Königin der Karteikästen

Renate Buschmann verläßt das imai und wird Professorin für Digitale Künste und Kulturvermittlung

Queen of Between  – Renate Buschmann

Immer wieder fiel das Stichwort „between“, erinnert sich Renate Buschmann an ihre Anfangsjahre in Düsseldorf als sie Volontärin der Kunsthalle wurde. Ging es in Team-Besprechungen um unkonventionelle Methoden des Ausstellens oder um die Aktualisierung des Programms durch Gegenwartskunst, kam die Rede schnell auf die sieben between-Ausstellungen, die in der Kunsthalle von 1969 bis 1973 für Furore gesorgt hatten. Was war damals abgegangen?

Kataloge gab es keine. Doch die Neugierde der Volontärin (1993 bis 1995) war geweckt. 2002 war ihre Doktorarbeit als „Chronik einer Nicht-Ausstellung“ abgeschlossen. Antje von Graevenitz (Uni Köln) hatte ihre Studentin ermutigt, über die längst legendäre Ausstellungsfolge zu forschen – damals Neuland.

Die überaus lesenswerte Dissertation ist mehr als eine saubere Rekonstruktion der „ereignisorientierten Ausstellungsfolge“, sie öffnet den Blick auf einen heute aktuellen Ansatz von Ausstellungen mit „erweitertem Handlungsraum der Besucher.“

Between sollte auch darüber hinaus zu einem Leitbegriff der Karriere der nun promovierten Kunsthistorikerin werden. Erst einmal wechselte sie in den Kunsthandel, leitete die Galerie Hete Hünermann im Ratinger Tor, arbeitete als freie Mitarbeiterin für Klaus Staecks „Intermediale“, es folgte ein Abstecher ins Fotoarchiv. Das Buchprojekt „Fotos schreiben Kunstgeschichte“ aus den Beständen des 2003 gegründeten Archivs künstlerischer Fotografie der rheinischen Kunstszene, AFORK, weitete sich bald zu einem Atlas, der die einzigartige künstlerische Aufbruchphase im Rheinland seit 1960 vor Augen führt. Mitautorin Anne Rodler hat den Kunstpalast kürzlich verlassen. Die Zukunft des AFORK ist ungewiss.

Buschmann kehrte 2007 vorübergehend an die Kunsthalle zurück. Ulrike Groos hatte die Idee, die betweens zum 40jährigen Jubiläum der KHD wieder erstehen zu lassen. Buschmanns Promotion wurde in eine Ausstellung rückübersetzt, am Originalschauplatz überdies, wo die betweens vier Jahrzehnte zuvor über die Bühne gegangen waren. Der „Nebel Raum“ von Gotthard Graubner fand da ebenso eine Wiederaufführung, wie das „Riesenbillard“ von Haus-Rucker Co. und selbst Anatols Aktion „Zyklus der Blauen Schmetterlinge“ konnte so gut das Aktionen zulassen, rekonsturiert werden.

Auch an „Eating the Univers“, der heute schon legendären Ausstellung zur Eat Art beteiligte sich Buschmann. Dann folgte 2008 der Ruf ans imai.

Endlich Direktorin

In neuen Regalen. Blick ins imai-Archiv

Auf Initiative der Kölner Medienkunstagentur “235 Media” und der Landeshauptstadt Düsseldorf 2006 gegründet, repräsentiert das Inter Media Art Institute deutsche und internationale Videokunst ab den 1970er Jahren und umfasst heute 3000 Bänder in mindestens zehn unterschiedlichen Formaten.

Es ist die einzige Einrichtung dieser Art in Deutschland. Ihren Sitz nahm die Stiftung im NRW-Forum. Prima Adresse. Doch befanden sich die paar kleinen Diensträume allesamt im Untergeschoss.

Ihre zwölf imai-Jahre musste Buschmann beinahe „im Keller“ des NRW-Forums fristen. Kein Tageslicht, keine Präsentationsräume, kaum Publikum. Buschmann blieb und kämpfte sich unverdrossen nach oben.

3000 Bänder, ungezählte Verschlagwortungen 

Unterdessen baute sie die Plattform, die sich die Erhaltung, den Vertrieb und die Vermittlung von audiovisueller Kunst zur Aufgabe gemacht hat, aus. Inzwischen kann die Sammlung auf rund 3000 künstlerisch und dokumentarisch wertvollen Video-Arbeiten zurückgreifen. Ausstellungen wurden organisiert und auf Nachfrage die Archive geöffnet. Buschmann schaffte es, mehr als 1300 Werke ins Internet zu stellen, wo sie in voller Länge über den imai-Online-Katalog kostenlos abspielbar sind.

Das Archivieren und Vernetzen, die Erhaltung der Video-Speichermedien und die Vermittlung waren lange Buschmanns Hauptanliegen. Heute ist das Medienkunstarchiv vollständig digitalisiert. „Ein digitalisiertes Archiv ist wesentlich teurer als ein analoges. Mindestens dreimal so teuer. Aber das will ja leider niemand hören“, klagt Buschmann und überzeugte die Geldgeber am Ende doch. Benefit einer digitalisierten Datenbank: die Verschlagwortung, die eine automatische Suche erst ermöglicht. Imai wurde zur international gefragten Anlaufstellen, wo es um die Konservierung zeitbasierter Kunst geht.

Unter Buschmann wurde die Videosammlung schließlich nach neustem Standard digitalisiert und archiviert und der Distribution von Videokunst neuen Wege gewiesen.

allle Kisten ausgepackt, alles einsortiert

Dann doch gelang der Sprung nach oben: Das imai konnte eigene Räume im Hinterhof der Birkenstraße 47 beziehen, gleich neben der Wim-Wenders-Stiftung. Zugleich konnte im NRW Forum die Video-Lounge – diesmal in der Beletage – eröffnet werden. Und sogar der Umzug der gesamten Archivbestände in die neuen Räume in Flingern konnte zum glücklichen Abschluss gebracht werden.

„Ich habe meinen Job gemacht“, übt sich Buschmann in professioneller Bescheidenheit, um ihren Satz mit einem Anflug von Stolz zu beenden, „und alle meine Ziele erreicht.“ Die Ausschreibung für ihre Nachfolge läuft.

Professorin für Digitale Künste

„Jetzt geht´s los“, freut sich die Between-Queen. Nach zwölf imai-Jahren wechselt Renate Buschmann zum Jahresende an die Universität Witten/Herdecke. Sie wird die Professur für Digitale Künste und Kulturvermittlung übernehmen. Dort will sie sich der Frage widmen, inwieweit der Umbruch vom analogen zum digitalen Zeitalter die Künste beeinflusst.

Glückwunsch. Düsseldorf wird ihre Expertise vermissen. Köln auch, wo sie mit ihren Kindern wohnte. Ein Buch wird die Forschungsschwerpunkte ihre Arbeit zusammenfassen: „Video-Visionen“. Die Gerda-Henkel-Stiftung förderte die Arbeit über drei Jahre hinweg. Das Buch, dem 2018 eine Fachtagung vorausging, wird im Januar erscheinen.

Auf die Frage, woher ihr Ehrgeiz, ihre Hartnäckigkeit kommt, erzählt sie ihre besondere Geschichte: Als junges Mädchen hatte sie es sich in den Kopf gesetzt, eine Ausbildung zum Tischler zu machen.

Ihr Traumberuf hieß Möbelrestaurator. Also nahm sie eine Tischlerlehre in Ofenstädt/Ostwestfalen auf. Und fand sich in der „sehr brutalen Welt des Handwerks“ wieder. Frauen, erzählt sie, wurden damals gar nicht ernst genommen. Ein Begriff wie „Tischlerin“ existierte schlichtweg nicht. Sie biss sich durch und machte 1986 ihr Gesellenstück, einen Vitrinenschrank mit vielen Schubladen und einem Aufsatz mit verglasten Türen. Man könnte in dem Möbel den Prototyp des Archivs sehen, dessen Königin Renate Buschmann schließlich wurde.

Redaktionelle Mitarbeit: Anke Strauch

 


 

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