coming soon!

Die Kunstsammlung NRW ist mit Lido gestrandet

Vielleicht läuft hier alles auf den großen Knaller raus. Ein neues Schurkenstück? Eine Lachnummer? Oder etwa „Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung“ vom Namensgeber des gleichnamigen Platzes?

Was sich da hinter den Kulissen seit einem Jahr und länger zusammenbraut, läßt sich nur erahnen. Alles fein säuberlich mit blickdichter Folie abgeklebt. Darauf gut lesbar die Verheißung: „coming soon“. Soon? heißt wann? Die Großbuchstaben tanzen lustig über die verdreckten Schaufensterscheiben. Da hilft auch ein fettes Ausrufzeichen nichts. In güldenen, schön geschwungenen Lettern lesen wir auf der Folie „Lido K20“. Also am Ende doch eine neue Eisdiele?

Die Gastro in der Kunstsammlung NRW liegt brach. Und das schon länger, über ein Jahr Pustekuchen.

Wurde die Neueröffnung schon für Anfang des Jahres angekündigt, dann für Ostern, dann aber echt zur Eröffnung der großen Chagall-Ausstellung, macht man seitens der Museumsleitung nun gar keine Versprechungen mehr. Überhaupt gibt man sich schmallippig, wenn die Frage nach dem Museumscafé dort unten an der Ecke zum Eingang gestellt wird.

Dabei ist die Frage ziemlich einfach

Wann ist soon?

Vor der Folienfront hat längst eine Community ihren Anlaufpunkt gefunden, die sonst wenig in Berührung mit den Kunstsinnigen kommt. Während sich die Chagall-Besucher in den Granitpalast drängen, hängen Altstadtjunkies hier vor den matten Scheiben ab.

Die Gastro (Ex op de eck, Ex Klee´s) ist zum Schandfleck der Kunstsammlung geworden. War sicher mal anders geplant.  

Da kommt eine Ahnung aus Köln. Rosemarie Trockel hat ihre Villa im Hahnwald verkauft, fast. Nur sollten noch ein paar Sanierungsarbeiten am Haus erfolgen. Der neue Eigentümer will so lange mit der Restzahlung warten. Weil man sich gut kennt, beauftragte die weltbekannte Künstlerin (bis 2016 war sie Professorin an der Kunstakademie Düsseldorf), die mittlerweile nach Berlin verzogen ist, Robertino Wild mit den Baumaßnahmen.

Ach Wild! Der stadtbekannte Betreiber der Lido-Gastronomie, im Hafen wie im Malkasten. Er ist der neue Pächter im K20. Warum wird dann die neue Filiale am Grabbeplatz nicht endlich eröffnet? Nun, Robertino Wild, mal mit, mal ohne Doktortitel, ist auch groß Kunstsammler, dazu Eigentümer und Geschäftsführer eines schwer verschachtelten Capricorn-Imperiums mit Sitz im Düsseldorfer Hafen. Capricon (Steinbock) ist eine Firma, die sehr spezielle Motorenteile für Sportwagen baut. Auf ihrem Höhepunkt, ein Unternehmen, das 400 Mitarbeiter in vier Ländern beschäftigte. Dazu kam die Entwicklung von Gewerbeimmobilien im großen Stil. Beide Leidenschaften – schnelle Autos, teure Immobilien – führten vermutlich zu Wilds bisher größtem Coup. 2014 kauft er den Nürburgring für 77 Millionen Euro. Der Deal platzte, weil Wild die ersten Teilzahlungen nicht leisten konnte. Capricorn konnte den Ring umgehend an eine Holding des Russen Viktor Charitonin (u.a. Pharmaprodukte) weiterverkaufen. Diesem gehört die Rennstrecke bis heute.

Die gerichtliche Aufarbeitung währt indes an. Weil Wild zu Unrecht unterstellt hat, dass sein Kaufangebot durch eine Finanzierungszusage der Deutschen Bank garantiert worden sei, haben Mitbewerber Klage eingereicht und 2021 recht bekommen. Die EU-Kommission ermittelt seitdem.

Der Oligarch Charitonin steht nicht auf der EU-Sanktionsliste wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine, ihm werden aber beste Verbindungen zur russischen Regierung nachgesagt. Die USA führen den Milliardär auf einer Liste im Zusammenhang mit Manipulationsvorwürfen bei der US-Präsidentschaftswahl 2016. Charitonin wollte auch den Flughafen Frankfurt-Hahn, gleichfalls in Rheinland-Pfalz, kaufen. Das wußte man in letzter Minute zu verhindern.

Wild führt überhaupt viele Klagen oder sieht sich mit Klagen konfrontiert, die sich teilweise bis vors Oberlandesgericht hinziehen. In den letzten Jahren hat er alle gerichtlichen Prozesse verloren, auch den Prozess um seine Kunstsammlung, die er gleich zweimal verpfändete. So was kostet Nerven und Geld. Vielleicht ist Wild momentan klamm. Vor dem Landgericht Köln ist ein weiterer Prozess gegen Wild anhängig. Der chinesische Investor Norman Choi ist mit seiner chinesische Firma, ITV (Ideal Team Ventures) bei Capricorn als Auftraggeber eingestiegen, um einen neuen Rennwagen (de Tomaso P72) entwickeln zu lassen, bisher kam aber nichts. Nun fordert Choi 19,2 Millionen Euro Anzahlung zurück.

Wurde das Lido im Hafen einst in nur 100 Tagen komplett ausgebaut und eröffnet, wird die undurchsichtige Folie am Grabbeplatz wohl noch lange kleben bleiben.

Warum Wild überhaupt den Zuschlag als neuer Betreiber der K20 Gastronomie erhielt? Ein Blick ins Handelsregister, eine Tour zum Nürburgring hätte, hätte… Nun kann die Kunstsammlung NRW ihr Lied von Lido singen.

soon? Capricorn Baustelle am Nürburgring


coming soon
„Queere Moderne. 1900 bis 1950“
ab 27. September (Eröffnung am Freitag, 26. September)
Kunstsammlung NRW, K20, Grabbeplatz 5, Düsseldorf


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