Der 100. Geburtstag von Joseph Beuys (* 12. Mai 1921 in Krefeld; † 23. Januar 1986 in Düsseldorf) ist auch für das Belvedere 21, Wiens „Schauplatz für österreichische und internationale Kunst der Gegenwart, Film und Musik“, Anlass für eine Werkschau des „Ausnahmekünstlers“.
Das Belvedere 21 ist sogar das erste Museum in diesem Jubliäumsjahr, das eine große Beuys-Ausstellung öffnen kann. 64 Werke von Joseph Beuys, davon drei raumgreifende Installationen, weitere 123 Exponate, Foto- und Dokumentationsmaterial aus diversen Archiven, sowie 8 Filme bietet das 1962 als Museum des 20. Jahrhunderts eröffnete Haus auf. Vor allem will die Ausstellung die enge Beziehung von Joseph Beuys zu Wien aufzeigen.
Beuys in Wien
„Die Schau zeigt, wie Beuys’ Schaffen mit Wien in Verbindung steht“ – und erfüllt die eigenen Ansprüche schlecht. Stoff genug gäbe es ja. Eine Aufarbeitung von Beuys´ zahlreichen Beziehungen zu Wien unterbleibt. Stattdessen blinde Flecken, Verschleierungen, Grauzonen.
Besonders ein Kapitel bleibt im Dunkeln: die Künstlerfreundschaft Joseph Beuys zu Otto Muehl (* 16. Juni 1925 als Otto Mühl in Grodnau (Mariasdorf), Burgenland; † 26. Mai 2013 in Moncarapacho, Olhão, Portugal). Warum die Ausstellung es unterlässt, hier endlich für Klarheit zu sorgen, ist bedauerlich, ein beschämendes Versäumnis.
Ausgerechnet Theo Altenberg erhält von Generaldirektorin Stella Rollig und Chefkurator Harald Krejci den Auftrag, den zentralen Beitrag dazu im Katalog zu leisten. Ausgerechnet Theo Altenberg? Dieser bezieht sich zwar auf den berühmt-berüchtigten Wienbesuch Beuys´ am 26. Januar 1983, windet sich dann aber detailbesessen und seitenlang, um auf den Punkt zu kommen. Stattdessen schwadroniert er lieber zeitgeistgemäß von „zukünftigen ökologischen Aktionen“.
Der Punkt wäre Otto Muehl. Der kommt überhaupt nur am Rande und ganz weit hinten vor. Auf Seite 100 lesen wir schließlich: „Leider konnten sie [nämlich die Altenberg-Projekte Sammlung Wiener Aktionismus, Kunsthalle Schüttkasten und El Carbito auf La Gomera] die Entwicklung von einer Real-Utopie zu einem „Surreal-Patriarchat“ unter dem immer mehr zum „Máximo Líder“ mutierenden Otto Muehl nicht verhindern.“ Altenberg bekennt: „Für mich eine der traumatischsten Situationen meines Lebens.“ Da macht sich der Täter geschwind zum Opfer, der „Kunstbeauftragte“ der Muehl-Kommune wendet sich zum Ökoapostel.
Altenberg war von 1972 bis zur Auflösung der Kommune 1991 „sehr lange Zeit an sehr hoher Stelle in der Struktur“ wie ehemalige Kommunarden bestätigen. Er war „Ottos Hauptdrogenbeschaffer“ und „von Ottos Gnaden“ Leiter des „Kunstbüros“ der Kommune. Er setzte sich in dieser Zeit sehr für den Aufbau einer Sammlung zum Wiener Aktionismus im Friedrichshof ein (die Archivalien sind 2003 ans Wiener Mumok verkauft worden, die Kunstwerke sind großteils weiterhin auf dem Friedrichshof). Erst nach der Verurteilung von Otto Muehl u.a. wegen Unzucht mit Minderjährigen bis hin zur Vergewaltigung, Zeugenbeeinflussung und allgemeinen Sittlichkeitsdelikten, sowie diverser Drogendelikte, verließ Altenberg 1991 die Gruppe.
Sein Aufsatz beschreibt wortreich sein enges Verhältnis zu Joseph Beuys und verpasst dabei glatt das für den Zusammenhang der Ausstellung viel spannendere und weit brisantere Verhältnis, das von Beuys zu Muehl.
Der Beuysbesuch des „Gemeinschaftsexperiments Friedrichshof“ (Altenberg) im Januar 1983 erscheint bei Altenberg wie ein unschuldiger Kindergeburtstag: „Es geht darum, wie es den Kindern gelingen könnte, Beuys als Lehrer an der Friedrichshof-Schule zu behalten, wie man ihn vor der Welt verstecken könnte.“ So Altenberg im Wiener Katalog. Tatsächlich wurden die Kinder ein weiteres Mal instrumentalisiert. Aber anders als es Altenberg beschreibt. Claudia Muehl, die „Königin vom Friedrichshof“ saß ein Jahr wegen Unzucht mit Minderjährigen im Gefängnis), erinnert sich:
„Wie er da zu uns gekommen ist, war in Ottos Atelier schon eine Leinwand vorbereitet. Auf die nackte Leinwand sollte Beuys dann was malen. Was er auch machte. Dann wurde Lili, meine spastisch behinderte Tochter hereingetragen. Die wollte die Glatze von Beuys einmal sehen. Da hat er den Hut abgezogen… Dann sind wir mit den Kindern herunter in den Tanzsaal zum Ringelreihen. Beuys hat mir sogar meine Tanzschuhe hinuntergetragen. Dann hat Beuys mit den Kindern im Kreis getanzt.“
Nach Lilis Auftritt ist Beuys „sanft wie ein Lamm“ (Robert Fleck). Er hinterlässt Korrekturzeichnungen in den Malbüchern der Kinder.
Altenberg war von Muehl als Propagandist auserwählt, den ramponierten Ruf der Kommune aufzupolieren und insbesondere prominente Künstler und Kunstvermittler einzuspinnen. Neben den Aktionismus-Kollegen Brus und Nitsch gelang ihm das auch bei Christian Ludwig Attersee, Georg Jiri Dokupil, Gotthard Graubner, Helmut Federle, Maria Lassnig, AR Penck, Oswald Oberhuber, Nam June Paik oder Dieter Roth. Selbst Harald Szeemann, Norman Rosenthal, Rudi Fuchs, Jan Hoet und Lucio Amelio „gastierten“ am Friedrichhof. Doch nimmt der Beuys-Besuch allemal eine Sonderrolle ein. Beuys galt als der international bekannteste Künstler von allen und stand zu Muehl in einem persönlichen Verhältnis. Auf Vermittlung durch den Friedrischshof kam es sogar zu einem Gespräch von Beuys mit dem österreichischen Bundeskanzler Bruno Kreisky.
Der Beuysbesuch von 1983 ist gut dokumentiert und detailliert beschrieben. Gut in die kunsthistorischen Zusammenhänge eingebunden von Robert Fleck, der 1994 den Friedrichshof besuchte, heute ist er Professor an der Kunstakademie Düsseldorf: “Die Mühl-Kommune. Freie Sexualität und Aktionismus. Geschichte eines Experiments“, darin auch viele erschütternde Fotografien aus dem Kommunealltag. Kritisch und persönlich, aus der Innensicht eines Ex-Kommunarden Benoit Tremsal, „Die Kunstpraxis in der Mühl-Kommune. Wenn Leben und Kunst verschmelzen sollen.“ Altenberg fügt dem in seinem Aufsatz wenig Neues hinzu, verschleiert aber seine Mittäterschaft. Als hätte man die Leiche im Keller zum Chefaufklärer gemacht.
Otto Muehl – Joseph Beuys
Die besondere Beziehung dieser beiden Künstler zueinander, ihre Affinität, ihre Freundschaft, ihr Spannungsverhältnis kann hier nur skizziert werden. Sie hielt von der ersten Begegnung 1966 in Wien bis zur letzten Begegnung in Düsseldorf, einem Besuch des Ehepaars Muehl im Haus von Familie Beuys auf der Wildenbruchstraße Ende 1985, kurz vor Beuys Tod. Man saß an dem langen Holztisch zusammen, “es gab Salami auf Brötchen”, erinnert sich Claudia Muehl. „Beuys hat damals unter starken Zahnschmerzen gelitten. Was uns bei so einem berühmten Künstler doch sehr wunderte. Otto riet ihm dann, das unbedingt behandeln zu lassen, das geht aufs Herz.” Ein paar Monate später war Beuys tot, Herzversagen.
Während Beuys´erster Zeichnungen-Ausstellung in Wien 1966 wird er Muehl durch Otto Mauer in der Galerie nächst St. Stephan vorgestellt. Mauer fördert die österreiche Avantgarde, auch die Wiener Aktionisten mit großem Engagement. Mauer, der gleichzeitig Domprediger im Stephansdom ist, leitet die Galerie von 1954 bis zu seinem Tod im Jahr 1973. Es ist auch Mauer, der auf Einladung von Beuys die denkwürdige Eröffnungsrede zu Beuys´ erster Museumsausstellung in Mönchengladbach 1967 hält, übrigens der Geburtsstadt von Theo Altenberg (1952).
Mit Otto Muehl verstand sich Beuys auf Anhieb. Am Tag nach der Eröffnung seiner Aktion „Eurasienstab“ in der Galerie nächst St. Stephan im März 1967 fahren sie gemeinsam an den Neusiedlersee hinaus nach Gols, wo Muehls Mutter lebt und die beiden Künstler in ihrem selbst gebauten Haus bewirtet. Dort kommt es zu einer „Spontanaktion“.
Der um knapp vier Jahre jüngere Muehl war wie Beuys Soldat der Wehrmacht im 2. Weltkrieg gewesen, Muehl als Leutnant an der Westfront (“Ardennenoffensive”), Beuys als Bordschütze und Funker an der Ostfront. Beide erlitten als junge Soldaten schwere Kriegstraumata. Beuys lebte seines in Kranenburg, Muehl das seine im Kelleratelier, Perinetgasse Nr. 1 aus. Beide entschieden sich im Kriegsverlauf, Künstler zu werden und bezogen ihre Fronterlebnisse stark in ihre künstlerische Arbeit ein. Muehl studierte auf Lehramt bei Robin Andersen an der Wiener Akademie, Beuys wurde Meisterschüler von Ewald Mataré an der Kunstakademie Düsseldorf.
Bei beiden steht die Gestaltung, besser die Umgestaltung von Wirklichkeit von Anfang im Vordergrund, zunehmend auch die eigene Rolle als Künstler. Beide leisten nach ´45 den Bruch mit der Kunstgeschichte, vor allem mit der Tafelbildmalerei, sie greifen auf kunstferne Materialien zurück, auffällig viele davon erinnern an ihre Kriegserfahrung. Sie werden zu Vorreitern einer Aktionskunst, wie sie sich seit Anfang der sechziger Jahre in Wien und auch in Düsseldorf entwickelt. 1962 fand in Muehls Kelleratelier die „Blutorgel“ statt, wahrscheinlich eine erste, sich über drei Tage ersteckende Aktion.
Vor allem verbindet beide ein universaler Anspruch, das Konzept „Kunst ist Leben“. Daher ihr vermeintlich revolutionärer Anspruch der Erweiterung der Kunst auf die soziale Ebene, auf die gesamte Gesellschaft. Muehl spricht von „Totalkunst“, Beuys vom „erweiterten Kunstbegriff“. Jeder Gedanke, jede Handlung soll „gestaltet werden“, fordert Muehl, auch die Menschen, auch die Kommune, sein eigenes Leben, alles wird Kunstwerk. In den Worten Altenbergs: „Wir verstanden uns als Kadertruppe für ein Leben als Kunst, alle sollten ihren Alltag wegwerfen und sich als ein Kunstwerk in Eigenregie betrachten.“ Der hermetisch geschlossenen Truppe offenbarte sich die Vermessenheit dieser Einstellung spät.
Wärme wird für Beuys seit 1965, seit seiner Aktion während des 24 Stunden Happenings in der Wuppertaler Galerie Parnass, zum Inbegriff einer transzendenten, allumfassenden Größe und bildet in seinem Konzept der Sozialen Plastik den bestimmenden Kern.
„Und dass man in der Zukunft das gestalten muß, was man die soziale Wärmeskulptur nennt, das würde die Entfremdung in der Arbeitswelt überwinden, ist auch ein therapeutischer Prozeß, ist aber auch ein Wärmeprozeß. Das geht wieder ganz klar zusammen mit dem Prinzip der Brüderlichkeit, das den Wärmebegriff in sich hat. Das heißt jeder arbeitet für jeden, keiner arbeitet nur für sich, sondern jeder befriedigt die Bedürfnisse eines andren. Während ich selbst von den Leistungen anderer lebe, gebe ich wieder etwas an andere ab, dieses auf Gegenseitigkeit, was ja in einem solch auseinandergenommenen physiologischen Organismus wie im Bienenstock wunderbar zu beobachten ist…“
Eine luziferische Versuchung
Eben einen solchen Bienenstock malt Beuys 1983 auf die ihm aufgespannte Leinwand in Muehls Atelierwohnung im Friedrichshof. Beuys´spontane Antwort auf Muehls andersartige Struktur auf dem Friedrichshof. In der Wiener Ausstellung ist dieses einzige Tafelbild Beuys´zu sehen. Allerdings völlig losgelöst von den Zusammenhängen seiner Entstehung. Eigentlich war es eine Provokation von Muehl, eine Falle sogar, seinen Gast mit einer aufgespannten Leinwand, mit Pinsel und Farbe zu empfangen. Galt „Bildermachen“ in der AAO doch „als etwas Minderwertiges“. Muehls eigener Durchbruch gründet auf der „Zerstörung des Tafelbildes“. Daraus leiten sich seine „Materialaktionen“ ab, die zu den „destruktiven Collagen“ führen. Überhaupt ziemlich viel Destruktion bei Muehl. Die „Zertrümmerung des KF-Hirnes“ wird zur Losung auf dem Friedrichshof. Über haupt galt die KF (=Kleinfamilie) als das Allerletzte. Aber ist Beuys nicht selbst Oberhaupt einer KF mit Ehefrau und zwei Kindern? Wird Beuys auf dem Friedrichshof also in ein „aktionistische Spiel“ hineingezogen, ohne es zu ahnen. Die Szene mutet an als werde Beuys da auf die Porbe gestellt, christlich gesprochen ist es eine luziferische Versuchung.
Wie weit lässt sich Beuys, zu dem Muehl in einem Konkurrenzverhältnis steht, in die Dauerorgie hineinziehen? Schließlich kämpft Muehl permanent um seine Anerkennung als “größter lebender Künstler”. Die Kindermalstunde wird schnell zur Kinder-SD (Selbstdarstellung), eine zweifelhafte Praxis auf dem Friedrichshof. Beuys wird für die Sache der Kommune eingenommen, als prominenter Künstler soll er die aufkommende Kritik an der „Sex-Kommune“ abwenden – und tut es bereitwillig. Er unterschreibt am Ende in Wien eine vorbereitete Erklärung „zu Pressehetze gegen Otto Muehl und den Friedrichshof“. Es ist der erhoffte Persilschein für die AAO. Beuys Anfeindungen gegenüber „der Presse“ als „völlig inkompetent und faschistoid“ sind haarsträubend. „Ich erkläre mich mit meinen Freunden solidarisch und fordere eine sofortige Richtigstellung der Tatsachen“, schreibt Beuys in völliger Verkennung eben jener Tatsachen. Faschistoid war wohl eher der Friedrichshof selbst.
Beuys hat sich einladen und einwickeln lassen. Und zieht spät die Notbremse. Nicht unterschrieben hat er den Anstellungsvertrag mit der Angewandten, den Rektor Oswald Oberhuber ihm unterschriftsreif vorlegt. Die angebotene Professur schlägt er aus. Es kommt zur “Baumpflanzaktion” vor dem Hochschulgebäude. Die “Baumbotschafter” vom Friedrichshof, die ihm seit 1982 bei seiner Aktion “7000 Eichen” zur Dokumenta in Kassel in vielerlei Hinsicht zur Seite standen, zeigen sich auch hier wieder hilfsbereit. „Es war eine reine Pflanzerei, ein Trick, den ich im ersten Moment nicht durchschaute“, grantelt “Ossi” Oberhuber später. Der Künstlerfreund reagiert sauer. „Je länger ich Beuys kannte, desto unsympathischer ist er mir geworden.“
Doch zeigen sich auch deutliche künstlerische Differenzen zu Muehl. Muehl ist Protestant, Beuys Katholik. Während Muehl von “Raserei” omnipräsenter Sexualisierung und Destruktionen getrieben bleibt, wendet sich Beuys der Sozialen Plastik zu, während sich Muehl zum Despoten seiner eigenen Kommune steigert, verfolgt Beuys die Idee der direkten Demokratie. Beuys lässt sich durch Altenberg propagandistisch vor den Karren spannen, doch weiter geht er auf das aktionstische Spiel nicht ein. Er äußert Kritik an den Strukturen auf dem Friedrichshof und fordert dort „demokratische Strukturen“. Nach seinem Besuch verliert sich der Kontakt zu Wien und auch zu Muehl.
Auch das wäre eine Chance für die Wiener Ausstellung gewesen. Wie heiß und ausgiebig wird derzeit über alle mögliche Moral in der Kunst gestritten, zuletzt wegen der Auszeichnung Peter Handkes mit dem Literaturnobelpreis. Besonders da, wo „Kunst ist Leben“ postuliert wird, ist die Trennlinie zwischen Werk und Wirklichkeit hinfällig. Das gilt für Beuys wie für Muehl. Eigenartigerweise wird vom Kunsthandel und auch den Museen in der Causa Muehl vehement auf der Trennung von Kunst und Künstler bestanden. Das ist nicht nur wegen der Verquickung von Erzeugnis und Verbrechen problematisch. Muehl höchstselbst sah sein Leben als Gesamtkunstwerk an. Danièle Roussel, Muehls Agentin und bis zu Muehls Tod treues Mitglied seines Gefolges, erteilte 2010 einer Werkschau Muehls im Wiener Leopoldmuseum der Trennlinie eine Abfuhr: „Man kann einen Menschen nicht vom Künstler trennen. (…) Man sieht einen Menschen in seinen Bildern“.
Wiener Werkblock?
Ein übles Nachspiel fand die Geschichte Beuys/Wien just zehn Jahre nach seinem berühmten Wien Besuch. Anfang 1993 kam es in der Mailänder Akademie der Schönen Künste Brera zu einer denkwürdigen Beuys-Ausstellung Beuys a Brera . Denkwürdig, weil sich unter den in Mailand ausgestellten Beuys-Werken jede Menge Fälschungen fanden. Der Wiener Sammler und Galerist Julius Hummel hatte 28 Tafeln, Objektkästen, Installationen und eine Serie von Zeichnungen ausgeliehen und die Ausstellung maßgeblich betreut. Ein Rechtstreit durch alle Instanzen sollte folgen. Das Werk von Beuys wurde unterdessen schwer beschädigt, weil offenbar nicht nur der „Wiener Werkblock“ gefälscht war.
Oswald Oberhuber, der während der sechziger Jahre die Galerie nächst St. Stephan als Künstler und Organisator aktiv mitgestaltete und nach dem Tod Mauers übernahm, war von 1979 bis 1987 und nochmals von 1991 bis 1995 Rektor der Wiener Hochschule für angewandte Kunst. Im Januar 1983 hatte er Beuys zu einer Podiumsdiskussion u.a. mit Jan Hoet in die Aula der “Angewandten” eingeladen, Beuys wurde später dort vorübergehend Gastprofessor.
Von Oberhuber waren die in Mailand ausgestellten Beuys-Werke an Hummel vermittelt (oder verkauft) worden. Ein Fälschungsskandal, der beträchtlich hohe Wellen schlug und Oberhuber den Rektoren-Job kostete. Der Fall, mit dem zehn Richter beschäftigt waren, währte acht Jahre lang. Heiner Bastian, wohl im Auftrag von Eva Beuys, hatte den “Wiener Werkblock” als Fälschung bezeichnet. Der Kronzeuge des Kunsthändlers Hummel, sein alter Freund Oberhuber, war “umgefallen”. Oberhuber hatte seine eidesstattliche Erklärung, mit der er die Echtheit der Arbeiten bezeugte, widerrufen. Bis heute ist unklar, wie viele der insgesamt 47 zweifelhaften Werke aus der “Sammlung Hummel” aus Oberhubers Werkstatt stammen, wo sie sich heute befinden. Hummel jedenfalls möchte “an den ganzen Fall nicht erinnert werden”.
In der Belvedere-Ausstellung keine Spur davon. Die Geschichte mit dem Wiener Beuys-Block wäre schon einen Saal wert gewesen. Wenn da nicht „Jungfrau Basisraum Nasse Wäsche“ wäre, eine Installation, die Beuys Anfang April 1979 erstmals in der Galerie nächst St. Stephan zeigte und später weiterentwickelte. Sie war, in stark vereinfachter Form allerdings, auch in der Brera mit von der Partie und ist auch in der aktuellen Belvedere-Schau zu sehen. Allerdings in der neueren Fassung. Ein zweiter Tisch kam hinzu. Unter der Glasplatte eine Beuyszeichnung. „Aber die ist eh vom Oberhuber“, wie Fleck vermutet.
Redaktion: Anke Strauch
Die Ausstellung läuft bis 13. Juni 2021
Katalog: Joseph Beuys. Denken. Handeln. Vermitteln. / Think. Act. Convey. Herausgeber_innen: Stella Rollig, Harald Krejci
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Paul-Julien Roberts Dokumentarfilm von 2012 über sein Aufwachsen innerhalb der Otto Muehl Kommune »Meine keine Familie« ist bei Freibeuterfilm erschienen. In »My Talk With Florence« (Polyfilm Verleih) erzählt Florence Burner Bauer von ihren Missbrauchserfahrungen durch Muehl
Theo Altenberg, Oswald Oberhuber (Hg.) Gespräche mit Beuys, Klagenfurt 1988. Der Band domumentiert den Wienbesuch Beuys´im Jan. 1983
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