„Bloß keine Dogmen“, warnt Marianne Pitzen. Dogmen sind doch männlich, starr und also dämlich, überhaupt nicht „ihr Ding“. Das spricht sie leise, meist in einem dem rheinischen Tonfall nachempfundenen Singsang, sicher auch irgendwie ironisch. Irgendwie hat sie sich, 1948 in Stuttgart geboren, eine mädchenhafte Leichtigkeit erhalten, eine Verschmitztheit, gepaart mit einer bezwingenden Emphase aus Kämpferherz und Künstlergeist. „Undogmatischer Frühling“ hieß das in jenen wilderen Jahren als die junge Künstlerin in die Bundeshauptstadt Bonn zog und sich politisierte. Während ihr Ehemann Horst eine Anstellung im Bundeskanzleramt fand, machte sie sich, die Chromosomen der Revolte in sich, auf den Weg in die Institutionen. 1971Gründung einer ersten Galerie „Circulus“, 1973 Gründung der Gruppe “frauen formen ihre stadt” und “Frau + Futura”, 1981 Gründung des Frauen Museums wie der Künstlerinnengruppe “zart & zackig”, 1991 Bundesverdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland.
Doch erst jetzt kann Marianne Pitzen ihren größten Triumph feiern. Als (vorläufigen) Höhepunkt ihrer Karriere lud sie am 19. Januar zu einem besonderen Fest in ihr Frauenmuseum ein: „Unter Dach und Fach“ hieß es da. Gemeint war der Notarvertrag, mit dem Gebäude und Grundstück des Frauenmuseum von der Stadt Bonn an die eigens gegründete „Stiftung sichere Zukunft – Museum der Frauen gGmbH“ übergegangen war. Der gemeinnützige Frauenverein konnte den Kaufpreis von 510 000 aus eigener Tasche bezahlen, Pitzen hatte ihn bei ihren „Ladies“ eingesammelt. „Wir feiern den Hauskauf mit allen Spendern und Spenderinnen“ steht folglich in der Einladung, aber auch „Im Hof: Herrmann Hergarten an seiner Drehorgel“.
Wer Marianne Pitzen unterschätzt, hat schon verloren. Als der Bonner Kulturdezernent Martin Schumacher 2014 sie wissen ließ, das Thema Frauenmuseum sei erledigt und die städtischen Zuschüsse entsprechend zusammenstrich, musste auch er lernen, mit wem er es zu tun hatte. Als hätte MP, wie ihre Umgebung sie respektvoll nennt, nur auf solche, männliche, Missachtung gewartet, blies sie zur Gegenwehr, organisierte „den Widerstand“ und zeigte es allen, die sie schon in Rente schicken wollten. “Wir haben eine Riesenkampagne in Gang gesetzt, bundesweit, weltweit.“ Die Stadt musste die Immobilie, ein ehemaliges Kaufhaus in der Bonner Nordstadt verkaufen, die Frauen bezahlten bar, jedenfalls ohne Kredit und Schumacher musste an die Drehorgel. Der städtische Zuschuss wurde von 20.000 Euro auf 40.000 Euro im Jahr verdoppelt. Nicht genug für Pitzen.
Denn jetzt, endlich Frau im eigenen Haus, soll es erst richtig losgehen „Im Krausfeld“, wie die Adresse des Frauenmuseums tatsächlich lautet. Denn „die Ladies“ haben so viel Geld gespendet, dass Frau auch die fällige Renovierung der Liegenschaft in Angriff nehmen will. Zufahrt und Hof sollen „ganz neu“ gestaltet werden, ein „Lichtkonzept“ wird erstellt, der Industriebau selbst soll zum Jubiläum – 2021 steht wieder eine Feier an, wenn das Frauenmuseum 40 Jahre alt wird – einen neuen Außenanstrich erhalten: „ Knallrosa“. Aber da lacht Mariann Pitzen schon wieder verschmitzt. Bloß keine Dogmen.
Seit Beginn an steht das Frauenmuseum Bonn für eine Politisierung von Kunst. Nur solche Künstlerinnen wurden und werden bevorzugt eingeladen und ausgestellt, die Kunst als Fortsetzung politischer Ereignisse und Konflikte verstehen. Es geht da also keineswegs um Kunst an sich, sondern um Kunst als Vehikel einer politischen Diskussion, um Kunst als Durchsetzungsstrategie vornehmlich feministischer Interessen. Von den Suffragetten bis zum Women’s March, vom Frauenwahlrecht bis zur #MeToo-Bewegung, alles dreht sich in Bonn um den Kampf der Frauen, um Gleichberechtigung und mehr Macht. Längst hat die feministische Bewegung andere Richtungen eingeschlagen, während das Bonner Frauenmuseum trutzig ihre Nische besetzt hält. Bekannte Künstlerinnen meiden das Haus auffällig. Das mag auch einen anderen Grund haben: Dem Haus blieb es nicht erspart, zu einem Marianne-Pitzen-Museum zu werden, kein Wunder bei andauernder Dauerdirektorenschaft. MP ist hier Oberkünstlerin und Überdirektorin, Promi und Princess in einer Person. Bei aller Bewegtheit und Bewegung, sie ist die am längsten amtierende Museumsdirektorin weltweit, 2021 werden es 40 Jahre.
Ein Blick auf die Webseite des Museums zeigt es. Pitzens „Matronen“ in aller Größe und Form, selbst das Museumslogo, drei Matronen, stammt selbstverständlich von Pitzen. Dort wird auch ein Film von Annelie Runge über MP beworben „The princess and I“. Darin wird Pitzen als „Künstlerin, Museumsdirektorin, Aktivistin“ gepriesen und mehr: „Marianne Pitzen ist ein Gesamtkunstwerk. Eine keltische Prinzessin mit großen Haarschnecken. Ihre Figurinen aus Kleister und Papier zeigen Matronen, Prophetinnen, Zauberinnen, Todesbotinnen.“
Das Vorhaben, an die sogenannten Trostfrauen, Zwangsprostituierte in japanischen Kriegsbordellen im Zweiten Weltkrieg mit einem Mahnmal zu erinnern, scheiterte jüngst am Widerstand aus Japan. Stattdessen soll am 25. November eine figürliche Bronzeskulptur im Vorhof des Frauenmuseums Aufstellung finden „ein Mahnmal gegen die Gewalt an Frauen, die Gewalt im Nahbereich und global.“ Die Ausschreibung läuft.
Neben Frauenkunst „soll gleichzeitig Frauengeschichte aufgearbeitet und neu präsentiert werden“, so der zumindest der Anspruch des Frauenmuseums. Außerdem betreut das Museum Bestände u.a. von Käthe Kollwitz, Ulrike Rosenbach, Katharina Sieverding, Valie Export, Maria Lassnig, Ewa Partum, Heide Pawelzik und Irene Kulnig sowie eine Reihe von Dauerleihgaben. Es unterhält zudem eine Bibliothek mit Archiv zu den Bereichen Frauen in Kunst, Geschichte und Politik, zu feministischen Themen, Kulturpolitik, Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts, Kunst seit 1945, konkreter und konstruktiver Kunst und zu Architektur und Design. Weibliche Kunst wie auch Frauenbewegung und Frauenpolitik sollen Themen der Forschung sein. Das alles zu leisten übersteigt das ehrenamtliche Fassungsvermögen beim besten Willen, 400.000 Euro Jahresetat sind gefordert. Einstweilen lebt das Frauenmuseum von Projetgeldern und der Selbstausbeutung der Mitarbeiterinnen. „Die nächste Generation“, droht Pitzen, „macht so was nicht mehr mit.“ So wird der andauernde Geldmangel zur Weitersostrategie. MP bleibt einstweilen ehrenamtliche Hauptdarstellerin und Dauerdirektorin. Die nächste Generation macht so was mit.
Daten und Fakten
1973: Gründung von „frauen formen ihre stadt“.
1981: Gründung des Frauenmuseums im ehemaligen Kaufhaus Bernartz, Im Krausfeld. Die etwa 3000 Quadratmeter verteilen sich auf drei Etagen mit Hof. Mit Landesmitteln wurde es 1988 renoviert, 2003 wurde der Brandschutz – ebenfalls finanziert durch das Land – auf den neuesten Stand gebracht.
1994: Gabriele Münter Preis für Künstlerinnen ab 40, sieben Vergaben.
2014: Stadt Bonn entscheidet, die Finanzierung des Frauenmuseums 2018 auslaufen zu lassen.
Ende 2018: Erwerb des Gebäudes durch die „Stiftung sichere Zukunft – Museum der Frauen gGmbH“. Kaufpreis: 510 000 Euro.
2019: Städtischer Zuschuss für das Frauenmuseum sinkt auf 40 000 Euro pro Jahr. Bislang erhielt die Institution 120 000 Euro, von denen 86 000 Euro als Kaltmiete an die Stadt zurückfließen.
Aktivitäten: 900 Ausstellungen bisher (40 Themenprojekte, stets internationale und regionale Kunst); 400 Kataloge im Frauenmuseums-Verlag; Archiv mit Material von 25 000 Künstlerinnen, 300 000 Einladungskarten, 30 000 Bücher und Kataloge. 2000 Kunstwerke in der Sammlung, 35 000 Besucher und Besucherinnen jährlich.
Organisation: Trägerverein mit Vorstand aus sechs Frauen.
Finanzierung: Zuschuss der Stadt Bonn und Projektförderung, Unterstützung durch Renate Wald Stiftung und „Stiftung sichere Zukunft – Museum der Frauen gGmbH“.
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