Dem Hofgarten geht es an den Kragen

Verbaute Achse. Nicolas de Pigages 300. Geburtstag fällt mit der Entscheidung für ein neues Opernhaus im Hofgarten zusammen

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Mit Nicolas Pigage lässt sich in diesem Sommer ein bedeutender europäischer Architekt feiern, dessen sonderliches wie besonders schönes Hauptwerk im Süden von Düsseldorf steht: Schloss Benrath. Ein Geniestreich und Glücksfall, ein europäisches Kunstdenkmal – und weiß der liebe Himmel, warum es nicht längst Aufnahme ins Weltkulturerbe fand.

Mit Weitblick. Nicolas de Pigage wie ihn Anna Dorothea Therbusch-Lisiewska sah.

Am 3. August 1723 im lothringischen Lunéville geboren, am 30. Juli 1796 in Schwetzingen gestorben, wurde Pigage Schüler der bedeutendsten Architektenschmiede seiner Zeit, der Académie royale d’architecture in Paris, Jacques-François Blondel hieß dort sein Lehrer. Zu seinem 300. Geburtstag feiert die Nordrhein-Westfälische Landeshauptstadt ihren „großen Architekten, Gartenkünstler und Ingenieur“ mit einer Reihe von Vorträgen und Führungen. Ließe sich fragen, warum nicht auch der Stadtbaumeister Pigage gewürdigt wird. Denn auch als solcher hat er in Düsseldorf Spuren hinterlassen.

Die „Maison de Plaisance“, auf Veranlassung des pfälzischen Kurfürsten Carl Theodor zwischen 1755 und 1770 am Niederrhein errichtet, fand mit diesem Bau und seinen Gärten eine eigenwillige, wie vollkommene Gestalt. Zum Glücksfall Benrath zählt, dass sich dieses vornehme, beinah zierliche, erstaunlich geräumige Schloss über die Zeiten erhalten, oder sollte man sagen, gerettet hat. Denn noch lange blieben Schlossflügel und Torhäuser durch die Feuerwehr und ein Gymnasium genutzt, bevor man sich im Jahr 2000 durchringen konnte, im maroden Ostflügel ein Museum für europäische Gartenkunst einzurichten. Die Stiftung Schloss und Park Benrath leitet heute das Corps de Logis (Hauptgebäude), das Gartenkunstmuseum (Ostflügel) und das Museum für Naturkunde (Westflügel) und führt nun auch die Veranstaltungen zu Pigages Jubiläum an.

Klassisch Weiß nicht Rokoko Rosa. Schloss Benrath in einer zeitgenössischen Ansicht von Carle Vernet, 1806, Detail

Es hätte kaum einen besseren Ort und günstigeren Zeitpunkt für den Eröffnungsvortrag geben können. Frank Maier-Solgk, der renommierte Autor zu Architektur- und Gartenkunstthemen, sprach ausgerechnet in der Volkshochschule, einem entsetzlich unwirtlichem Bauklotz hinter dem Hauptbahnhof „Über die allmähliche Auflösung der Architektur – Nicolas Pigage und sein Werk.“

Die Achse, hier auf einem Plan des alten Hofgartens. Aquarellierte Federzeichnung aus dem Stadtarchiv Düsseldorf von 1775

Überaus kenntnisreich und auf hohem Niveau unterhaltsam stellte Maier-Solgk heraus, wie es Pigage gelang, „auf kleiner Fläche eine abwechslungsreiche Abfolge von Räumen“ zu entwerfen, die sich in einer idealen Gartenarchitektur schier auflösten. Das Mit- und Ineinander von Baukörper und Gärten, der „private Charakter“, die „gesuchte Abgeschiedenheit“ bei aller Finesse und hoch entwickelter Architektursprache, das sei Genie und Markenzeichen Pigages. Vergleichende Bauten, etwa das Badhaus (1768 bis 1772) im Schwetzinger Schlosspark oder Schloss Bagatelle stellte er Schloss Benrath an die Seite. François-Joseph Bélanger und dem schottischen Gärtner Thomas Blaikie gelang es, die Schloss und Garten im Süden von Paris in nur 64 Tagen herzurichten und zu bepflanzen. Die Arbeiten begannen am 21. September 1777 und wurden rechtzeitig für die am 26. November vorgesehene Einweihung fertig. Ein Beispiel vielleicht auch für Bauten der öffentlichen Hand von heute.

Maier-Solgk zog auch eine Linie zu Neubauten. Der neue Breidenbacher Hof in der Düsseldorfer City etwa umfasst 93 Zimmer, das wesentlich elegantere Schloss Benrath 86. Wenige Wochen nach der Entscheidung, ein neues Schloss zu errichten, wurde die Baustelle in Benrath im Frühjahr 1755 eingerichtet. Das dürfte bei der neuen Oper länger dauern.

Am Tag des Eröffnungsvortrags zu den Pigage-Festivitäten hatte Düsseldorfs OB Stephan Keller (CDU) die Standtortentscheidung für den Neubau des „Opernhauses der Zukunft“ öffentlich gemacht. Er soll, wie das alte Opernhaus im Hofgarten zu stehen kommen. Nur viel größer, versteht sich. Fast alle Neubaupläne kragen bisher weit in den Hofgarten hinein. Bis zu 22 Metern tiefer breitet sich u.a. ingenhoven associates Entwurf in die historische Parkanlage aus. Eine Baustelle, die geschätzte 716 Millionen bis 3 Milliarden Euro kosten und sich über wie viele Jahre hinziehen wird, lässt die Befürchtung aufkommen, „Jetzt geht es dem Hofgarten an den Kragen“.

Aktueller Stadtplan Düsseldorf mit barocker Achse vom Jägerhof zum Rathaus

Hier kommt der Stadtbaumeister Pigage ins Spiel. Denn dieser Architekt hat mit dem Schloss Jägerhof (1752 bis 1763) und dem Hofgärtnerhaus nicht nur zwei feine Beispiele seiner Könnerschaft in Düsseldorf hinterlassen und mit dem Hofgarten 1769 die erste öffentliche Promenade in Europa geschaffen, sondern auch eine bedeutende Achse von eben jenem Jägerhof bis zum Reiterstandbild des Jan Wellem auf den Marktplatz angelegt. Diese wahrlich barocke, gut 1,7 Kilometer lange Achse verläuft haarscharf am Opernhaus vorbei. Sollte man den ausladenden Entwürfen zum Opernhaus der Zukunft trauen dürfen, wird der Neubau diese Achse tangieren, nein er wird sie stören und zwar empfindlich.     

Schon der nächste Vortrag „Nicolas Pigages Düsseldorfer Hofgarten – ein Meilenstein in der Geschichte urbaner Parkanlagen“ wird hier mehr Aufschluss bieten. Stefan Schweizer, Kunsthistoriker und wissenschaftlicher Vorstand der Stiftung Schloss und Park Benrath, wird dieses Mal (31. Mai) in situ sozusagen, im Hofgärtnerhaus (heute Theatermuseum) Stellung beziehen.

C. F. Schröer


Zum 300. Geburtstag von Architekt, Gartenkünstler und Ingenieur Nicolas Pigage
hier geht es zum Programm

Ideenwettbewerb zum “Opernhaus der Zukunft
Link

Schloss und Park Benrath
Museum für Gartenkunst
Sonderausstellung: Neozoen. Tierische Neubürger & einheimische Exoten
Sonderausstellung: Der Hambacher Forst und der Preis unserer Energieversorgung

Neuerscheinung
Green Fields von Frank Maier-Solgk
Ein aktueller wie lesenswerter Überblick über „Skulpturen in natürlichen Räumen“.


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