Julian Charrière und Julius von Bismarck bleiben bei Sies+Höke im Rahmen

Kleines bisschen Horrorschau

Attentat auf die Gipfel. Großfotografie zur Aktion von Charrière/von Bismarck

Wie sehr der IS geschlagen ist, wissen wir durch eine Nachricht auf Twitter. Das Zeltlager der Terroristen nahe Baghus sei unter Kontrolle gebracht, erklärte kürzlich SDF-Sprecher Mustafa Bali über den Kurznachrichtendienst. Aber auch, weil zwei Nachwuchskünstler aus Berlin die Methoden der Islamisten nachahmen, indem sie beliebte Felsformationen in den Nationalparks Utahs vorgeblich in die Luft sprengten, die Sprengungen nach Manier des IS mit ihren Handykameras filmten und die Videos ins Netz einschleusten. Die Methoden der Radikalislamisten als Vorbild für zwei Salonterroristen? Das muß den IS erschaudern lassen. Wer so schnell Mode macht, hat das Zeitliche schon gesegnet.

Auf alle Fälle ganz großes Kino: „I am afraid I must ask you to leave“ heißt der neue Film von Julian Charrière und Julius von Bismarck. Dichtes Gedränge zur Premiere in der Galerie Sies+Höke der beiden Werkstattmitarbeiter von Olafur Eliasson. Niemand denkt hier daran, der Aufforderung, „Ich bedauere, sie herausbitten zu müssen“, zu folgen. Natürlich bleiben alle sitzen oder stehen entspannt an der Wand gelehnt und starren weiter auf die drei großen Leinwände. Es ist ja alles nur ein Spiel. Ein Spaß – und ein Geschäft.

Charriére/von Bismarck, ein gelegentlich kollaborierendes Starkünstlerduo aus Berlin, stellt einen Dokumentarfilm in einer 3-Kanal-Videoprojektion (26‘13‘‘Min) vor, der mexikanische Arbeiter irgendwo in den Bergen nahe der US-Amerikanischen Grenze zeigt, wie sie einen steinernen Bogen errichten oder eine Felsattrappe auf einen Gipfel wuchten. Das alles ist professionell aufgenommen und handwerklich gut geschnitten, sonst eher langweilig. Ein bißchen lustig auch, weil man sich fragt, was sich wohl die Arbeiter-Komparsen bei den schweisstreibenden Dreharbeiten gedacht haben.

Drei Monate lang haben die Arbeiten gedauert, sagen die Künstler und diese seien als eigentliches künstlerisches Werk zu verstehen. Nur blöd, dass wir gerade nicht dabei waren. Nicht der Film also und auch nicht die in den schönen Galerieräumen ausgestellten Großfotos und Videoskulpturen (die Videoinstallation, Auflage 5 +2 AP zu 15.000 Euro zzgl. Mwst, die Fotos, Auflage 3 + 2 AP zwischen 16.000 und 28.000 Euro zzgl. Mwst). Filmisch dokumentiert sind die wochenlangen Arbeiten, in denen bis zu 35 Arbeiter Tonnen von Baumaterialien wie Holz, Sand und Steine zu den Felsen hinauf schafften. Bloß wozu?

Was der Film ausspart sind die Sprengungen der nachgebauten Felsformationen selbst. Die bleiben, marktechnisch geschickt, den Fotografien in Panoramagröße vorbehalten (etwa Cayonlands,155 x 276 cm, 2018). Auch die anschließende, sicher spannende Medienarbeit, die, wie es heißt „Positionierung der Aktion in den Medien“ ist nicht im Film festgehalten, noch auch auf den Fotos oder Videobildschirmen, die hier von der Galeriedecke hängen. Wir erfahren davon wieder nur aus den Medien. Svantje Karich hatte vorab in der WELT AM SONNTAG einen großen Anheizer über die Aktion geschrieben („Explodierende Wahrheiten“), was die Galerien der beiden Künstler (Sies+Höke und Dittrich& Schlechtrien) sogleich aufgriffen und über ihrer Kanäle (Email, Webseiten, Twitter, Instagram, etc.) verbreiteten. Karich strich schon mit dem ersten Satz den medialen Erfolg der Aktion heraus: Gipfel des Marketingcoups: „Gegen die Künstler Julius von Bismarck und Julian Charrière ermittelt das FBI.“ Die Künstler wollten sich aber dann doch lieber nicht mit der US-Bundespolizei anlegen und „offenbarten“ ihren Bluff. „Alles mit Genehmigungen“, so Julius von Bismarck.

Der Aufwand der dreimonatigen Dreharbeiten mag groß gewesen sein, die Sprengung der Felsenfakes ein gigantisches Ereignis, das härte Gestein wird es gewesen sein, die Videos überhaupt in die Nachrichtenmagazine großer US-Fernsehsender zu lancieren. Also das, was die Künstler ihre „politische Arbeit“ nennen. Bloß irgendwelche Felsattrappen in der Einöde Mexikos in die Luft zu sprengen, ist irgendwie öde, lockt noch keinen einzigen Besucher ins Kino und noch keinen Sammler in die Galerie. Da waren die vor Publikum ausgeführten Spreng-Aktionen von Roman Signer (geb. 1938) doch fundamentaler.

Also politisch: „Wir haben sehr lange recherchiert, ganz nach dem Vorbild der Russen und ihrer Wahlmanipulation in den USA. Wir wollten sichergehen, dass unsere Videos auch zünden“, sagt etwa Charrière. „Wir haben verschiedene Accounts aufgebaut, sie herangezüchtet, wie man sagt; wir haben die sozialen Medien beobachtet, versucht zu verstehen, wie ‚Fake News‘ entstehen und wie sie sich durchsetzen gegen ‚Real News‘. Die Salonterroristen als Webpiraten?

Tapfer und gekonnt spielten sie eine Handvoll privater Sender aus, was ihnen auch „vergleichsweise einfach“ gelungen sei, wie Karich schreibt. „Es ist nur eine Frage des Geldes.“ Ganz so einfach ist es anscheinend doch nicht. Denn kein Sender nahm die Bilder der Sprengungen von den angeblichen Felsformationen in Utha für bare Münze. Und das FBI nahm die Ermittlungen routinemäßig auf.

Was wir da also bestaunen dürfen, ist weniger eine heiße politische Story um „Fake news“, weder ein gelungener Medienbluff, noch ein Beitrag zum erweiterten Kunstbegriff. Allerdings ein Beispiel dafür, wie es zwei Künstlern heute gelingt, Aufmerksamkeit zu erzielen, ihren Erfolg zu mehren und ihr betuchte Publikum mit einem Spektakel zu verwöhnen. Es braucht eben eine gute Story, politischen Background, eine Portion Naturseligkeit, Medientwist und „ein kleines bisschen Horrorschau“, texteten die Toten Hosen schon 1988.

Seit Kellyanne Conway, die Beraterin von Donald Trump, im Januar 2017 eine bewußt ausgesprochene Unwahrheit des Sprechers des Weissen Hauses als „Alternative Fakten“ (alternative facts) umdeklarierte, müssen wir erleben, daß es mit der Aufklärung steil bergab geht. „I AM AFRAID“ nennen die beiden Künstler ihre Schau. Was mit „Ich habe Angst“ zu übersetzten wäre. „Das Programm der Aufklärung ist die Entzauberung der Welt. …Aber die vollends aufgeklärte Erde strahlt im Zeichen triumphalen Unheils“, schreiben Max Horkheimer und Theodor W. Adorno schon 1944 in ihrem Klassiker „Dialektik der Aufklärung“. Angst war immer schon der Schrittmacher der Gegenaufklärung.

Am anderen Ende der Karlstadt hat vor nicht allzu langer Zeit Markus Lüttgen seine neuen Galerieräume bezogen (Schwanenmarkt 1). Am gleichen Abend wird auch hier mit Viola Relle/Raphael Weilguni ein Künstlerduo (aus München) vorgestellt, auch hier geht es um Skulptur, auch hier um Bruch und Trümmer. Womit die Benachbarungen auch schon enden. Die Ausstellung bei Lüttgen nennt sich „mit Menschen leben.“ Die zerbrechlichen Figuren (Keramik und Porzellan) offenbaren eine schon verzweifelte Erinnerung an Schönheit, eine schmerzliche Vergeblichkeit, auch ein subtiles Scheitern, in dem sich die Dimension des Menschlichen vehement ausdrückt.

C.F.Schröer

Mehr von Charrière/von Bismarck bei Sies+Höke und Dittrich& Schlechtriem auf der Art Cologne, nächste Woche…

 

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