Das kann ja heiter werden

Die neue Intendantin der Bundeskunsthalle Eva Kraus stellt ihr erstes Jahresprogramm vor

Display-Strategien und kuratorische Praxis. Eva Kraus auf dem Dach der Bundeskunsthalle; Foto: Videostill GOLD#9

„Neue Akzente“ erhoffte sich Monika Grütters bei der Vorstellung von Eva Kraus als neuer Intendantin der Bundeskunsthalle. Mit Kraus (geb. 1971 in München) konnte die Kulturstaatsministerin (CDU) erstmals seit Eröffnung der Bundeskunsthalle 1992 eine Frau auf dem Intendantenposten präsentieren. Doch das ist nicht der einzige neue Aspekt.

Überhaupt regiert Kraus die Multispartenhalle an der Helmut-Kohl-Alle 4 mit einem reinen Frauenkabinett. Sieben Kuratorinnen des Hauses schlagen Themen vor, besprechen sich und organisieren Ausstellungen zu Archäologie, Wissenschaft, Technik und den Künsten. Patrick Schmeing, der kaufmännische Geschäftsführer wird den Frauendampfer zum 1. April wieder verlassen. Kraus sieht sich als Regisseurin und will „jedes Jahr neu choreographieren“. Alles möchte sie aus einem „plastischen Begriff“ heraus entwickeln.

„Ich habe viel Freude an sinnlichen Inszenierungen“, sagte sie zur Beginn ihrer fünfjährigen Amtszeit im August 2020. „Ich habe gelernt zu kooperieren und das ist, meine ich, auch weiterhin die Zukunft einer großen Institution wie der Bundeskunsthalle. Mir ist es wichtig, verschiedene Gestaltungsbereiche – Tanz, Theater, Musik, Design, Mode, Gaming – im Programm abzubilden.“ Sieben Ausstellungen in diesem Jahr sind vorfabriziert, sind Übernahmen und Kooperationen.

Kein Vertun, Kraus beherrscht strategisches Denken in komplexen Situationen. Sie hat es wissenschaftlich erforscht, an verschiedenen Orten und Institutionen erprobt und es zu einiger Meisterschaft darin gebracht.

Aus diesem ganzheitlichen Denken und Handeln heraus entwickelt sie schon als Direktorin der Friedrich Kiesler Stiftung in Wien 1999 bis 2003 ihre interdisziplinären und transmedialen Aktivitäten. In dieser Zeit schrieb sie auch an ihrer Promotion über die Exposition internationale du Surréalisme, 1947. Display-Strategien und kuratorische Praxis. Liest man den Werdegang der Künstlerin, Designerin, Kunsthistorikerin, die Kraus nach Stationen in Wien, München, New York und Nürnberg nach Bonn führten, scheint alles wie zugeschnitten auf die Bundeskunsthalle. Oder ist es gerade andersherum: die Bundeskunsthalle mußte beinahe 30 Jahre warten, bis sie Kraus fand?

Idealbesetzung für schwierigen Zeiten? Aufbruch für eine Hinterlassenschaft aus Kohls Tagen? Mit der Emphase einer Künstlerin, mit besonderem Augenmerk für künstlerische Prozesse und Ausdrucksformen, den sie auf der Hochschule für angewandte Kunst in Wien mit auf den Weg bekommen hat, geht sie ihre neue Aufgabe an. Ihre Vorgänger im Amt, Pontus Hultén und Robert Fleck, hatten wie sie einst, als Künstler begonnen. In diese Tradition stellt sie sich gerne. Hinzu kommt die besondere Verbindung von Display-Strategien und kuratorischer Praxis.

Gespenstig. Kuratorin Agnieszka Lulińska in der verwaisten Max Klinger-Ausstellung

Mit rund 21,5 Millionen Euro jährlich fördert der Bund seine Kunsthalle und doch ist der Job alles andere als ein Zuckerschlecken. Kaum war Kraus in Bonn angetreten, mußte auch diese Halle schließen – und ist bis heute: zu. Die großartige Max Klinger Schau, nun bis zum 05. April verlängert, konnte gerade mal zwei Wochen öffnen. Seit Monaten steht alles beisammen wie auf einer Bühne ohne Licht und ohne Publikum. Die Hannah Ahrendt Ausstellung wird zwar gerade aufgebaut, doch weiß hier niemand, ob oder wann sie eröffnet werden kann. (Ab Öffnung des Hauses bis 16. Mai, heißt es vage).

Die Unabsehbarkeit ist auch in dieses Haus eingezogen. Lockdown ist wie schockgefroren. Unverdrossen hat Kraus ihr erstes Ausstellungsprogramm 2021 zusammengestellt. Es ist mehr als „vielfältig“ es ist vielversprechend, hinreißend und, ja auch das: anspruchsvoll und herausfordernd.

Durchaus habe sie in ihrer Zeit als Kunststudentin an der Angewandten in Wien gelernt, ein plastisches Verhältnis zu den Dingen zu entwickeln. Das kommt jetzt der Bundeskunsthalle zugute, die einst der Wiener Gustav Peichl entwarf. Ein plastischer Ansatz findet sich auch in ihrem ersten Jahresprogramm. „Die große ästhetische Geste … ist mir bei alledem besonders wichtig und für die stehe ich auch zukünftig“, verspricht die neue Intendantin. Das konnte, wer denn zu den Glücklichen zählte, bereits in der Max Klinger Ausstellung erleben. Es soll sich aber auch in der Bundeskunsthalle selbst bemerkbar machen. „Die postmoderne Verspieltheit“, die Peichl diesem Kulturbau mitgab, verpönt sie keineswegs. Die drei Spitztürme auf dem Flachdach erhalten gerade eine neue Beleuchtung, sogar farbiges Licht darf sein. Das Dach selbst, wie der Platz vor der Halle werden zur „Spielfläche“, ein Hain mit immergrünen portugiesischen Kirschlorbeerbäumen ist bereits gesetzt. Das Foyer soll „heiter aufgemöbelt“ werden. Die kantige Halle selbst, einer Krawanserei nachempfunden, wird hell im Stadtbild leuchten. Das bundeskulturelle Flaggschiff am Rhein darf insgesamt, so Kraus´ Wunsch und Wille „mehr einladende Heiterkeit“ ausstrahlen.

Eingangsfoyer mit Eisdielencharme. Tape That hat drei Arendt-Porträts schon mal geklebt

Das Programm selbst ist ambitioniert und erfrischend anspruchsvoll. Auf Hannah Arendt und das 20. Jahrhundert folgt Aby Warburg: Bildatlas Mnemosyne (beides Übernahmen aus Berlin). Dann Dress Code. Das Spiel mit der Mode (21. Mai bis 12. Sept.). Straßenklamotten bis Haute Couture werden auf den Parcours geschickt. Gleich zwei Vorlieben der Intendantin begegnen sich hier, Modedesign und Japan. Dress Code ist eine Übernahme vom Museum of Modern Art Kyoto und Kyoto Costume Institute;  die Bundeskunsthalle wird die erste europäische Station sein.

Beuys – Lehmbruck. Denken ist Plastik nennt sich die Ausstellung zum Beuysjubliäum. Sie unternimmt den Versuch, die lebenslange Auseinandersetzung Beuys´ mit Lehmbruck anschaulich werden zu lassen. Kunst kommt im Jahresprogramm zudem in der Präsentation der Berliner Sammlung Hoffmann (29. Okt. Bis 30. Jan. 2022), sowie in einer Ausstellung von Kunststudierenden vor. Es sind Teilnehmer/innen des 25. Bundeswettbewerbs des Bundesministeriums für Bildung und Wissenschaft. Bei aller Liebe für die Nachwuchspflege, in der Bundeskunsthalle hat das nichts verloren. Gewiss aber die Methode Rainer Werner Fassbinder (10. Sept. bis 6. März 2022) und sicher auch Das menschliche Gehirn (ab Jan. 2022). Ein Blick in die aktuelle Forschungslage. Was ist unser Gehirn? fragt diese interdisziplinäre Wissenschaftsausstellung: Ich-Behausung, Organwucherung, Schaltzentrale, Supercomputer?

Display und kuratorische Praxis – könnte gut zum Leitbegriff der Intendantin Kraus sein. „Neustart Kultur“ nennt sich ein Sonderprogramm der Bundesregierung, mit dem vor allem digitale Vermittlungswege gefördert werden. Kraus nimmt auch das bereitwillig auf. Zusammenhalten will die Intendantin das alles durch die große ästhetische Geste. Wir dürfen uns freuen, bei einer Geste wird es Eva Kraus nicht belassen wollen.

Redaktion: Anke Strauch

 


 

beuys 2021. 100 jahre jospeh beuys

Beuys – Lehmbruck. Denken ist Plastik nennt sich die Ausstellung zum Beuysjubliäum. Präsentiert werden wichtige Werke Beuys’, darunter die Honigpumpe am Arbeitsplatz (documenta 6, 1977), die Straßenbahnhaltestelle (Venedig Biennale 1976) und der Raum Voglio verdere le mie montagne aus dem Van Abbemuseum. Die Auswahl an Skulpturen von Wilhelm Lehmbruck, die den zweiten Kern der Ausstellung ausmachen werden (u.a. Die Kniende, der Kopf eines Denkers, der Gestürzte und der Emporsteigende), stammen zu einem großen Teil aus dem Lehmbruck Museum in Duisburg, wo zeitgleich Lehmbruck – Beuys. Alles ist Skulptur, 26. Juni bis 1. November,gezeigt wird. Beide Ausstellungen verdanken sich dem NRW-Kuratorenprogramm.
Auf dem Museumsplatz ist eine Kooperation mit dem Kunstmuseum Bonn geplant, das eine Ausstellung über die Multiples von Joseph Beuys in Gegenüberstellung mit zeitgenössischen künstlerischen Positionen zeigen wird (8. Juli bis 10. Oktober). .

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