung stehen. „Ein Glücksfall für uns alle“. Gaensheimer gilt als ambitioniert und durchsetzungsstark, dabei geht sie diskret um umsichtig zu Werk. Laute Töne, große Schau sind eher nicht ihre Sache. Immerhin, die Perspektive ihrer Auftraggeber macht sie sich mühelos zu Eigen: „Wir haben momentan eine echte Chance. Ich sehe eine neue Dynamik, ein Welle, die sich da bildet. Wenn wir das mit einer positiven Stimmung und Begeisterung unsererseits begleiten, dann passiert da was Eigenes.“
Mehr Geld sei nicht die Hauptsache. „Wir müssen alles aus dem Inneren der Kunst heraus entwickeln.“ Einen festen Ankaufsetat in Höhe von gut drei Millionen Euro pro Jahr plus Sondermittel strebt sie gleichwohl an.
Gerne sieht sie sich in der Tradition der Kunstsammlung und ihrer großartigen Gemäldegalerie, doch „heute sollte das Museum eher so etwas wie ein großer überdachter öffentlicher Raum sein.“
—
Mit dem Re-Opening (6.Sept) wird das K21 unter dem neuen Zusatz „Museum für internationale Gegenwartskunst“ einen Relaunch versuchen. „What´s Love Got to Do With It“, heißt die Eröffnungsausstellung, die der New Yorker Künstlerin Lutz Bacher gewidmet ist (bis zum 6. Januar 2019). Das 1. Obergeschoss wird künftig kostenlos zu besuchen sein. In den beiden Etagen darüber wird eine Neupräsentation der Sammlung gezeigt. Vor allem Werke, die seit den späten 1980er Jahren entstandene sind, werden in den Museumsräumen neu präsentiert. Unter der Glaskuppel des Dachgeschosses kann weiterhin das Netz von Tomás Saraceno beklettert werden.
eiskellerberg.tv: sie sprechen von der „Neuen Welle“. Welche neue Musik wird Susanne Gaensheimer auflegen?
Susanne Gaensheimer: die Intermedialität wird eine große Rolle spielen. Das ist die Art, wie ich eigentlich schon immer arbeite. Ich finde es immer sehr bereichernd, spartenübergreifend zu arbeiten. Wenn Choreographie dabei ist, wenn Film eine Rolle spielt, wenn es wie jetzt über Anni Albers plötzlich um Stoff und gewebte Materialen geht. Oder um die digitalen Medien. Dadurch finde ich, gerät man immer wieder in einen neuen Wahrnehmungsmodus und kann den eigenen Horizont stark erweitern. Deswegen finde ich es auch gut, wenn man im K20 auch die Klassische Moderne immer wieder auch mal mit anderen Medien kombiniert. Dass da zum Beispiel auch mal junge Leute rein kommen, weil sie Douglas Gordon anschauen. Ende nächsten Jahres machen wir eine grosse Ausstellung mit Carsten Nicolai im K21. Darauf freue ich mich schon sehr. Wo wir eben mit allen seinen Medien arbeiten können – mit Musik, mit elektronischen Medien, mit allen möglichen bildhauerischen Möglichkeiten – kommt alles mit rein.
Aber mein größter Wunsch wäre, dass es uns gelingt – und zwar nicht nur durch unser Programm – sondern auch durch die Form der Kommunikation, durch die digitalen Medien und so weiter – ein niedrigschwelliger und ein öffentlicherer Ort für ein breiteres Publikum zu werden. Natürlich ohne das Niveau des Programms zu kompromittieren. In diesem Punkt steht das ganze Haus hinter mir.
eis: klingt ganz nach 60er Jahre.
S.G.: was mir wirklich am Herzen liegt ist diese Öffnung des Hauses. Die Digitalisierung wird eine riesige Rolle spielen. Da werden wir auch noch Geld brauchen und suchen Förderer. Aber es gibt auch Ausstellungen, die mir sehr wichtig sind. Zum Beispiel die mit Werken von Eduard Munch, die von Karl Ove Knausgård kuratiert wird. Das ist für mich eine sehr spannende Kooperation, in die ich auch persönlich stark involviert bin!
eis: wann wird das kommen?
S.G.: im Oktober nächsten Jahres. Es ist Knausgårds erste Kuratorenschaft. Er hat es für das Munch-Museum in Oslo gemacht und wird es für Düsseldorf in veränderter Form erneut tun. Das zeigen wir zur Buchmesse in Frankfurt, weil da eben Norwegen das Gastland ist.
eis: seit zehn Monaten sind sie nun Direktorin der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen. – Welches Bild haben Sie von ihrem neuen Haus gewonnen?
S.G.: ich habe zunächst sehr viele Leute besucht, bin zu vielen Menschen hingegangen, vor allem natürlich zu den Künstlerinnen und Künstlern. Das werde ich auch fortsetzen. Natürlich war ich auch bei einigen der Galerien, bei den beiden legendären Galerien Hans Mayer und Konrad Fischer selbstverständlich, aber auch bei den vielen wirklich guten jüngeren Galerien. Ich war in den umliegenden Institutionen, natürlich in den Museen hier, auch in der Langen Foundation in Neuss. Auch in Köln bin ich weiterhin oft.
Also in Düsseldorf ist es ja so, dass diese lebende Kunstgeschichte sehr faszinierend ist. Nicht eine alte Kunstgeschichte, aber eine Kunstgeschichte der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Da sind die beiden schon genannten Galerien, die überhaupt die ganze Idee vom Kunstmarkt und zeitgenössischer Kunst eigentlich aufgebaut haben. Und dann eben Künstlerinnen und Künstler wie Katharina Fritsch, Katharina Sieverding, Ursula Schulz-Dornburg, dann natürlich Reinhard Mucha, die Fotografen Thomas Ruff, Andreas Gursky oder Axel Hütte, dem ich beim Brötchen holen morgens über den Weg laufe. Jetzt war ich gerade bei Imi Knoebel. Also das ist einfach etwas Besonderes an dieser Stadt. Was ganz Tolles! Ein großer Wert!
eis: schön. Und wie steht es um ihr Haus?
S.G.: ich möchte in dem Haus der Kunstsammlung, eigentlich in den beiden Häusern K20 und K21, zwei Dinge stärken: Sowohl einen internationalen Kontext fördern und dazu eine Vernetzung, auf jeden Fall einen ganz starken Bezug zum Ort herstellen. Gerade auch durch die Sammlungspräsentationen, wo ich die Künstler und die Künstlerinnen, die hier leben, auch nochmal stark einbinden möchte: Denn wenn ich als Besucherin nach Düsseldorf komme – also da fehlt mir so ein bisschen dieses, wie soll ich sagen, die Bindung, die Rückbindung an den Ort und was hier geschieht. Und das finde ich einen riesigen Trumpf dieser Stadt. Wenn wir eine Eröffnung machen, dann kommen die eben genannten Leute zu unserer Eröffnung in die Kunstsammlung und da bin ich auch stolz oder freue mich sehr darüber. Darauf möchte ich aufbauen.
eis: nun heißt es „Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen“ – und es bestehen auch Konkurrenzen zu anderen schönen großen Städten im Land. Je mehr Sie Düsseldorf betonen, desto schwerer mag die Identifizierung außerhalb mit der Kunstsammlung fallen?
S.G.: was meinen Sie jetzt mit Konkurrenz? Das ist mir jetzt bisher nicht so begegnet.
eis: ach so.
S.G.: ich würde das nicht unbedingt Konkurrenz nennen. Ich finde das ganz toll an Nordrhein-Westfalen – auch Münster noch dabei – was es da für wichtige und schöne Institutionen überall gibt. Ich wünsche mir eine konstruktive Zusammenarbeit in meiner Zeit hier. Nach den Erfahrungen, die ich in der Vergangenheit gemacht habe, sei es in Münster, München oder in Frankfurt, war es immer so, daß wir keine Konkurrenz gelebt haben, weil wir auch gewusst haben, das bringt überhaupt nichts. Es ist eigentlich eine Bereicherung für einander, wenn andere Institution auch was Tolles machen. Das lockt das Publikum hier her. Je mehr Leute z. B. ins Museum Kunstpalast gehen, desto besser für mich, weil die dann vielleicht auch noch einmal über die Straße zu uns kommen und umgekehrt. Also ich fände es toll und übrigens ist es auch eine große Chance für diese Region, wenn man das ein bisschen bündeln und eher im Sinne einer konstruktiven Zusammenarbeit sehen würde. Denn ich glaube, dass es jetzt im Moment hier grade die Möglichkeit gibt – und das vielleicht auch so ein bisschen deutschlandweit betrachtet – nach einem Aufbruch gibt. Man könnte sich sogar vorstellen, dass hier wieder ein neues Zentrum entsteht so wie es mal war, bevor alle nach Berlin gegangen sind.
eis: Aufbruch? – das klingt nach Neuer Westen.
S.G.: ich hab das Gefühl, hier ist gerade auch in der jungen Kunst sehr viel los. Die jungen Künstler und Künstlerinnen kommen wieder zurück in die Region. Es ist sehr lebendig, es gibt sehr gute junge Galerien – wirklich sehr, sehr gute – hier in Düsseldorf, aber auch in Köln und Umgebung. Es gibt die fantastischen Museen. Ich glaube, wir hätten da zusammen eine große Chance eben diese Region zu fördern. Also ja, da sogar ein neuer Hotspot zu werden.
eis: die viel bewunderte Aufbruchphase der 60er, mit Ausläufern vielleicht bis noch in die 70er Jahre hinein, haben sie erwähnt. Damals gab es eine besondere politische Konstellation, die das Kunstwunderland NRW erst hat möglich werden lassen. Mit Ende des Zweiten Weltkriegs fiel München als Kunststadt aus, Berlin war geteilt. Im Kalten Krieg zog alles gen Westen, nach Düsseldorf und später nach Köln. Das Rheinland wurde zum Fluchtpunkt und Sammelbecken. Die politische Großwetterlage hat seit 1989 gedreht. Alles sieht nach Berlin. Der Bund baut in der neuen Hauptstadt mit berühmten Architekten und für große Summen eine ganze Reihe neuer Museen. Düsseldorfs Glanz gleicht doch dem der alten Tante aus dem Westen: etwas Speck, etwas schöne Patina angesetzt. Lorbeeren in Unmengen…
S.G.: aber jetzt gibt es eine neue Regierung hier in NRW mit einer fantastischen Kulturministerin. Es ist ein Glücksfall für uns alle! Der neue Ministerpräsident will die Kunst und die Kultur in ganz Nordrhein-Westfalen fördern. Und nicht nur die Kunst, nicht nur die bildende Kunst – dazu gehört das Theater und so weiter. Das wird die Region insgesamt stärken. Außerdem haben wir momentan echtes Potenzial, eine Art Welle. Ja, da ist eine neue Dynamik. Wenn man das mit einer positiven Stimmung und einer Begeisterung von uns aber auch von der Politik begleitet, dann passiert da was Eigenes. Ich glaube übrigens auch, dass in der Summe des Geldes, das zur Verfügung steht, nicht allein die Lösung liegt. Hier gibt es ein paar kleine, junge Galerien, die sind so interessant und so gut, über die spricht man in Los Angeles. Unsere Stärke liegt, so glaube ich, nicht im Geld, sondern wir müssen uns von innen heraus erneuern und wieder zu einer Begeisterung finden. Wir sind so satt geworden hier in Deutschland!
eis: der West-Impuls – sie nannten Hans Mayer und Konrad Fischer, man könnte auch Alfred Schmela und sicher noch ein paar andere nennen – kamen ohne jede öffentliche Unterstützung und Anerkennung aus. Die Kunstsammlung NRW, als sie gleichzeitig gegründet wurde, nahm auch keinerlei Notiz von ihnen.
S.G.: wirklich?
eis: es gibt auch personell eine erstaunliche Kontinuität in der Spitze der Kunstsammlung. Nur vier Leiter in über 50 Jahren. Es gibt auch eine inhaltliche Kontinuität, einen Markenkern, die Klassische Moderne und ihre Folgen. Wie glauben Sie, an diese Kontinuität anknüpfen zu können, wo werden Sie neue Impulse setzen?
S.G.: ich finde es nicht vorstellbar, dass man als ein so großes Museum, auch als ein so wichtiges Museum, keine Verbindung zur lokalen Szene hat. Deshalb würde es für mich auch nicht gehen, ein Museum in Düsseldorf zu leiten und z. B. in Köln zu leben. In meinen Augen funktioniert das nur mit einer Identifikation und das ist ein längerer Prozess. Ich kann nicht hier herkommen und sagen: Okay ich kenne alles und jeden. Das dauert ein paar Jahre bis man sich gegenseitig kennengelernt hat, aber das ist ja auch grade das Spannende. Ich gehe abends in die Galerien, weil mich das interessiert. Ich finde das ja total spannend, eine Eröffnung im Kunstverein. Natürlich merke ich auch, dass es offensichtlich ein Insel-Dasein der Kunstsammlung gab. Das nenne ich eine elitäre Haltung, die ich überhaupt nicht teile. Heute hat sich der Status des Museums verändert. Heute ist das Museum kein elitärer Elfenbeinturm mehr. Heute ist das Museum nichts anderes als ein überdachter öffentlicher Raum. Das wäre meine Idealvorstellung eines Museums.
eis: na wunderbar! Nochmal kurz zurück zu den alten Zeiten. Werner Schmalenbach hatte ja eine klare Linie: Klassische Moderne vor und Klassische Moderne nach ´45. Ist das auch ihre Leitlinie?
S.G.: in der Arbeit mit den beiden Häusern gibt es eine grundsätzliche Ausrichtung, die ich stärker und deutlicher entwickeln möchte. K21 steht für die Gegenwartskunst. K20 für die klassische Moderne und die Nachkriegsmoderne. Es wird immer mal wieder so sein, dass es auch im K20 ein Projekt der Gegenwartskunst gibt oder dass das ineinander übergeht.
eis: wie im Augenblick?
S.G.: genau! Wie Douglas Gordon oder Maria Hassabi. Wir werden jetzt „Museum Global“ mit einer internationalen Perspektive auf die Klassische Moderne im Herbst zeigen. Da werden wir die ganze Sammlung ausräumen und das gesamte Museum mit diesem Projekt bespielen. Danach werden wir die Sammlung neu einrichten. Da wird es neben der Klassischen Moderne und der Nachkriegsmoderne auch Werke zeitgenössischer Künstler, vor allem der 80er Jahre geben. Gerhard Richter, Katharina Sieverding und so. Im K21 soll wirklich die internationale Gegenwartskunst, sollen vor allem junge Positionen ausgestellt werden. Zusätzlich zeigen wir weiterhin Werke von Thomas Schütte und Katharina Fritsch und haben auch das Deutschlandgerät von Reinhard Mucha restauriert. Viele Fragen, mit denen wir uns heute beschäftigen, gehen auf Fragen des frühen 20. Jahrhunderts zurück. Es gibt z.B. Künstlerinnen, die sind schon weit über 60, 70 Jahre alt: Isa Genzken z.B., die aber für die junge zeitgenössische Szene sehr wichtig als Identifikationsfiguren sind. So etwa auch Lutz Bacher, mit der wir jetzt das K21 neu eröffnen. Ich glaube weniger an historischen Daten, an Jahreszahlen, alles muss aus der inneren Logik der Kunst entwickelt werden. Wenn ich z. B. einen Raum mit Josef Albers, Carmen Herrera und Kenneth Noland gestalte, passt auch Imi Knoebel auf eine interessante Weise dazu. Auch wenn ich über Paul Klee und Mondrian nachdenke, ist es spannend, auf den Genter Raum von Knoebel zu schauen.
eis: es gab schon verschiedentlich Versuche, das K21 in den Griff zu bekommen. Das Haus ist aber mehr und mehr ins Abseits geraten. Wie wollen Sie das ändern?
S.G.: wirklich eine harte Nuss. Ich habe das ja immer nur von außen gesehen und mich da schon gewundert: Warum ist das denn hier so schwierig? Die tollsten Ausstellungen, die ich da gesehen habe waren im Untergeschoss, Gregor Schneider, Thomas Schütte, Marcel Broodthaers. Also an der Wechselausstellungsfläche im Basement kann es kaum liegen. Aber die Räume in den Geschossen sind wirklich schwierig, weil es immer dieses Rein-Raus gibt. Was man auch nicht ändern kann ist die Piazza, die brauchen für unsere großen Empfänge, weil da bisweilen eben auch weiterhin Regierungsempfänge stattfinden. Wichtiger ist mir das Thema Zielgruppe. Ein anderes wichtiges Thema, es werden wieder Mitarbeiter mit ihren Büros ins K21 einziehen. Wir wollen wieder ein richtiges K21-Team aufbauen und dass dieses Haus wie ein selbständiges Museum funktioniert. Einen eigenen Leiter für das K21 wird es aber nicht geben. Wir werden dazu neue Büros einbauen. Wir werden auch einen sehr schönen Besucher-Raum mit Andreas Schmitten schaffen, eine Art Lounge mit WLAN-Anschluß, wo man einfach mal seine Sachen machen kann.
eis: was wird mit der Sammlung Ackermans?
S.G: die wollen wir verstärkt präsentieren. Da sind Werke von Schütte dabei, auch von Ruff und Mucha. Aber auch unsere Neuerwerbungen wollen wir zeigen: Akram Zaatari, Wael Shawky z.B. Außerdem werden wir das Dorothee und Konrad Konrad Fischer Archiv zugänglich machen. Es wird auch ein neues Leitsystem geben. Aber vor allem, müssen wir ein Programm machen, mit dem sich bestimmte Zielgruppen identifizieren können.
eis: und die Kunstakademie…?
S.G.: …nicht zu vergessen. Wir werden eng mit der Akademie zusammenarbeiten. Einmal im Jahr werden wir Meisterschüler und Meisterschülerinnen in einer großen Ausstellung vorstellen. Wir werden aber auch ein international attraktives Programm machen. Ja, zum Teil eher experimentell wie mit Lutz Bacher, aber dann wiederum auch sowas Etabliertes wie Cao Fei oder Jenny Holzer.
Wir müssen es schaffen, durch unser Programm eben genau die jungen Leute zu gewinnen. Mich interessiert hier jedenfalls die junge Kunstszene, die leider nicht mehr hierher kommt. Auf jeden Fall haben wir Ideen und die werden wir jetzt mal umsetzen und dann schauen wir einfach mal weiter.
eis: Seitenblick aufs Schmela-Haus.
S.G.: da stecken wir mitten in den Überlegungen. Deshalb kann ich Ihnen dazu im Moment nichts sagen. Im Herbst freue ich mich zunächst auf die schöne Schmela-Ausstellung zum hundertjährigen Geburtstag dieses großen Galeristen, vorbereitet übrigens von seiner Enkeltochter.
eis: die Kunstsammlung NRW wird daran gemessen, inwieweit sie international mitspielen kann.
S.G.: selbstverständlich.
eis: es ist das Aushängeschild des Landes in internationalen Gefilden. Die Staatsgalerie, die mit den großen Kunst-Häusern dieser Welt in einer Liga spielen soll.
S.G.: diesen Status müssen wir auf jeden Fall halten. Wir sind gleichrangig mit den großen Häusern der Welt – die Tate, dem Centre Pompidou, der Reina Sofia. Das soll so bleiben. Wir werden weiterhin im K20 Ausstellungen machen, die auf diesem Niveau agieren.
eis: werden auch wieder Ausstellungen in Düsseldorf konzipiert und von hier aus auf Tournee geschickt?
S.G.: sicher. Das wollen wir auch. Allerdings muss ich dazu sagen, dass es ein langer Vorlauf ist. Aber auch da sind auch schon konkrete Pläne vorhanden. Wir haben noch keinen Kurator, der speziell für die Klassische Moderne zuständig ist. Es ist meine Überlegung, ob wir nicht so jemanden einstellen.
eis: oh, wunderbar.
S.G.: eine Ausstellung zu George Braque ist in Vorbereitung, die wir dann gerne auf Reisen schicken möchten.
eis: da stehen Sie sicher in der Tradition Ihrer Vorgänger?
S.G.: sicher. Es gibt ja schönerweise wirklich ganz persönliche Beziehungen sowohl zu Armin Zweite als auch zu Marion Ackermann. Ich habe ja früher im Lenbachhaus in München gearbeitet. Dort habe ich Armin Zweite noch kennengelernt und war dort auch lange Kollegin von Marion Ackermann. Insofern fühle ich mich beiden sehr verbunden. Ich fühle mich auch der Schmalenbach´schen Tradition verpflichtet. Aber ich sehe auch, dass die Aufgabe des Museums heute allgemein eine Andere geworden ist. Ich glaube, da wird sich und muss sich etwas verändern.
eis: es gibt einen Gesprächskreis unter den neuen Museumsleuten hier: Da geht es auch um die Stadtentwicklung und -planung. Vom Atelierhaus an der Sittarder Straße über den Ehrenhof, den Grabbeplatz bis zum K21 am Schwanenspiegel. Sie kennen gut das Museumsquartier in München, sie kennen das Museumsufer in Frankfurt a.M. Was sind ihre Vorstellungen für die Kunstachse Düsseldorf?
S.G.: die städtebauliche Situation ist hier nicht optimal. Das hat auch der Oberbürgermeister längst gesehen und möchte ganz konkrete Verbesserungen erreichen. Wir Institutsleiter werden das sehr unterstützen. Mein besonderer Dorn im Auge ist der Grabbeplatz. Der ist nicht mehr zeitgemäß gestaltet. Er erscheint etwas abgenutzt, ich würde da gerne etwas umgestalten.
eis: auch den zugigen Eingang zur Kunstsammlung?
S.G.: ja, vielleicht sogar das. Aber zunächst geht es mir um den Platz davor. Deswegen finde ich es toll, wenn Herr Geisel vorhat, in einer größeren Maßnahme diesen ganzen Ring, vom Museum Kunstpalast über die Akademie, das K20 am Grabbeplatz über den Graf-Adolf-Platz bis zum K21, dann zum Rhein mit dem Regierungsviertel, aufzuwerten. Sie haben da eine Art Ellipse. Das finde ich eine super Idee, das alles endlich städtebaulich zu optimieren.
eis: zumindest ein Ideenwettbewerb ist auf den Weg gebracht.
S.G.: ich wünsche mir eine bessere Anbindung vom K21 zum Graf-Adolf-Platz und weiter zum Hauptbahnhof. Denn es ist ja schon so, dass man durch die Verkehrslage hier tatsächlich wie abgeschnitten ist. Das könnte man schon schöner und offener gestalten.
eis: sie wohnen mit ihrer Familie in Düsseldorf. Wie ist das Düsseldorf-Feeling?
S.G.: Schon ganz gut, auch wenn ich im Herzen eine Münchnerin bleibe. Aber wir sind sehr gerne in Düsseldorf. Die Kinder haben eine tolle Schule und fühlen sich wohl. Fürs Privatleben hatte ich aber bis jetzt noch nicht allzu viel Zeit.
eis: vielen Dank für das Gespräch!
Zur Information
Susanne Gaensheimer absolvierte 1995 bis 1996 das Independent Study Programme des Whitney Museum of American Art in New York. 1998 wurde sie mit einer Dissertation über Bruce Nauman promoviert. Ihre erste berufliche Anstellung als wissenschaftliche Volontarin erhielt sie an der Städtischen Galerie im Lenbachhaus München. Ein Jahr später wurde sie Direktorin des Westfälischen Kunstvereins in Münster, bevor sie 2001 wieder ans Lehnbachhaus wechselte.
Das Ständehaus am Kaiserteich wurde im Frühjahr 2002 zur Dependance der Kunstsammlung. Bis 1988 war das Gebäude Sitz des nordrhein-westfälischen Landtages. Vier Gebäudeflügel mit umlaufenden Arkadengängen umgeben den zentralen öffentlichen Platz des Hauses, eine weitläufige Piazza. Mit dem Umbau des Parlamentsbaus im historistischen Stil (1876-80) durch die Münchener Architekten Kiessler + Partner entstand eine moderne Bau mit Doppelfunktion: Kunstmuseum und Repräsentationsbau für Regierungsempfänge. Die Wechselausstellungsebene im Untergeschoss und die oberen Räume fassen insgesamt über 5.300 m².
Das Schmela Haus kam 2009 zur Kunstsammlung, nachdem sich Pläne, hier das Beuys-Archiv anzusiedeln, zerschlagen hatten. Der Bau des niederländischen Architekten Aldo van Eyck (1918-1999) war bei Eröffnung 1971 das erste eigens zu diesem Zweck errichtete Galeriegebäude der Bundesrepublik. Es wird derzeit zum Kauf angeboten.
Vom 8. September bis zum 9. Dezember präsentiert das UCCA (Ullens Center for Contemporary Art) im Tai Kwun Contemporary in Hong Kong eine Soloausstellung der chinesischen Künstlerin Cao Fei, kuratiert vom UCCA Direktor Philip Tinari. Neben einem neuen Auftragswerk durch das Tai Kwun Contemporary werden Werke der letzten zehn Schaffensjahre gezeigt. Cao Fei (*1978) ist eine international bekannte Medienkünstlerin, sie lebt und arbeitet in Beijing. 2016 wurde ihre erste Retrospektive um MoMA P.S.1 gezeigt, eine weitere folgt ab dem 6.10. im K21 in Düsseldorf.
Redaktionelle Mitarbeit Benita Ortwein
Lesen Sie auch:
Beste Wahl
Mein lieber Scholli!
Der große Wurf
engagiert
Risikokunst
Ratlos unter der Zirkuskuppel
Störung der Weltordnung
Venezianische Kulissen
Und Jimmy fand sein Glück
Damenwahl. Ohne Kraft | 50 Jahre Kunstsammlung NRW
Das geschliffene Zentralmassiv
Viel Wolke, wenig Kristall
Der tiefe Raum der Zweitklassigkeit
“…breaks down”. Oder…
Im Regen