Waldbiene sei wachsam

Eine Beuys Ausstellung in Craggs Skulpturenpark Waldfrieden

Und nun komm, Du alter Spaten!  Multiple aus der Sammlung Linde Rohr-Bongard

Erweiternd dieser Tage ist ein Besuch im Skulpturenpark Waldfrieden. Tony Cragg hat hier auf einem Hanggrundstück oberhalb von Wuppertal seit September 2008 den vielleicht schönsten Skulpturenpark weithin entstehen lassen, jedenfalls bietet er die bestmögliche Auseinandersetzung mit Außenskulpturen, internationale Positionen eingeschlossen. Erst kürzlich kamen drei kapitale Bilderhauerwerke hinzu von Bernhard Luginbühl wie von Sean Scully, dessen großartige Ausstellung in den Lockdown fiel.

Von Joseph Beuys dagegen gibt es weltweit keine einzige Außenskulptur. Sein Plan für den „Platz der Deutschen Einheit“ in Düsseldorf scheiterte an der Verwaltung.

 

Hut oder Wanne? Badewanne, 1961-1985, Bronze, Blei, Kupfer, doppelwandiger Guss, Detail

Trotzdem kann Tony Cragg mit einer  konzentrierten Ausstellung mit Beuys-Werken aufwarten und sich in den Jubliäumsreigen zu Beuys 100. Geburtstag einreihen. Zwei Hallen werden bespielt, die obere bleibt leer.

Hier oben, am höchsten Punkt des weitläufigen Terrains angekommen, ist man vielleicht schon etwas außer Puste, vom Anstieg wie auch von den vielen beeindruckenden Bildhauergiganten links und rechts des Wegs. Es bietet sich ein Blick ins gläserne Oval der oberen Halle. Ein Ausatmen, ein Innehalten, ein Fragezeichen: „Ach, Beuys! Wie war das noch mit dem Hasen und dem Eurasienstab? mit dem erweiterten Kunstbegriff? und erst der sozialen Plastik?

Wir sehen seine zarte Handschrift und die immer noch rätselhaften Linien und Zeichen auf den Schiefertafeln, „Kunst ist, wenn man trotzdem lacht…“, entziffern wir mit Vergnügen. Wir begegnen der “Capri Batterie” einem Energiebündel aus Zitrone und gelber Glühbirne, wir betrachten die rote Rose in der Vitrine, sehen den Tauchsieder in der engen Badewanne und wundern uns. „Ach Beuys, was ist bloß aus dir geworden, aus deinen Ideen und Wegweisungen?“

Die großen, großartigen Bildhauerbronzen von Tony Cragg im Waldfrieden jedenfalls, auch die von Kollegen wie Markus Lüpertz, von Thomas Schütte oder Thomas Virnich, Erwin Wurm oder Wilhelm Mundt, von Hede Bühl, Richard Deacon oder Miro sind so meilenweit von Beuys und seinem erweiterten Kunstbegriff entfernt, wie die Fettecke von, sagen wir, Distant Cousin aus spiegelblankem Edelstahl.

Tony Cragg kommt als Bildhauer aus einer ganz anderen Ecke, einer anderen, traditionelleren Schule. Sein Mentor ist der große britische Bildhauer Henry Moore (1898 bis 1986), der  also im gleichen Jahr wie Beuys verstarb. Moores Die Sitzende von 1957/58 hat in Craggs Skulpturengarten folglich einen Ehrenplatz erhalten. Sie ruht oder besser thront prominent direkt gegenüber der Villa Waldfrieden auf halber Höhe.

Es ist schon seltsam, oder sollen wir es mutig nennen, hier eine Beuys-Ausstellung auszurichten. Was Cragg zum Beuys-Jubiläum unter dem Slogan Perpetual Motion versammelt, über zwanzig Exponate aus den Sammlungen wichtiger Wegbegleiter des Künstlers ist sicher eine schöne Ehrbezeigung. Eine Vortragsreihe soll Anlass zu einer engagierten Neubefragung des Werks bieten. Doch was Cragg hier sonst an bildhauerischen Werken in seinem Park versammelt, widerspricht Beuys völlig und fundamental. Wenn da nicht ganz unten in der Ausstellungshalle, an der rückwärtigen Wand, ein bescheidener Spaten lehnte, Eschenholzstiel mit spitzem Eisenblatt. Der Spaten erinnert an die letzte große Beuys-Aktion 7000 Eichen. „Stadtverwaldung statt Stadtverwaltung“ betitelte Beuys 1982 seine Aktion halb lustig, halb provokant.

Zuvor, beim Anstieg durch den Skulpturenpark, kamen wir  an vielen Baumsetzungen oben beim ovalen Pavillon vorbei. Craggs Pflanzaktion zur Beuys-Ausstellung? Seine Hommage an Beuys´einzigartige Außenskulptur.  Stadtverwaldung im Waldfrieden: 75 Bäume, Amber, Walnuss, Winter-Linde, Feldahorn, Hainbuche, Zelkove, Süß-Kirsche und Tulpenbaum wurden hier neu gesetzt. Die extreme Dürre des letzten Sommers hatte an die 100 alte Fichten und Lärchen geholt. Zu den jungen Bäumen kommen 200 Sträucher, Weißdorn, Heckenrose, Blut-Berberitze, Eibe, Liguster, Kornelkirsche. Alles sorgsam ausgewählt. Resistent gegen die wiederkehrende Hitze und mit vielen Blüten und Früchten für Insekten und Waldtiere – das hätte Beuys gefreut.

 

Redaktion: Anke Strauch

 


 

Joseph Beuys – Perpetual Motion

Kuratiert von Corinna Thierolf und Tony Cragg, Assistenz von Cora Faßbender

28. März – 20. Juni 2021

 

HENRY MOORE – PLASTERS war vom 9. April bis 9. Oktober 2016 im Waldfrieden zu sehen

 

Oh my dear!

~ Von Carl Friedrich Schröer, 17.12.2020 ~ Über die Nähe der Bücher zur Kunst unserer Tage ist viel zu wenig gesagt worden. Der digitalen Revolution

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