Maecenas-Ehrung für die „Ausstellungsmäzenatin“ Monika Schnetkamp
Endlich ist Nike gelandet. Noch steht die geflügelte Siegesgöttin in Form einer schwerbronzenen Trophäe wie verloren auf ihrem Sockel zwischen den ein paar tausend Jahre jüngeren Kunstwerken der aktuellen Ausstellung Bodies, Grids and Ecstasy im Kai10.
Im Laufe des Abends, nach zahlreichen, wohlmundigen Grußworten und Laudationes, Gesang und Klavier wandert Nike, auch als Rolls-Royce Kühlerfigur Spirit of Ecstasy („Geist der Verzückung“) bekannt, zielsicher in die Hände von Monika Schnetkamp, der Preisträgerin der Maecenas-Ehrung zur Würdigung und Anerkennung mäzenatischen Handelns. 39 alteingesessene Kultureinrichtungen zwischen Bayreuth und Stendal, zwischen Berlin und Rom, alle lose im AsKI zusammengeschlossen, loben den Ehrenpreis jährlich aus.
Dankwort der Preisträgerin. „Es ist ein Moment des Innehaltens, zurückzublicken, aber auch den Blick nach vorne zu richten,“ sprach die sichtlich gerührte, dabei selbstbewusste, in langen Wellen planende, weit vorausschauende Unternehmerin, Stifterin, Mäzenatin, die mit den Jahren seit der Gründung ihrer Arthena GmbH nolens volens auch zur Kulturpolitiker wurde. Doch sprach hier vor allem eine von Kindertagen an Kunstbegeisterte. „Die Kunst ist aber meine ganz große Leidenschaft, dafür brenne ich.“
Innenhalten ist sonst ihre Sache nicht. Ecstasy wird bei ihr durch Grids (Netzwerke) und Bodies (Büros in Oldenburg und Düsseldorf) gesteigert und zu einer schlagkräftigen Unternehmung ausgebaut. Wer ihren ganz eigenen Ehrgeiz und ihre subtile Durchsetzungskraft unterschätzt, wird sich wundern. Alles andere als Phantoms and Other Illusions, so der Titel der letzten erfolgreichen Ausstellung, hat sie im Sinn. Monika Schnetkamp hat Betriebswirtschaft und Kunstgeschichte studiert, ließ sich zudem als Mezzosopranistin ausbilden, übernahm 2002 als geschäftsführende Gesellschafterin die elterliche Firma, 2004 wurde sie Gesellschafterin von Knab International Art Movers, 2005 gründete sie in Oldenburg die Arthena GmbH, 2008 den Kunstraum Kai 10.
Eine Entscheidung für Düsseldorf. „Weltoffen und total neugierig, das ist das Rheinland!“ weiß die Preisträgerin zu schwärmen. Die Räume befinden sich in einem ehemaligen, in den 1950er Jahren errichteten Speicher im alten Düsseldorfer Rheinhafen („Medienhafen“). Dort wird aber keineswegs die umfangreiche, bisher unsichtbar gebliebene Sammlung Schnetkamp (über 1000 Werke) in wechselnden Ausstellungen ausgebreitet. Der Clou dieser Foundation ist es, das Format Ausstellung selbst in den Mittelpunkt der Arbeit zu stellen. Auf über 600 qm Ausstellungsfläche wurden bisher 40 Gruppen- und Themenausstellungen mit über 270 Künstlerinnen und Künstlern gezeigt. Auch wirkt Schnetkamp hier nicht selbst als Kuratorin, sondern hat erst in Zdenek Felix, später in Julia Höner (seit einem Jahr leitet sie das Kunstmuseum Gelsenkirchen) und aktuell Ludwig Seyfarth namhafte Ausstellungsleiter engagiert. Sie selbst beschränkt sich auf die Rolle der „Gastgeberin“ und bestimmt doch, backstage, als „Kassenwart“ und Generalmanagerin die Geschicke dieser privaten Kunstinstitution.
Dem virtuellen Raum, wie ihn die ausufernde digitale Welt bietet, wird hier eine leibhaftige, wirkliche Begegnung mit Kunstwerken entgegengesetzt. Wer sinnliche Erfahrung zur Kunst der Gegenwart sucht, für den ist Kai 10 eine erste Adresse. Überdies gelangen hier shooting-stars der nächsten Generation auf die Startrampe. Allerdings stets in thematisch gebundenen, intellektuell anspruchsvoll Gruppenausstellungen. Auch das ist eine Besonderheit, fast schon eine Seltenheit. Denn Monika Schnetkamp meint es mit der Kunstvermittlung, auch mit dem Bildungsanspruch ernst. Laue Lüftchen, sanfte Brise, mag sie weniger. Freier Eintritt zu allen Veranstaltungen selbstverständlich. Eine stetig wachsende Publikationsliste umfasst inzwischen mehr als 37 Titel, Führungen, Vorträge, Diskussionen, Symposien obendrein.
„Publish Now!“ heißt ein neues Förderstipendium, das erstmals zum Jahreswechsel 2023/24, Künstlerinnen und Künstler unterstützt, die in besonderer Weise das Medium Buch im Hinblick auf die eigene Arbeit reflektieren oder die ihr Werk in einer ersten monografischen Publikation veröffentlichen möchten.
Womit wir beim Blick nach vorne wären. Die Unternehmerin hat Pläne, sogar große, weitreichende. „Dazu brauchen wir Platz, Platz, Platz“. Die vor ihr sitzende Düsseldorfer Dezernentin für Integration und Kultur, Miriam Koch, sackte in ihrem Stuhl leicht zusammen: Schnetkamp will das ganze Haus. Im Speicher nebenan sitzt noch die Filmstiftung NRW. Die soll endlich weichen. Schnetkamp will das Haus erwerben und ausbauen, das Grundstück von der Stadt pachten. Von Düsseldorf aus, über Düsseldorf hinaus soll der „interkulturelle Austausch“ gestärkt werden. Gerade in Zeiten „da die geopolitischen Allianzen auseinander zu brechen drohen,“ sprach eine Preisträgerin, die sich um den Zusammenhalt der internationalen Gesellschaft sorgt und allen Auflösungserscheinungen mit erhöhtem Einsatz und Engagement entgegenstemmen will.
Da kommt ihr die Maecenas-Ehrung gerade recht. Oder kommt Nike ins Haus geflattert, um die Ambitionen der Mäzenatin gegenüber der Kulturpolitik zu beflügeln? Vor allem „Künstlerräume“ einzelner ausgewählter Künstler und Künstlerinnen soll dort Raum geschaffen werden. Entsprechend der erfolgreichen Installation des Berliner Künstlers Thomas Zipp im Palazzo Rossini zur Venedigbiennale 2013 sollen Künstler eingeladen Installationen zu erarbeiten und zu zeigen. Dazu soll ein Artist in Residenz-Programm mit ca. vier Ateliers aufgelegt werden. Die Ausweitung der Ausstellungsfläche um das Doppelte ist in Sicht. Mit gut 1200 Quadratmetern läge das Kai 10 knapp hinter Philara in Flingern.
Koch versprach die Zusage der Stadt Düsseldorf noch für dieses Jahr. Monika Schnetkamp denkt schon weiter. Eine „Kunstmeile am Rhein“ wäre ihr neuer Leitstern für die Kunststadt Düsseldorf. Die reichte weit über eine Meile hinaus vom Kunstpalast über K20, Kunstverein und Kunsthalle am Grabbeplatz, zum Burgplatz mit der Akademie-Galerie, weiter zum KIT an der Rheinuferpromenade und schließlich bis zum neuen Kai 10.
Nike trifft auf Athene, die eigentliche Göttin des Hauses. Athene, die zum Kampf Gerüstete, Förderin des Kunsthandwerks, Göttin der Weisheit und der Wissenschaften, Lenkerin von Pferd und Wagen, Erfinderin des Flötenspiels, wurde von Schnetkamp zur Schutzpatronin ihrer Arthena Kunststiftung erkoren. Für ihren Mut und ihre Weitsicht kann man Monika Schnetkamp nur gratulieren – und Düsseldorf zu ihrer Mäzenatin. Denn eines stünde der Kunststadt Düsseldorf gerade jetzt besonders gut zu Gesicht: Mehr sorgfältig kuratierte Kunst, mehr internationale Zusammenarbeit und mehr Ecstasy: Feuer, Glück, Überzeugung, Dynamik, Freude, Idealismus, Begeisterung, Leidenschaft, Faszination, Erregung, Passion, Rausch, Schwung, Jubel. Applaus von allen Seiten.
C. F. Schröer
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Zdenek Felix – die ganze Geschichte