Björn Dahlem (Jahrgang 1974) hat mit einer raumgreifenden Installation – „Die Theorie des Himmels I – Die Milchstraße” – auf über 800 qm im KIT eine Wunderkammer eingerichtet.
In Glasvitrinen sieht man dort u.a. seltsame geometrische Objekte, aufwändige Basteleien aus Holz und Alltagsgegenständen, die an barocke kosmologische Modelle erinnern und Titel wie „Himmelsglobus – Das All” tragen. Andere Objekte heißen „M-Zeit”, eine kubistisch anmutende Skulptur aus Holz und verschiedenen Uhren, oder „Lokale Gruppe (Coma, Virgo, Sculptor)”, mehrere Objekte aus Holz, Alabasternippes, Kristallständern und Strohsternen, verweisen also auf theoretische Physik und benachbarte Galaxien.
Dahlems Installation, die streng und aufwändig in der Ausführung und arm in den verwendeten Materialien daherkommt, zieht ein weites Spannungsfeld zwischen wissenschaftlichen Theoremen und ihrer künstlerischen Darstellbarkeit auf. Sie spielt mit dem Konzept der Wunderkammer, die das vorwissenschaftliche Staunen als Prinzip für die Repräsentation kurioser Naturalien und Artefakten und wissenschaftlicher Neuerungen bis ins 19. Jahrhundert verfolgte. Wenn Dahlem also mit seinen geometrischen Holzskulpturen und astronomischen Titeln auf physikalische Phänomene anspielt, eröffnen seine Werke ein enzyklopädisches Assoziationspotenzial, das gleichzeitig auf besagte Phänomene, als auch auf die ihnen zugrunde liegenden Theorien, d.h. den Bedingungen ihrer Wahrnehmung und Darstellung, rekurriert. So behaupten die Titel die Visualisierung eines eigentlich Unvisualisierbaren. Diese Strategie ist der von Cornelia Parker nicht unähnlich, man denke an ihr „Cold Dark Matter: An Exploded View”. Die Unbestimmtheit und Mehrdeutigkeit von Dahlems Arbeiten und Titeln unterlaufen so das Konzept der wissenschaftlichen modell- oder bildhaften Darstellung. Seine Arbeiten sind also keine Illustrationen, sondern spielen mit der metaphorischen Poesie und der suggestiven Kraft wissenschaftlicher Theorien und führen dem Betrachter vor Augen, dass Wissenschaft immer mit der (Nicht-)Darstellbarkeit ihrer „Objekte” im Widerstreit von Realismus und Konstruktivismus umgehen muss.
Mit Björn Dahlem darf man sich in unseren ach so aufgeklärten Zeiten wieder wundern, über Galaxiehaufen und andere Kuriositäten.
Björn Dahlems Ausstellung „Die Theorie des Himmels I – Die Milchstraße” lief vom 11. September 2010 – 16. Januar 2011 im KIT, Kunst im Tunnel, Düsseldorf.
Interview: Carl Friedrich Schröer
Text: Bastian Tebarth
Kamera und Postproduktion: Thom de Bock