“IN SEVEN DAYS TIME”, dieses aus dem Maßstab (oder dem All?) gefallene Stück Schale scheint der vorläufige Höhepunkt einer künstlerischen Entwicklung zu sein, die sich anschickt, die Malerei neu zu erfinden. In sieben Tagen war das beileibe nicht zu schaffen. Ein großer Wurf ist es doch geworden. Eindrucksvoll vereint dieses monumentale Gebilde im Aussenraum des Kunstmuseums Bonn eine Reihe von Grosses Lösungen von der Malerei und ihren angestammten Bedingungen. Mit seltener Nachdrücklichkeit und Ernsthaftigkeit verfolgt Katharina Grosse ihren Weg der Befreiung der Malerei. Die radikale Formlosigkeit, die Schichtung der Farben, die Unschärfen und Verläufe, die Verunklärung des innerbildlichen Raumes, der performative Charakter, die changierende Farbigkeit – alles das hat sie in den letzten Jahren überlegt und furios, spielerisch und tiefgründig vorgeführt. Der Angriff auf die Malerei mit den Mitteln der Malerei hat mit Katharina Grosse eine Vehemenz und Dynamik entwickelt, daß uns vor ihren Bildern der Atem stockt und wir die Malerei wie befreit erleben. Aber wird nicht gerade darin eine innere Verbindung zur europäischen Maltradition erkennbar?
Eiskellerberg.tv traf Katharina Grosse vor dem Schalenstück und fragte spekulativ nach den Möglichkeiten einer weiteren malerischen Entwicklung nach dem Bonner Schöpfungsakt.
Diese Entwicklung liesse sich von dem bemalten Osterei (1973) bis zur bemalten und besprayten Großform (2011) in Bonn verfolgen. Beides sind ungewöhnliche, kunstfremde Bildträger, beide lassen sich nicht mit einem Blick erfassen. Ist das Hühnerei winzig, erscheint die Schalenform riesig. Die Entwicklung der künstlerischen Arbeit aus der körperlichen Bewegung nahm Ende der 90er Jahre mit dem Einsatz der Sprühpistole eine überraschende Wendung. Das Sprühen von Farbe auf eine Wand beeinflußt den Arbeitsablauf und die Arbeitsmethode ganz anders als das Malen mit einem Pinsel. Die Bewegung einer Spraypistole ist weniger auf den Körper oder den Bildträger bezogen, als erwartet. Malen und Sehen geschieht gleichzeitig. „Die Bewegung der Spraypistole ist stärker an die Bewegung der Augen gebunden als an die des Körpers im Raum, sie entmaterialisiert ihn beinahe“, erklärt die Künstlerin. Die vertraute Abhängigkeit von eigener Körpergröße und Bildgröße hört auf zu existieren. In dem Maße, wie sich die Sprayfarben ungebunden an den Wänden oder im Raum ausdehnen, setzt die Künstlerin Leitern und Scherenlifter ein. Mit der Schalenform hat sich Grosse ihren eigenen souveränen Bildträger geschaffen – eine amorphe Großform, der sich an eine Wand gelehnt, auf vielfache Weise deuten läßt.
Katharina Grosse wurde 1961 in Freiburg im Breisgau geboren. Seit 2000 lebt und arbeitet sie in Berlin. Seit 2010 hat sie eine Professur für Malerei an der Kunstakademie Düsseldorf inne.
Dank an: Kunstmuseum Bonn, Dr. Stephan Berg, Anne Fischer, Studio Grosse, Kathleen Knitter, Feines Künstlermaterial, Monika und Dirk Weber, Maria Wildeis und Astrid Piethan (© Photographien)