Ding-Erotik, nicht nett, aber cool

Ein Glückwunsch. Katharina Fritsch erhält den Goldenen Löwen der Biennale

Auf der Treppe. Katharina Fritsch hier in einer Aufnahme von Clauda van Koolwijk aus dem Jahr 1981. Beide Künstlerinnen lernten sich in der Klasse von Fritz Schwegler an der Kunstakademie Düsseldorf kennen.

 

„Unvergleichlich“, sei ihr Beitrag für die zeitgenössische Kunst – mit dieser Begründung erhält Katharina Fritsch (* 14. Februar 1956 in Essen) den Goldenen Löwen der 59. Biennale di Venezia für ihr Lebenswerk. „Ich war schon immer eine andere Art von Temperament“, so drückt es die Künstlerin selbst aus. Die bedeutendste Auszeichnung, die die internationale Kunstausstellung in der norditalienischen Lagunenstadt zu vergeben hat, bekommt Fritsch auf Vorschlag der Chef-Kuratorin der Biennale, Cecilia Alemani, gemeinsam mit der chilenische Künstlerin Cecilia Vicuña. Am 23. April, dem Eröffnungstag der Biennale, wird Biennale-Präsident Roberto Cicutto die Löwen überreichen. Tierplastiken sind das Kennzeichen von Fritsch´ plastischem Werk.

Der Bildhauer und Grafiker Thomas Schütte erhielt schon 2005 und Franz Erhard Walter 2017 den Goldenen Löwen als beste Künstler.

„Kunst und Preise finde ich was schwierig“, lässt sich Fritsch vernehmen. „Aber selbstverständlich fühle ich mich geehrt und freue mich auch über diese Anerkennung.“ Eine neue Arbeit wird sie auf der zentralen Ausstellung im Italienischen Pavillon in den Giardini vorstellen. Titel der Ausstellung wird The Milk of Dreams (Die Milch der Träume) lauten und bis zum 27. November zu sehen sein.

Cecilia Alemani (* 1977 in Mailand, Italien) ist künstlerische Direktorin der 59. Biennale in Venedig. Schon 2017 kuratierte sie den italienischen Pavillon der Biennale und war künstlerische Leiterin der Eröffnungsausgabe der Art Basel Cities von 2018 in Buenos Aires. Sie arbeitet als freie Kuratorin in New York, wo sie seit 2011 die High Line Art aufbaut, eine Präsentation auf der alten Bahntrasse im Westen Manhattans. Außerdem begründete sie entlang der High Line ein neues Programm für monumentale Skulpturen im öffentlichen Raum.

Figuren vor Hafeneinfahrt. Bice Curiger ludt Katharina Fritsch 2011 zu Ihrer Biennale ILLUMInations in die Arsenale ein. Foto: Ivo Faber

Katharina Fritsch war bereits mehrfach mit ihren unverkennbaren Objekten auf der Biennale di Venezia vertreten. Unvergessen ihr Beitrag im Deutschen Pavillon 1995 als sie im Hauptraum das riesiges Modell für ein Museum vorstellte (später auch in der Kunsthalle Düsseldorf).

Fritsch fand 1979 nach Düsseldorf, wo sie seitdem lebt und arbeitet. Sie wurde Studentin an der Kunstakademie bei Fritz Schwegler. Eigentlich wollte sie zu Gerhard Richter. „Schwegler war ein Spitzen-Lehrer“, sagte sie in einem Gespräch mit Birgitte Kölle. „Er hat einen auf positive Art verunsichert.“

Bei Schwegler ging es um den handwerklichen Aspekt. „Aber nicht um das Handwerk um des Handwerks willen, sondern um eine gute Haltung den Dingen gegenüber ohne spießig zu sein. Was Fritsch schon als Studentin interessierte war das Andere und Anderssein. „Es ging immer um die andere, die geistige Existenz der Dinge.“ Sie wollte sich in der Kunst nicht festlegen oder auf einen Sparte reduziert wissen. Seit 2001 übernahm sie eine Professur für Bildhauerei an der Kunstakademie Münster, wechselte 2010 an die Kunstakademie Düsseldorf.

„Hier in Düsseldorf war es, im Gegensatz zu anderen Städten, hochintelligent. Wir haben uns intensiv theoretisch auseinandergesetzt, ohne die Sinnlichkeit in der Kunst zu vernachlässigen.“ So rückblickend über die virulenten 80er Jahre.

„Der Ratinger Hof war die zweite Station der Akademie“. Dort ging es zur Sache. „Wir waren nicht nett, wir waren ja cool. Eigentlich war man immer schlecht gelaunt oder hart drauf. Manchmal war das natürlich auch blöd.“

Fritsch vertritt eine eigene feministische Position. „Ich habe sehr darunter gelitten, dass in Deutschland – ganz anders in Amerika – erfolgreiche Frauen immer ein negatives Image hatten. Du kannst erfolgreich sein als Frau, aber dann giltst du als superschwierig, als zickig, als hysterisch, als anstrengend – anstrengend! Man darf ja nicht anstrengend sein.“

Ihren Polyester-Plastiken spricht sie eine „Ding-Erotik“ zu, verführerische Farben und eine starke sinnliche Komponente. „Nach wie vor ist das höchst suspekt und wird oft als dekorativ abgetan. Das ist in Deutschland echt verkorkst, liegt auch am mangelnden Selbstbewusstsein der Frauen. Dass man sich nicht hinstellt und sagt ´Ich bin eine Frau, ziehen mich schön an, habe Spaß an schönen Dingen oder auch daran, viel Geld zu verdienen.´“

 

Lourdes Madonna in Münster. Skulptur Projekte 1987

1984 hatte sie ihre erste Ausstellung bei Rüdiger Schöttle in München (mit Thomas Ruff), Kasper König lud sie Ende 1984 zur Ausstellung „von hier aus“ ein. Acht Tische mit acht Gegenständen war ihr Beitrag, mit dem sie ihren Durchbruch feiern konnte (heute Emanuel Hofmann-Sammlung Basel). Neben Rüdiger Schöttle und Kasper König begleiteten Jörg Johnen, Rafael Jablonka, Julian Heynen und Jean-Christophe Ammann ihren Aufstieg.

Ihre quietschgelbe Madonna, 1987 zu den Skulptur Projekte in der Münsteraner Fußgängerzone platziert, wurde zu ihrem Signetwerk, kaum weniger der Elefant im gleichen Jahr im Krefelder Kaiser-Wilhelm-Museum, heute im K21 Düsseldorf.

 

 


 

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