Nur was?

Spuren des Protests an der Kunstakademie Düsseldorf

Frisch gepflastert, frisch gegendert. Bodenarbeit vor dem Eingang zur Kunstakademie Düsseldorf, Markus Henschler, 2025

Mit “nur das” hat Markus Henschler aus der Klasse Gregor Schneider seine erste politische Arbeit vorgelegt. Ganz im Stil alter Protestaktionen der späten sechziger Jahre des 20. Jahrunderts breitet sich auch Henselers Protest vor dem Haupteingang der Akademie aus. Ein dokumentarisches Videos vertieft dann im Klassenraum was es mit der Forderung “FÜR UNSERE PROFESSOR:INNEN NUR DAS BESTE!” auf sich hat. Korrekt gegendert gibt sich der Protest (noch) versöhnlich.

Henschler ist einer von zwei Vertretern der Studierenden im Senat der staalichen Kunstakademie Düsseldorf. Wie ist seine Arbeit zu verstehen? Als ironische Geste? als Erinnerungskultur? oder keimt hier zum winterlichen Rundgang ein Studentenprotest gegen unhaltbare Zustände an der Akademie auf?

eiskellerberg.tv wollte es genauer wissen und traf sich mit Markus Henschler

Ja, hier gibt es einige Leute, die wirklich nur das Mindeste tun

CFS: Worauf zielt Ihr Protest?

MH: Sicher denke ich an die Bezüge der Professo:innen, vor allem aber um die Beziehungen, um den Zusammenhalt in der Kunstakademie. Ich sehe da alle in der Pflicht, Professoren wie Studierende, sich genug einzubringen. Ich sehe das Potenzial der Akademie höher, als es aktuell ausgelebt wird. Wenn ich höre, was ältere Semester erzählen, dass ihre Professoren hier viel öfter aus- und eingegangen sind und dass sie ihre Studenten persönlich mehr wahrgenommen haben. Wenn die Professoren öfters in Düsseldorf sind, wäre sie näher an den Studierenden dran. Das wünsche ich mir das auch für meine Generation. Dass Leute nicht nur nehmen, sondern auch zurückgeben. Für mich ist das ein ganz wesentlicher Faktor. Wir sollten uns besser austauschen, mehr voneinander mitbekommen und am Ende sollten bessere Künstler rauskommen: wenn einfach nur alle das Haus mehr als Verpflichtung wahrnehmen. Den Austausch, den wir an sich brauchen und den sehe ich bei einigen Professorinnen schon. Wir haben hier ganz viele Ackergäule, die wirklich viel arbeiten. Aber es gibt auch welche, die versuchen am Minimum zu kratzen. Finde ich schade.

Können Sie ein paar Namen nennen? Welche sind die Ackergäule, welche sind die Minimalisten?

Wir haben ein paar Leute, wo ich sage, zweimal im Semester da sein ist einfach zu wenig. Das muss aus den Personen selber rauskommen, dass die es besser machen wollen. Da hilft kein Druck von Namen nennen. Wir haben Leute, die gerne hier sind, die wirklich auch nah an den Studierenden und mit den Studierenden arbeiten. Wir haben jetzt Ari Benjamin Meyers, der ist zwar nur als Vertretungsprofessur da und weiß nicht, ob er nächstes Jahr noch dabei ist. Der vertritt gerade Dominic Gonzalez Förster. Eine Person, die sagt ‘Hey, ich lasse mich jetzt mal beurlauben, weil ich glaube, ich habe da gerade nicht mehr so Lust drauf…´. Benjamin Meyers kommt her und gründet einen Chor und die Klasse macht jetzt das Radio „AB/FM“. Er muss keinen Chor gründen, aber er macht es einfach, weil er was mit Studierenden klassenübergreifend anfangen möchte.

Ari Benjamin Meyer ist neu an der Akademie und noch nicht auf Lebenszeit in einem Beamtenverhältnis angestellt.

Es geht für die Professor:innen nicht darum, von Montag bis Freitag hier präsent zu sein. Die haben alle ein künstlerisches Leben, das ist auch wichtig. Davon profitieren wir ja auch. Aber es reicht einfach nicht, wenn Sie nur zweimal im Semester vorbeikommen. Ich wünsche mir da mehr. Dass sie öfters für die Klasse da sind. Vielleicht andere befreundete Künstler mitbringen, weil wir davon leben. Davon, dass wir viele Stimmen mitbekommen, mit ihnen ins Gespräch kommen, denen unsere Arbeiten zeigen und deren Positionen näher kennen lernen.

Wenn jetzt Kritik aufkommt, wie groß ist der Reformstau an der Akademie?

Am Mischpult. Markus Henschler: “Was tun!”

Es käme bei der Neubesetzung von Professor:innen sicher darauf an zu prüfen, ob da wirkliche künstlerische Größen berufen werden. Das lockt viele Studierende an. Es sollte aber auch geprüft werden. inwiefern es da eine pädagogische Grundeignung gibt? Wir wollen nicht, dass mit uns scharf umgegangen wird. Wir kennen hier auch Machtmissbrauch, was romantische und sexuelle Beziehungen angeht, das ist zwar weniger geworden. Aber es heißt noch nicht, dass es in Ordnung ist.

Was nützt aller pädagogische Eifer, wenn, nach Akademierektor Norbert Kricke, Kunst nicht lehrbar ist?

Wir Studierende glauben an die Lehrenden, wir kommen gerne ans Haus, wenn eine gute Gemeinschaft besteht. Das heißt, es gibt eine magnetische Wechselwirkung. Wenn die eine Seite nicht da ist, kommt die andere auch nicht. Wenn da Interesse spürbar ist, komme ich doch gerne. Ich will quasi jeden Tag, den ich neben der Arbeit – wir jungen Leute müssen viel mehr Nebenjobs annehmen und für unsere Existenz sorgen heute – in die Akademie kommen. Wenn die Motivation stimmt und das Lehrangebot da ist, dann kommen wir auch viel öfters. Dann sind die Flure weniger leer und wir bereichern uns gegenseitig.

Wie steht es um die Werkstättenfrage?

Wir haben jetzt eine Bedarfsanalyse der Werkstättenräume. Jetzt können wir die ersten Schritte gehen, um mit dem Land und der Stadt abzustimmen, was und wie viel wir brauchen. Wo wäre z.B. um das Gebäude am Eiskellerberg herum noch eine weitere Möglichkeit, Werkstätten zu bauen? Wir haben auch ein großes Platzdefizit für die Klassen, nihct nur für die Werkstätten.

Und wer ist wir?

Wir Studierende, aber auch die Akademiegemeinschaft. Das merken ja auch die Lehrenden, die da sind und die, die in den Werkstätten arbeiten, alle die, die ganz viel da sind und uns betreuen.

Gibt es diesen Zusammenhalt oder gibt es da nicht auch ein paar Seilschaften? Also früher sagte man die Kölner gegen die Düsseldorfer und die Frauen gegen die Männer und ich weiß nicht was für Fraternisierungen da im Raume schwimmen.

Also das ist ja das Tolle an der Akademie, es sind ganz verschiedene Persönlichkeiten, die aufeinandertreffen und alle sind auf ihre Weise interessant. Natürlich können nicht alle beste Freunde mit allen sein, aber große Rivalitäten…

Gibt es Seilschaften?

Viele würde ich nicht sagen. Es ist mehr Zusammenhalt in den letzten Jahren. Wir wollen uns eigentlich gegenseitig unterstützen. Nach der Akademie wartet auf uns ein ziemlich rauer Wind. Wir sind vergleichsweise kurz an der Akademie, so vier, fünf Jahre. Die können sehr schnell vorbeigehen und da versuchen wir eigentlich eine tolle Zeit zu haben und uns gegenseitig zu unterstützen.

Gibt es da frischen Wind unter dem neuen Frauen Rektorat?

Sicher, die versuchen einiges anders anzupacken und vor allem sich auch untereinander viel zu besprechen. Also nicht eine entscheidet im Alleingang.

Ihre Arbeit zum Rundgang erinnert ein bisschen an Carl Andre mit Hans Haacke.

Die Arbeit bezieht sich auf ein Werk aus den 80er Jahren von Andreas Siekmann. beziehungsweise von Studierenden unter Irmin Kamp. Dort wurde dieser Satz vor die Tür gesetzt: “Für unsere Studenten nur das Beste.” Ich bin jetzt seit zweieinhalb Jahren an der Akademie, habe den Satz da tagein, tagaus gesehen. Ich bin eigentlich fast jeden Tag am Eiskellerberg und lese diesen Satz und spüre diese Ironie. Ja, hier gibt es einige Leute, die wirklich nur das Mindeste tun. Und ich habe mir gedacht, was tun? Ich kann mich jetzt in die Ecke stellen und lieb darum bitten, dass was passiert. Aber für mich ist so eine Intervention wichtig, damit sich hier im Haus die Leute die Frage stellen: Ja, was wäre hier eigentlich wichtig für das Miteinander? Das kann nicht durch Regularien kommen, auch nicht durch ein Ministerium. Die intrinsische Motivation muss im Haus bestehen, damit der Wille da ist: Wir wollen wieder was sein! Wir wollen wieder eine Gemeinschaft hervorbringen, die dann am Ende gute Künstler:innen hervorbringt.

Der Satz geht auf einen populären Spruch zurück: “Für unsere Kinder nur das Beste”.

Die Ausrichtung des Satzes ist neu. Die Änderung in für unsere Professor:innen nur das Beste kann realistisch gelesen werden. Ich finde, das Gehalt der Lehrenden kann durchaus als verdient betrachtet werden, wenn alle anerkennen, dass damit auch eine Verbindlichkeit einhergeht. Wenn wir als Studierende, die meisten rackern sich mit dem Mindestlohn irgendwo im Existenzminimum zurecht und träumen vielleicht sogar später von so einer Professur an der Akademie. Das ist ja eine super Basis, um selbst in Bezug auf die eigene, den eigenen Ruhestand und die eigene künstlerische Arbeit. Professor: innen können sich hier ihre Zeit frei einteilen. Das ist schon ein Privileg.

Im Video ist häufig von Status die Rede. Zur Statusfrage gehört nicht nur der Titel und das üppige Gehalt, sondern auch dieses schöne Akademiegebäude in wunderbarer Stadtlage.

Es ist auch ein gigantisches Privileg für die Studierenden, wenn ich es vergleiche mit dem Vereinigten Königreich, wo jetzt hohe Gebühren allein fürs Studium anfallen, also nicht nur im fünf-, sondern im sechsstelligen Bereich. Wenn ich da studieren möchte, dann bin ich hier mit meinen Semesterkosten von an sich 330 Euro sehr gut bedient, weil das Ministerium für mich pro Semester fünfstellige Beträge zahlt. Ich werde hier subventioniert. Das will ich auch als Privileg wahrnehmen und deswegen mich einbringen.

Die Professoren genießen ganz andere Privilegien.

Klar. Das müssen wir gesellschaftlich betrachten. Es ist toll, dass wir hier eine freiheitliche Institution haben, die dann Meinungen, politische Positionen hervorbringt, die sich in den letzten Jahren immer mehr auf die aktuellen gesellschaftlichen, politischen Lagen und menschlichen wichtigen Themen beziehen. Ich denke an die aktuelle Lage. Ich würde mich mit einem Professorengehalt motivierter um die gute Lehre vor Ort kümmern.

Je bekannter und erfolgreicher ein an die Akademie berufener Künstler wird, desto weniger wird er oder sie die Zeit finden, an der Akademie präsent zu sein. Ausstellungen überall auf der Welt erfordern viel ihrer Zeit und Energie.

Da braucht es eine intrinsische Motivation, die bei der Berufung abgefragt werden muss, inwiefern die Leute das leisten können. Die neu berufenen Leute müssen nicht unbedingt im Rheinland oder im Ruhrgebiet leben. Die können von mir aus auch in New York leben. Oder wir haben Leute, die in Marrakesch wohnen, die es dann aber teilweise gar nicht so oft her schaffen. Von dem Gehalt wäre es möglich oder hier mit Reisezuschüssen, dass sie öfters an die Akademie kommen. Solange aber und deswegen kommt die Pädagogik ins Spiel, solange das Interesse besteht mit den Studierenden auch was anzufangen, kann es gut gehen.

Was ich bei meinem Professor Gregor Schneider gut finde: Er ist ein Künstler, der sehr bekannt ist, der kommt aber jeden Montag in seine Klasse. Wir haben da eine verbindliche Basis. Das ist uns wichtig, darauf können wir uns einstellen und gemeinsam überlegen, gemeinsam diskutieren und üben.

Wie darf ich mir das vorstellen?

Wir sitzen ab 16 Uhr zusammen. Ab 16 Uhr kommt er in die Klasse und bleibt manchmal bis Mitternacht, weil wir eben so lange unsere Kolloquien haben. Ich würde mir das von jeder Klasse wünschen. Das sollte jede Klasse frei entscheiden. Das würde ich nicht groß vorgeben. Aber Verbindlichkeiten sind schon schön.

Freiheit und Gleichgültigkeit – zwei Modi, die finde ich hier oder generell in der Kunst meistens eng beieinander parallel schwingen. Mit einer gewissen Freiheit, die wir alle genießen, kommt bei einigen leider eine Gleichgültigkeit mit einher. Dass sie gerne viel nehmen, aber wenig zurückgeben. Da lobe ich mir alle, die hier lehren und lernen, die gerne einen Mehrwert schaffen wollen für andere. Das ist mir sehr wichtig.

Es gilt doch ganz generell: Wer die Aufnahme an die Akademie bestanden hat, kommt ohne weitere Prüfungen zu Abschluss, sogar zum Meisterschüler.

Also durch ist man nicht. Es gibt nach dem ersten Jahr nach dem Orientierungsbereich eine Zwischenprüfung, bevor es ins Haupthaus geht. Professoren merken auch, wenn Leute nicht da sind.

Wenn sie selbst nicht da sind, können sie es nicht merken.

Genau das ist auch meine Kritik.

Aber noch keiner Durchgefallen. Null Durchfallquote bei der Abschlussprüfung?

Das liegt daran, dass diese Akademie bemerkenswerte Entwicklungen bietet. Wir haben über 15 Werkstätten. Nicht mal eine Etage müssen wir oft laufen. Ausgezeichnete Werkstattleiter stehen uns zur Verfügung. Die Studierenden nutzen das sehr. Deswegen gibt es ja den Andrang in den Werkstätten.

Die größte Hürde hier sind nicht Prüfungen, sondern die größte Hürde bist du selbst. Das Kunststudium ist ein gigantisches Hinterfragen. Was möchte ich machen? Deswegen ist das ein innerer Kampf. Der Abschluss braucht Zeit und der braucht Arbeit an sich selbst.

Das klingt ein bisschen nach Selbsttherapie und kann auch als kostenlose Einladung an Systemschmarotzer gelesen werden.

Es gibt schon Leute, die viel mehr nehmen, als sie geben, ja. Anderseits habe die Abschlüsse der letzten vier Jahre ausnahmslos mitbekommen und das, was ich sehe, sind Einblicke in ganz tolle Wachstumsweisen, wie Leute wirklich eine Position entwickeln, von denen es natürlich nicht alle schaffen danach. Aber wenn ich bedenke, wie die hier angefangen haben mit irgendwelchen Aktzeichnungen und vielleicht schulischen Malereien, dann ist das, was hier rauskommt, eine gigantische Leistung. Wir werden ja hier aufgenommen und ausgesiebt, weil die Leute, die hier sind, gerne da sein wollen. Deswegen setze ich mich auch ein damit, dass damit alle hier mehr an einem Strang ziehen, weil von unserer Motivation studentisch gesehen, die ist schon da, dass wir viel wollen.

Wir sind hungrig danach, viel zu bekommen.

Was in den letzten Jahren auffällt ist, dass wir viel weniger Sachen haben, die abseits von einem politischen Diskurs stattfinden. Wir haben sehr viele Arbeiten, die sich mit den Leuten selbst auseinandersetzen. Aber auch ganz klare politische Bezüge, gesellschaftliche Bezüge, die alle allein inhaltlich ihre Daseinsberechtigung haben. Da sitzt keine Person mehr da und sagt: ich mache eine Kugel und das ist meine Skulptur.

Auch Sie legen eine politische Arbeit vor

Ja, aber die bezieht sich ja nicht nur auf mich, sondern auf eine Gemeinschaft. Und zwar nicht nur auf Düsseldorf. Es sind Zustände, die es genauso beispielsweise in München gibt.

Ich verstehe sie als einen Appell an den Respekt von Freiheit in diesem System.

Es ist eine Forderung, dass Leute das mehr wahrnehmen, weil ich glaube, wir können diese Kunstfreiheit vor allem in Zeiten aktueller politischer Strömungen mehr schützen, wenn wir das mehr respektieren und da wirklich motivierter mit umgehen und wieder mehr anpacken.

Hinweis

Wie Protest an der Kunstakademie Düssseldorf aussah, zeigen die frühen Fotografien von Katharina Sieverding. In ihrer ersten Fotoserie „Eigenbewegung 1967-1969“ hält sie u.a. die Räumung der Beuys-Klasse durch die vom Rektor der Akademie, Eduard Trier, herbeigerufene Polizei und die sich ausbreitenden Studentenproteste vor der staalichen Kunstakademie fest.

Welch eine Koinzidenz. Die selten gezeigte Fotoserie der Studentin der Beuys-Klasse, mit einer automatischen Kamera aus der Hand “geschossen”, ist Teil der aktuellen Katharina Sieverding Überblicksausstellung im K21. Unbedingt sehenswert. (Bis 23. März)


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