Wie der Künstlerverein Malkasten ausgehöhlt wird

Putsch von oben

Droht das PARK AUS? – Blick in die Ausstellung im „Parkhaus“ von Leni Hoffmann und Manuel Franke

Die Ausgangslage ist dünn. Auf einer gewohnt schlecht besuchten Mitgliederversammlung vom 23. April 2018 brachte der Vorsitzende des Künstlervereins Malkasten, Robert Hartmann, spät, unter Tagesordnungspunkt 12, eine „Ermächtigung“ zur Abstimmung: „Der Vorstand wird ermächtigt, mit der Gerda Henkel Stiftung einen Erbbaurechtsvertrag über eine noch zu bildende Parzelle im Bereich des Herz´schen Hauses zu schließen.“ 52 Mitglieder (von gut 300 Künstlern und 130 außerordentlichen Mitgliedern) befanden sich da noch im Saal. Der Antrag fand eine große Mehrheit (44 Stimmen bei vier Gegenstimmen und vier Enthaltungen). Die Abstimmung erfolgte per Handzeichen. Auch nicht stimmberechtigte (außerordentliche) Mitglieder haben mit abgestimmt, wie Anwesende bemerkt haben.

Warum dies die einzige Abstimmung des Künstlervereins ist, zu der es bislang im Zuge der gesamten Neubauvorhaben im Jacobigarten gekommen ist, ist Teil des Plans.

Aus der „noch zu bildenden Parzelle“ sind mittlerweile, keine 14 Monate später, vier Neubauten geworden: Ein neues Gebäude für die Gastronomie, eines für Ausstellungen, ein weiteres für ein Archiv mit angeschlossener Toilettenanlage, insgesamt gut 600 Quadratmeter Neubauten, die der Malkastenverein anstelle der sog. Annexbauten in den eigenen Jacobigarten setzen will. Dazu ein Neubau für Büros von 284 qm Grundfläche, die die Gerda Henkel Stiftung (GHS) in eigener Regie (Architekt ist hier T3 aus Köln) errichten will. Diese vier Neubauten, so die Planungen des Vereinsvorstands, können allerdings nicht entlang der Grundstücksgrenze errichtet werden, sondern mit einem Versprung von 3,80m tiefer in den Jacobigarten hinein versetzt.

Ob man über diese doch umfangreichen Bauvorhaben nicht die Mitgliederversammlung hätte befragen müssen, ist Teil der Diskussion, die sich nun entzündet hat. Ohne der Mitgliederversammlung die Gelegenheit zu Aussprache und Abstimmung zu geben, gleicht das Verfahren einem Putsch des Vorstands gegen den eigenen Verein. Er ist von langer Hand vorbereitet.

Ein Streit darüber ist weit über den Künstlerverein hinaus entbrannt und hat auch den Vorstand entzweit. Stefan Kürten, bis vor kurzem Professor für Malerei an der Kunstakademie Düsseldorf, hat den Vorstand genau wegen der vielen „Ungereimtheiten“ verlassen.

In den alten „Annexbauten“ hat das „Parkhaus“ eine Nische gefunden. Dieses unabhängige, aber weithin beachtete Ausstellungsprojekt wurde im Sommer 1997 von Jost Wischnewski, Gregor Russ und Karl Heinz Rummeny gegründet. In beispielhafter Weise ist es Rummeny, der diesen ca. 40 Quadratmeter großen Off-Raum seit 2008 weiterführt, gelungen, das alte Gartengebäude zu einer experimentellen Plattform zu machen, das regelmäßig vor allem jungen Künstlern und Künstlerinnen eine hervorragende Ausstellungsebene bietet. Gegen den Abriss des Parkhauses erhebt sich Protest. Knapp 400 Unterschriften unter einer Petition „Es rollen bald die Bagger an und dann ist das Parkhaus als Ort der künstlerischen Selbstbestimmung perdu“ kamen schnell zusammen, darunter Kunsthallenchef Gregor Jansen sowie die Professoren Tony Cragg, Gregor Schneider, Marcel Odenbach, Thomas Grünfeld, Peter Doig, Robert Fleck und Katharina Sieverding, aber auch Stefan Kürten, Katharina Fritsch, Sascha Prystawik, Peter Josef Abels und Angela Fette, Gerd Schäfer, Brigitte Dams, Markus Ambach, Helmut Schweizer, Gertrud Peters, Markus Karstieß, Anne Schülke, Rosilene Luduvico und Katharina Schmitt. Von so viel Zuspruch kann der Künstlerverein selbst nur träumen.

Der Einspruch der Künstler zeigt Wirkung. Die GDS will ihr Engagement angesichts des breiten Protestes überdenken. Hartmann reagierte mit einem Offenen Brief an prominente Unterzeichner wie Gregor Jansen und Gertrud Peters, aber auch an den Prorektor der Kunstakademie Robert Fleck und deren ehemaligen Rektor Tony Cragg. Hartmann verbat sich darin jede Einmischung, sah sich aber veranlasst, zu einer ersten Diskussion über die Vorhaben einzuladen (12. Juni). Sein Offener Gegenbrief dürfte aber auch ein Schuss nach hinten gewesen sein. War der Malkasten einst von der Créme der Düsseldorfer Malerschule gegründet worden, sind nun auch die letzten Bande zur Kunstakademie abgebrochen. Kürten, Fleck und Cragg sind schon weg.

Das Parkhaus ist Hartmann schon lang ein Dorn im Auge. Es weist auf das fortschreitende Dilemma des Künstlervereins Malkasten hin. Während ein kleiner, unabhängiger Ausstellungsraum am Rande des Jacobigartens wachsenden Zuspruch bei einer jungen, international orientierten Kunstszene findet, vergreist der Künstlerverein immer mehr und wird auch immer provinzieller.

Die Petition erreichte den Künstlerverein und die Gerda Henkel Stiftung, sie ging auch an die Regierungspräsidentin, den Oberbürgermeister und den Kulturdezernenten. Ob sie den Protest auch erstnehmen? Manfred Morgenstern, allerdings, nach dem Ausscheiden aus dem Dienst als Staatssekretär für Bauen und Wohnen der letzten rot-grünen NRW-Regierung im Wirtschaftsbeirat des Malkastens aktiv, ist vehementer Verteidiger der Bauvorhaben. Welche Rolle bei der Transaktion die im Sommer 2012 gegründete „Stiftung Malkasten“ spielt? Ernst&Young-Mann Morgenstern ist in dieser Stiftung neben Friedrich W. Rogge (Ex-Sal. Oppenheim) stellverstretender Vorsitzender, Hartmann hält auch hier den Vorsitz.

Das Bitterste bei allem ist vielleicht der Ungeist, der sich in diesem Künstlerverein eingenistet hat. Der Versuch des Vorstands, derart umfangreiche und in die Substanz des Gartens eingreifende  Baumaßnahmen an den Mitgliedern vorbei zu schleusen, sie weder im Kreis der Mitglieder offen zu diskutieren, noch darüber abzustimmen zu lassen, ist zumindest ungewöhnlich, wenn nicht auffällig. Was steckt dahinter? Wo hat man ein derart großes Misstrauen des Vereinsvorstands gegenüber seinen eigenen Mitgliedern je gesehen? Es liegt bisher weder eine umfassende Information über die Bauvorhaben und die damit verbundenen finanziellen Risiken vor, noch sind die baurechtlichen, denkmalpflegerischen und feuerpolizeilichen Auflagen bekannt. Weder gibt es Angaben über die Höhe der Baukosten, noch über die Bauzeit, nur schwammige Angaben über die künftige Nutzung der Neubauten. Die Protokolle der letzten Mitgliederversammlung werden den Mitgliedern vorenthalten, ebenso wie ein Mitgliederverzeichnis oder die Vereinssatzung auf der Webseite.

Es wurden bisher weder Alternativen zum Komplettabriss der Annexbauten vorgestellt, noch Alternativen zu den Entwürfen oder zur möglichen Nutzungen dieser Gebäude. Auf der Diskussionsveranstaltung wurde darum auch nicht offen gelegt, dass der Bauantrag für die Neubauten längst beim Bauamt eingereicht ist.

Die Ermächtigung zur Erbpacht und der Dreh über die Henkel Stiftung kam offenbar nur zustande, um die Mitgliederversammlung zu überspielen. Dabei zählt es zur besten Tradition des 1848 gegründeten Künstlervereins, wie er sich mehrfach aus finanziellen Klemmen selbst befreite, nämlich durch die Spenden der Künstler, durch Versteigerung gespendeter Kunstwerke. Und warum wurde im aktuellen Fall dieser Weg nicht beschritten? Es kann nicht allein das Misstrauen gegenüber den eigenen Künstlern sein.

Hartmann ist bald zwanzig Jahre im Amt (1. Vorsitzender). Sein Führungsstil: hartnäckiges Schweigen, Geheimniskrämerei, Einschüchterungen. So macht man Mitglieder, denen man Informationen nur häppchenweise zukommen lässt oder besser gar nicht, mundtot, man schüchtert sie ein und erstickt aufkeimenden Widerspruch. Aber man sät damit Misstrauen, Streit und Zwietracht.  Die „Ruinen“ jedenfalls, von denen der Vorstand während der Diskussion im Malkasten mehrfach sprach, saßen ganz vorne.

Die bestens beleumundete Gerda Henkel Stiftung (Sitz in der Malkastenstraße 15, ausschließlicher Stiftungszweck ist die Förderung der Wissenschaft) wird sich fragen, ob sie zum Handlanger solcher Machenschaften werden will. In einem Vertrag hat sie sich gegenüber diesem Künstlerverein überaus generös gezeigt und verpflichtet, eine Million Euro dem Verein über Umwege zu spenden. Zweckgebunden: für Neubauten, für die nie ein echter Bedarf ermittelt wurde und schwer in den Jacobigarten eingreifen.

Der Jacobigarten ist kein Bauland

Selbstverständlich steht der Jacobigarten als ein bedeutendes gartenkünstlerisches wie kulturhistorisches Denkmal unter Denkmalschutz. Der Künstlerverein hat sich seit 1860 in seiner Vereinssatzung das positive Vereinsziel gesetzt, den Jacobigarten „in seiner Unversehrtheit“ zu erhalten. Ob die Reihe der neuen, fantasielosen Kuben dies gewähren, wird u.a. die Gartendenkmalpflege entscheiden müssen. Selbstverständlich ist auch der Wert des Gartens als Grünanlage inmitten der Großstadt zu schützen. Wieviel Bäume werden fallen? Gerade in dem Moment, wo die Stadt Düsseldorf erfreuliche Anstrengungen unternimmt, sich im Zuge des Blau Grünen Rings auf die Geschichte der Stadt als „Gartenstadt“ zu besinnen, will der Malkastenvorstand seinen Jacobigarten behauen? Welch eine Vermessenheit.

Der Künstlerverein Malkasten hat den Jacobigarten einst unter seine Obhut genommen und ihn bislang vor jeder Parzellierung und Entstellung bewahrt. Das ist der schönste Stolz in der langen Geschichte dieses Vereins und vielleicht sein bestes Überlebenselixier. Warum er diesen Garten nun ausgerechnet selbst bebauen will?

 

Benefiz für Haus Ethiopia. Kunstauktion im „Parkhaus“, Charly Rummey am Fenster links
Anstoßen! Robert Hartmann (rechts) mit Robertino Wild vor dem „Malkasten“

 

 

 

 

 

 

 


 

Zum Jacobigarten

Der Jacobi-Garten ist die älteste Gartenanlage, die sich in Düsseldorf erhalten hat. Von den Wiesengründen und Gärten, die sich bis ins 20. Jahrhundert hinein entlang der einst frei mäandernden Düssel zeigten, haben sich allein zwei erhalten können: der 1769 als öffentliche Promenade angelegte “Neue Hofgarten” (Entwurf: Nicolas de Pigage) und der Jacobi-Garten.

Die Anfänge der “alten Pempelforter Gärten” am nördlichen Düssellauf liegen im frühen 18. Jahrhundert als zuerst Georg Christoph Fahlmer, in dessen Nachfolge Johann Conrad Jacobi nach und nach mehrere Parzellen entlang der Düssel erwarben. Seit über 280 Jahren befindet sich der Garten in privater Hand. Als “Pempelforter Musenhof” wurde er im literarischen Deutschland später bekannt. Wieland, Goethe und weitere bedeutende Mitglieder der deutschen Aufklärungsgesellschaft weilten bei Jacobi zu Besuch. So gilt der Garten als Werk des Literaten und Popularphilosophen Friedrich Heinrich, gen. Fritz Jacobi (1743-1819).

In die Schaffenszeit der Jacobis fällt die für die Geschichte der Gartenkunst aufschlussreiche Umbruchphase vom Barockgarten zum Landschaftspark, ein Stil- und Geschmackswandel, der auch “Gartenrevolution” genannt wird. Dieser Wandel des Geschmacks vollzog sich vor dem Hintergrund der politischen Umbruchsituation vom Absolutismus zur aufgeklärten Bürgergesellschaft mit der Französischen Revolution als Kulminationspunkt. Entsprechend der zugespitzten politischen Formel „Freiheit statt Absolutismus“ sollte die Gartenkunst bald zum Ausdruck und Bekenntnis entweder der regelmäßig-französischen oder der landschaftlich-englischen Richtung werden.

Fritz Jacobi, der Düsseldorfer Kaufmannssohn, homme des lettres, Dilettant in allen Fragen der Kunst und des Lebens, bezieht schriftstellerisch (Der Kunstgarten, 1781) und bald auch als Gartengestalter in dieser leidenschaftlich geführten Diskussion Stellung. Der Garten in Pempelfort wird für die Dauer von zwanzig Jahren Ausdruck einer leidenschaftlichen Auseinandersetzung mit Jean-Jacques Rousseau (1712-78). Besonders der versteckte Garten der Romanheldin Julie, wie ihn Rousseaus in seinem Briefroman Julie où la Nouvelle Héloise eindrucksvoll beschreibt, wird zur Vorlage für Jacobis eigenem Garten. Das Landgut an der Düssel wird zu einem frühen Beispiel der Rousseaubegeisterung in Deutschland.

Julies abgeschlossenes Elysium, so beschreibt es Rousseau, besteht aus einem höher gelegenen, ebenen Gelände, wo alte Obstbäume stehen, es senkt sich nach einem Auental, wo Blumen sprießen und die Vögel wohnen. Hier schlängelt sich ein Bach, von mehreren kleinen Wasserläufen gespeist, zwischen zwei Reihen alter Kopfweiden hindurch, um in ein Bassin zu münden. Dahinter erhebt sich als Abschluss ein Hügel, der so mit Bäumen und Büschen verschiedener Höhe bepflanzt ist, dass ihre Wipfel eine fast horizontale Fläche bilden. – Eine Schilderung, die Jacobi an das eigene Landgut in Pempelfort erinnert haben wird. Wie Julies versteckter Obstgarten zu einer Musterwirtschaft gehört, so verwandelt Jacobi das väterliche Gut in eine versteckt liegende ferme ornée. Lust und Nutzen werden im Pempleforter Philosophengarten versöhnt. Einen Landschaftsgarten lässt erst Jacobis Sohn Georg (vermutlich unter Beratung von Wehye) im 19. Jahrhundert entstehen.

Der Jacobische Garten hat sich in seiner Substanz erhalten. So der durch den Garten mäandernde Lauf der Düssel, die hier noch einzig offen (d.h. nicht kanalisiert) fließt, das Landhaus selbst und die Nord-Süd Ausrichtung der großen Gartenachse.

Gartendenkmalpflege stand nicht immer hoch im Kurs als des Künstlervereins, seitdem er das Gelände 1860 übernahm und den Garten zuvörderst für seine Redouten und Künstlerfeste nutzte. Doch ist es das große Verdienst des Künstlervereins, diesen Garten bis heute in seiner Gänze erhalten zu haben.

Nach schweren Kriegsverwüstungen wurde der Garten in den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts von Roland Weber in reduzierter Form als Landschafts- und Gesellschaftsgarten wiederhergestellt. Dem Garten kommt als einem frühen und eigenständigen Beitrag zur Entwicklung der bürgerlichen Gartenkultur in Deutschland ein hoher kunsthistorischer Rang zu. Bis heute harrt dieser einzigartige Garten aus dem 18. Jahrhundert seiner Wiedererweckung als einmaliger Ort der Gartenkunst.

 

 


 

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