Insel Hombrioch auf dem Sanierungstrip

Aus für das Graubner Museum

Das mag man großzügig nennen. Der Kunstsammler bestellt seinen Hausarchitekten, um seinem Lieblingskünstler ein Atelier erbauen zu lassen, 400 Quadratmeter groß, Nordlicht, mit Blick in den weitläufigen Park. Dazu 300 Quadratmeter Wohnfläche. Der Künstler bezieht sein Künstleraus mit seiner Lebensgefährtin und beide leben da glücklich siebzehn Jahre lang. Mietfrei, die Nebenkosten trägt der Sammler. So geschehen auf der Insel Hombroich. Der Sammler heißt Karl Heinrich Müller, der Architekt Erwin Heerich, der Künstler Gotthard Graubner und die Lebensgefährtin Kitty Kemr.

„Die ausschlaggebende Figur“, rühmt Inselgründer Müller den Maler Graubner (Erlbach/Vogtland 1930 – 2013 Hombroich), der 1954 aus Dresden nach Düsseldorf geflohen war. „Er war der Motor und hat dann auf den Fahrten mit seiner Frau, seiner Lebensgefährtin Kitty Kemr und mir – wir sind in ganz Europa herumgebraust – Kunst gekauft.“ Zwischen 1982 und 1987 trieb das Trio – der Sammler, der Maler und die junge Kunsthistorikerin – auch kreuz und quer durch China und Japan, immer auf der Jagd nach Neuerwerbungen für Müllers ausufernde Sammlung und die „Insel Hombroich“.

Müller, „der außergewöhnliche Mann mit dem Allerweltsnamen“ (Thomas Kling), erwarb ab 1982 die Erftaue bei Düsseldorf und weitere umliegende Grundstücke und beauftragte den Bildhauer Erwin Heerich, Pavillons zu entwerfen. Graubner, den der Immobilienmakler und Projektentwickler Müller schon in den frühen sechziger Jahren durch Alfred Schmela kennengelernt hatte, fiel die Rolle zu, die Sammlungsbestände einzurichten. Graubners Konzept, geschlossene Werkgruppen, etwa von Corinth, Arp, Schwitters, Fautrier mit anderen über verschiedene Kulturen hinweg in einen Dialog treten zu lassen, sorgte weithin für Aufsehen und hat unverändert Bestand, exemplarisch im zentralen „Labyrinth“. Graubners Hängung ist bis heute sakrosankt.

Gleich mit Graubners Tod im Mai 2013 taten sich Fragen nach seinem künstlerischen Vermächtnis auf. 1994 gab Müller das „Graubner-Atelier“ in Auftrag, zum Einzug 1996 schloß er mit dem begünstigten Freund einen Vertrag, dass drei Monate nach seinem Tod der Atelierraum und drei Jahre später das gesamte Gebäude „der Öffentlichkeit als Museumsgebäude zu übergeben“ ist.

Damit galt als vereinbart, was mit dem kubusartigen Flachbau hoch über der Erftaue nach Graubners Tod geschehen soll. Unter Freunden. Über fünf Jahre dauerte nun schon der Zwist mit Lebensgefährtin und Alleinerbin Kemr (geb. in Slowenien, studierte von 1974 bis 1981 Kunstgeschichte an der Universität Bonn), ob und in welcher Weise sie Graubners Wunsch entsprechen wird, das Haus zu räumen, um dort ein „Graubner-Museum“ entstehen zu lassen. Stattdessen entwickelt sich ein Hin und Her, ein Gezerre und Geschachere zwischen Allerinerbin und der Stiftung Insel Hombroich SIH. Das Land NRW an der Stiftung beteiligt und bezuschußt die SIH mit ca. 700.000 Euro im Jahr.

 

Strittig ist die Frage, wer für die Personal- und Betriebskosten eines Graubner-Museums aufkommen soll. Die Großzügigkeit der SIH endet hier. Sie will das Gebäude sanieren und weiterhin kostenfrei zur Verfügung stellen, mehr nicht. Die von der Alleinerbin initiierte „Gotthard-Graubner-Stiftung“ will mehr. Man mag das schäbig nennen.

Anwälte wurden eingeschaltet, Gutachter, Vermittler und Freude, alles hilft nichts. Zuletzt versuchte sich Norbert Rademacher, der Allzeitvorsitzende der Freunde der Kunstsammlung NRW, ein früher Graubner-Sammler zudem, an der Einigung. Vergebens. Jetzt reißt der dürre Gesprächsfaden ganz. Die SIH kündigt Kemr zum 30. September, weil eine Zwischennutzung „unumgänglich“. Kemr läßt über ihren Anwalt mitteilen, Sie habe „derzeit kein Interesse daran…an einem Graubner-Museum auf der Insel Hombroich mitzuwirken.“ Aus der Traum.

Keine Insel ohne Hoffnung. Die große Sanierungswelle schwappt seit Jahren über das Inselreich. Längst hat man sich aufgeschwungen, die Pavillons nach und nach zu sanieren. Frank Boehm, der neue Geschäftsführer und mittlerweile auch im Stiftungs-Vorstand vertreten, ist als Architekt und Kulturmanager für diese Aufgaben prädestiniert. Drei kleinere Pavillons sind schon fertig, für die größeren Ausstellungshallen, das „Labyrinth“ und das „Zwölf Räume Haus“ zumal, fehlt bislang das Geld. 14 Millionen Euro sind veranschlagt. Nun naht Rettung aus der Berlin. Aus dem Etat von Kulturstaatsministerin Monika Grütters soll ein gehöriger Zuschuß kommen. Wenn die Hoffnung nicht trügt, kann die in beiden großen Pavillons bisher ausgestellten Kunst alsbald im Graubner-Atelier zwischen gelagert werden. Das erspart weite Transportwege und viel Geld für auswärtige Kunstlager.

Das Sanierungsprogramm der Heerich-Bauten selbst ist umstritten. Sie wurden vor über dreißig Jahren als „begehbare Plastiken“ errichtet, ohne jede klimatechnische Einrichtung, also ohne konstante Raumbedingungen. Auch Graubners Hängung wird unangetastet bleiben. Auch das ist vertraglich vereinbart.

Wie das bei „Zwischenlösungen“ so ist, weiss niemand abzusehen, wie lange sie dauern. Noch ist das Geld aus Berlin nicht auf Hombroich eingetroffen. Einen Plan B für das Graubner-Haus habe man nicht, gesteht Inselvorstand Oliver Kruse. So gesehen bleibt doch noch Hoffnung für ein „Graubner-Museum“ – zur Not ohne Kemr. Aber mit Yadwiga Graubner, der Tochter des Künstlers?

“Oder wir finden bis dahin den Giacometti von heute“, spekuliert Kruse. „Der kann dann ins Graubner-Atelier einziehen.“ Also doch: Plan G.

Redaktionelle Mitarbeit Benita Ortwein


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