Dank Benko

Befreiungsschlag in Düsseldorf. Mit der Wende zum Werhahn zieht die Oper das große Los und der Hofgarten hofft auf eine Erweiterung

So könnte es werden: “Opernhaus der Zukunft”. Foto Projektschmiede

Die überraschende Wende zum Bauplatz am Werhahn hat zwei Gewinner, mindestens: Die Oper erhält ein wesentlich größeres Grundstück für ihr „Opernhaus der Zukunft“. Der Hofgarten erhält auf dem alten Bauplatz eine Erweiterung. So stellt es jedenfalls Oberbürgermeister Stephan Keller (CDU) in Aussicht. Gemeinsam mit den Fraktionen der CDU, SPD und FDP schlägt er in einer erstaunlichen Kehrtwendung vor, den Neubau Am Werhahn/Oststraße zu realisieren, wo noch das Kaufhaus Galeria steht. Dank Benko. Nach der Pleite des österreichischen Immobilieninvestors René Benko (Forderungen gegen ihn belaufen sich auf zwei Milliarden Euro) konnte die Stadt das Eckgrundstück der SIGNA (Mehrzahl von Signum: Krankheitsymtome) aus der Konkursmasse herauskaufen. Zu welchem Preis ist bisher unbekannt. “Wir haben eine einmalige Chance erkannt und nach wochenlangen Verhandlungen den Erwerb des Grundstücks aushandeln können”, triumphiert Keller.

Dabei handelt es sich um gleich mehrere angrenzende Grundstücke, die zusammen eine fast doppelt so große Grundfläche ergeben, wie sie das alte Opernhaus im Hofgarten hat. Sogar für einen Neubau der Clara-Schumann-Musikschule wäre dort Platz, ebenso für den Fundus der Oper. So wären ein Neubau eines Hochregallagers in Duisburg und auch eine Übergangsoper auf dem Messegelände hinfällig. Bei allem aber werden die Baukosten von geschätzt einer Milliarde Euro kaum geringer ausfallen. Oder ein Architekturwettbewerb brächte eine smarte Lösung auf den Tisch.

Teile der GRÜNEN stoßen sich an den Neubauplänen. Sie sind in der Opernfrage gespalten. Zwar befürworten sie den Grundstückskauf, lehnen aber einen Neubau weiterhin ab. Im Stadtrat bilden sie eine Koalition mit der CDU. Doch hat Keller die GRÜNEN nun mit einer ad hoc-Koalition der Opernfreunde überspielt.

Ambitionsniveau wahren

Überdies wäre der Hofgarten der Gewinner. „Das Gartendenkmal Hofgarten bleibt unangetastet, wir können sogar über eine Erweiterung nachdenken“, verspricht OB Keller. Denn: „Gemeinsam wahren wir unser sehr hohes Ambitionsniveau, ohne Aufgaben zu vernachlässigen.”

vorher / nachher: Der Hofgarten als Bauerwartungsland

Zu früh gefreut? Denn schon gibt es Begehrlichkeiten für den Baugrund, wenn denn die alte Oper in gut zehn Jahren abgerissen wird. Alexander Fils (CDU), Vorsitzender im Ausschuss Planung und Stadtentwicklung und Sprecher seiner Fraktion im Kulturausschuss, hat schon Vorstellungen parat. Das Deutsche Fotoinstitut (DFI) könnte hier in einen Neubau einziehen, auch etwa das Stadtmuseum, dazu eine Anlaufstelle für das Tourismusbüro. Es könnte auch auf einen „geteilte Nutzung“ hinauslaufen. Hinter der erhaltenen Opernfassade (Denkmalschutz) könnten zwei Neubauten entstehen, vorne zur Heinrich-Heine-Allee, ein Bau für private, hinten einer für öffentliche Nutzungen. Da wird für die Hofgartenerweiterung wenig übrig bleiben. Höchstens die Feuerwehrumfahrt.      

Grüne Lunge – von wegen?

Kein anderer Teil des Hofgartens hat gröbere Eingriffe und entstellende Veränderungen hinnehmen müssen als der westliche, zur Heinrich-Heine-Allee gelegenen Bereich. Während die Wegeführung auf der nördlichen Halbinsel weitgehend mit der Planung Maximilian Friedrich Weyhes übereinstimmt, ist die Stadt in die südliche Halbinsel brutal eingefallen. Der Botanischen Garten und auch der Rosengarten, den Weyhe hier anlegte, sind komplett durch das Opernhaus überbaut, Lagerflächen, Müllcontainer, Feuerwehrzufahrten dazu. Die gesamte Straßenführung wurde hier auf Kosten der Parkanlage durchgezogen. Bis hin zu den jüngsten Eingriffen durch Zubauten des „Kö-Bogens“ hat dieser Hofgartenbereich besonders stark gelitten. Die Stadt rückte hier dem Hofgarten arg auf die Pelle und drückte ihm beinahe die Luft ab.

Aus dem Geist der Gartenkunst

Als im Jahr 1803 Maximilian Friedrich Weyhe (1775 bis 1846) zum Hofgärtner nach Düsseldorf berufen wurde, begann ein weit über die Grenzen Düsseldorfs hinaus bedeutender Aufstieg zur “Gartenstadt”. Aus dem Geist der Gartenkunst schuf er in drei Hofgartenerweiterungen, was wir heute als offene, durchgrünte Metropole am Rhein schätzen.

Weyhe dachte in “begehbaren Bildern”, er schuf Gartenräume, die sich aus der europäischen Landschaftsmalerei entwickeln liessen und Anfang des 19. Jahrhunderts zu einer neuen, “revolutionären” Kunstsparte geführt hatten: Gartenkunst.

Entsprechend wurde der mittelalterliche Stadtgraben zu einem landschaftlich – pittoresken See, der “Landskrone”, umgestaltet und mit dem Graben der Königsallee verbunden. Zwei landschaftlich gestaltete Halbinseln ragten in die Wasserfläche hinein, miteinander verbunden durch die Goldene Brücke. Als Gartenkünstler mit ausgeprägtem ästhetischen Sinn und botanischem Wissen legte Weyhe auf der südlichen Halbinsel einen ersten öffentlichen Botanischen Garten und einen Rosengarten an.

Die Landskrone ist im Wesentlichen seit Weyhe erhalten, hat allerdings vor allem im Rahmen der Verkehrsplanungen in den 1960er-Jahren erhebliche Flächenverluste und eine völlige Verkrüppelung ihres östlichen Ufers erfahren. Nach dem Ende der „autogerechten Stadt“ und dem Abriss der Stahlhochstraße („Tausendfüssler“) konnte bereits eine kleine Hofgartenerweiterung gelingen. Eine neue Promenade (Platanenallee) auf dem Deckel des neuen Autotunnels konnte nach Plänen von Pablo Molestina und Thomas Fenner entstehen, der Hofgarten wieder in die City ausgreifen. Auch die begrünten Flächen des „Ingenhoven-Tals“ zeigen ein neues Ineinander der Stadt mit ihrem Park an. Eine neuer Dialog des Hofgartens mit der City ist zuletzt begonnen worden, auch wenn die Bauarbeiten noch immer nicht abgeschlossen sind.

Das Deutsches Fotoinstitut soll nun tatsächlich in den Hofgarten! Schon wieder dient der Hofgarten als Bauerwartungsland. Auf dem Gelände des 1922 eingerichtete Betriebshof im historischen Nördlichen Hofgarten ist ein Neubau geplant. Wie viel Fläche wird er dort beanspruchen? Oder jetzt dort, wo der alte Botanische Garten lag. Das Parkpflegewerk Hofgarten verspricht da ganz andere Maßnahmen und Pläne zur „Wiederherstellung des Hofgartens“.

Grüne Lunge – Neue Herausforderungen

Reizvolle Aufgabe für Jochen Kral. Seit Ende 2022 ist der gebürtige Düsseldorfer als Beigeordneter neben Verkehr (Mobilität) auch für die Bereiche Klimaschutz, Umwelt und Stadtgrün verantwortlich. Kral will die Landeshauptstadt Düsseldorf bis 2035 Klimaneutralität machen. Dann soll auch die Oper der Zukunft eingeweiht werden. Im Hofgarten wird sich entscheiden, ob Düsseldorf Vorbild im Klimaschutz wird und zur „Klimahauptstadt“ aufsteigt. Dazu investiert Düsseldorf schon jetzt jährlich 60 Millionen Euro für den Klimaschutz. Der historische Park in der City könnte, so das aktuelle Parkpflegewerk Hofgarten „zur Verbesserung der stadtökologischen und -klimatischen Bedingungen“ erheblich beitragen. Dazu wird eine Erhöhung der Artenvielfalt angestrebt. In Verbindung damit stehen Maßnahmen wie die partielle Umwandlung von Rasenflächen zu Wildblumenwiesen. “Mit einer erhöhten pflanzlichen Artenvielfalt soll das Nahrungsangebot verbessert und sich mehr Lebensraum für Vögel und Insekten ergeben.”  Auch für Menschen, möchte man hinzufügen. Bäume, die 2014 beim Orkan verlorengingen, werden möglichst nahe am Ursprungsbewuchs und anhand der Zukunftsbaumliste den sich wandelnden Klimabedingungen erneuert. Vor allem der Zuspruch und die Begeisterung der Düsseldorfer für „ihren Hofgarten“, der sich u.a. in ihrer Spendenfreudigkeit nach verheerenden Verlusten und Schäden durch das Orkantief Ela am 9. Juni 2014 ausdrückte, ist ein Zeichen der besonderen Wertschätzung der Düsseldorfer für ihre historische Grünanlage.

Doch ist so eine Gartenanlage nicht nur stadtplanerisches Freigehege, weder erweiterte Fußgängerzone, noch ökologische Spielwiese, sondern ein Ausdruck der Gartenkunst. Viel zu wenig werden im Hofgarten die Belange einer Gartenkunst gesehen, die den Garten insgesamt als sinnlich-schönen Freiraum wahrnimmt.    

Düsseldorf kann sich glücklich schätzen, eine der ältesten öffentlichen Grünanlagen in Europa über 250 Jahre lang erhalten zu haben. Um diese erste öffentliche Promenade von 1769 ist die Großstadt Düsseldorf herum gewachsen. Darum und erst recht heute ist Herz und Lunge wohl zu pflegen.

Ein See mit zwei Inseln. Plan von M.F. Weyhe von 1808 (Ausschnitt). Links zu sehen ist der Botanische Garten mit Rosengarten, durch die Oper überbaut

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