Mischa Kuballs Lichtkunst zum 40. Geburtstag der Universität. Eine Erleuchtung

Akropolis von Wuppertal

Mischa Kuball. MetaLicht. Light art project for the University of Wuppertal

von Katja Behrens

Mischa Kuball (*1959) hat sich spezialisiert. Er setzt ausschliesslich auf weißes Licht. In der Reduktion liegt die Kraft. Farbiges Licht ist ihm zu bunt, zu jahrmarktartig. Was fürs Stadtmarketing, für einfallslose Hochhäuser in öden Städten oder stillgelegte Kraftwerke im Ruhrgebiet. Mit Licht und Lichtinstallationen will der Konzeptkünstler Kuball unmittelbar ins öffentliche wie auch ins private Leben der Menschen eingreifen. Neben den sichtbaren technischen Apparaten, sind die immateriellen Qualitäten des Lichts Grundlage seiner Lichtkunst: Licht ist Symbol für Erkenntnis, Erleuchtung und Aufklärung und – überdies – ist es einen kaum zu überbietende ästhetische Sensation.

An den Schnittstellen von öffentlichem Raum und öffentlichem Handeln setzen die Arbeiten Kuballs an, in denen neben Geschichte und Kunstgeschichte, Architektur, Städtebau und öffentlichem Raum die einzelnen Menschen die zentrale Rolle spielen, ihre Wahrnehmungen, Bewegungen und die Gesellschaft in ihrem sozialen Funktionieren. „Ich will den öffentlichen Raum nicht der Ökonomisierung preisgeben“, sagt der in Düsseldorf ansässige Konzeptkünstler. Er versteht sich als Seismograph für das sozipolitische Empfinden einer bestimmten Epoche.

Eines der ersten, weithin sichtbaren, partizipatorischen Werke Kuballs war „Mega-Zeichen“ am Mannesmann-Hochhaus in Düsseldorf (1990). Die Mitarbeiter der Firma nahmen an einem abstrakten Werk teil, dessen ganze Strahlkraft erst nach sechs Wochen überhaupt sinnfällig wurde. Sie, die dort arbeiteten, waren maßgeblich daran beteiligt, das Kunstwerk überhaupt entstehen zu lassen.

Bei der Biennale in Sao Paolo 1998 waren es Favela-Bewohner, die eine alte gegen eine neue Lampe tauschten (Private Light/ Public Light). Seit 2010 sind es Bewohner des Ruhrgebiets, die im Tausch für eine Lampe, die Geschichte ihrer Migration und ihres Ankommens in der Ruhrgebietsgesellschaft erzählen (New Pott / 100 Lichter / 100 Gesichter). Überhaupt sind es oftmals Anwohner, die direkt und über einen längeren Zeitraum der Lichtkunst ausgesetzt sind. So ähnlich wie in Wuppertal. Die direkten Nachbarn der Synagoge Stommeln in Pulheim etwa, die sich mit ihrer Zustimmung für die Kunst stark gemacht hatten, waren nicht nur dem gleißenden Licht, mit dem der Künstler die Synagoge von innen strahlen ließ („Refraction House“, 1994), ausgesetzt, sondern auch den Befürchtungen, mit dieser Illumination den Ort zum ausgezeichneten Ziel von antisemitischem Vandalismus zu machen. Aber, „die Menschen haben mit ihrem Mut den Nazis Paroli geboten. Der magische Ring der Menschen war ein Schutzschild.“

Und jetzt Wuppertal. Seit vierzig Jahren schon sind die Gebäude der Bergischen Universität Anwohnern ein Dorn im Auge. Es soll Wuppertaler geben, die den Betontrumm an prominenter Stelle am Grifflenberg immer noch am Liebsten wieder abreißen würden. Vermutlich weil das Gebäude der früheren Fachhochschule und heutigen Universität Gesamthochschule nicht repräsentativ genug, nicht schön genug, nicht nötig… was auch immer sei. Es stört.

Johannes Rau, berühmter Sohn der Stadt, Wuppertaler Oberbürgermeister, späterer Ministerpräsident Nordrhein-Westfalens und Bundespräsident, hatte schon 1966 als Vorsitzender der SPD-Ratsfraktion und Landtagsabgeordneter im Stadtrat die Gründung einer wissenschaftlichen Gesellschaft zur Vorbereitung einer universitären Hochschulgründung in Wuppertal vorgeschlagen. Drei Jahre später, nun Oberbürgermeister der Stadt, wird der Plan weiterverfolgt, 1971 ihre Gründung tatsächlich beschlossen und nur ein Jahr später als Gesamthochschule vollzogen.

Es war 1970, da hatte auch ein Gutachten des Bundesministeriums für Bildung und Wissenschaft neben anderen Städten auch Wuppertal als möglichen Standort ins Auge gefasst: „Regional differenziert sollen in den neuartigen „Gesamthochschulen“ bislang benachteiligte Bevölkerungsschichten akademische Bildungschancen erhalten“, wie auf der Internetseite der Bergischen Universität zu lesen ist. Wie schon in den 1960er Jahren in Bochum, als mit der Gründung der Ruhr-Universität 1962 (Lehrbetrieb ab 1965) ebenjener Bildungsauftrag im westlichen Ruhrgebiet erfüllt werden sollte.

So konnten und wollten die Reformhochschulen durchaus auch als ein Statement gegen die feudalen, bildungsbürgerlichen Attitüden einer vergangenen Epoche verstanden werden. Fortan sollte niemand mehr wegen seiner Herkunft ausgeschlossen werden. “Bildung für alle” war das große Ziel.

Gilt der immer noch anhaltende Zorn mancher Wuppertaler dieser Tatsache oder dem architektonischen Ensemble als ästhetischem Schrecknis? Wohl eher Letzterem, doch sind die Stimmen in letzter Zeit sowieso ein bisschen leiser und müder geworden. Wirklich gemocht aber wird die Uni nicht.

Jetzt aber gibt es doch wieder einen Anlass, die ungeliebte Uni noch einmal in Augenschein zu nehmen und sich erneut zu fragen, was denn eigentlich stört. Oder, warum es vielleicht doch gut ist, sie zu haben.
Die Studentenkneipe ganz unten im eckigen Beton-Tal ist noch geöffnet. Von hier hat man einen ganz anderen Blick auf die am oberen Rand der Gebäude immer wieder abbrechenden, leuchtenden Linien als vom Obi-Parkplatz unten in der Stadt. Von dort nämlich überblickt man alles aus der Ferne, ein Panorama mit Straßenlaternen und Reklametafeln im Vordergrund, den Gifflenberg dahinter, ein wenig drohend im Dunkeln. Fast. Denn die Silhouette der Universität zeichnet sich in immer wechselnden Formationen am dunklen Himmel ab. Die hellen Lichtlinien verlaufen entlang der Gebäudekanten, umschließen aber nie gänzlich eine Form der Architektur. In kurzen Intervallen ändern sich die geometrisch-linearen Figuren und Figurationen. Ohne dass sie zusammen hängen, sieht man, dass sie zusammen gehören. Das Licht unterscheidet sich in Helligkeit und Qualität von der sonstigen Beleuchtung der Uni. Überhaupt sind jetzt, am Abend, auch nur noch einige Fenster erleuchtet, bald wird es wohl ganz dunkel sein. Oder, vielleicht doch nicht ganz.
Das, was vorher wie eine düstere Krone aus Beton über der Stadt schwebte, ist auf einmal, mit den abbrechenden bewegten Lichtbändern zu einem lebendigen Bild geworden. Es erinnert in seiner Fragmentierung ein bisschen an eine Ruine: Die „Akropolis von Wuppertal“.

Unterhalb des Burgbergs lag, im antiken Athen, die Agora, jener zentrale Fest-, Versammlungs- und Marktplatz, der zugleich eine bedeutende soziale Institution war, Veranstaltungs- und Kultplatz zugleich. Als Ort der Volks- und Gerichtsversammlungen kam der Agora eine wichtige Rolle für das geordnete Zusammenleben der Gemeinschaft zu. Hier fanden sportliche und musische Wettkämpfe statt, hier wurde Demokratie gelehrt und gelebt. Jedenfalls war dies das Konzept.

Ist das aber nicht ein guter Grund, mit Stolz den 40ten Geburtstag der Universität zu feiern, die die Stadt zu ihren Füßen auf eine Weise lebendig werden lässt, die mit Wissen und Neugier, Forschergeist und Kreativität zu tun hat? Sind da nicht eine Feier und ein feierliches Zeichen geboten?

Anscheinend ja, denn der Zuspruch von Bürgerseite wächst inzwischen, zumal ja auch bekannt ist, dass das Lichtwerk, dank seiner regenerativen Energieerzeugungsanlage kostenneutral funktioniert. Es ist also eigentlich ein wirkliches Geschenk, ein Geschenk von Wuppertaler Bürgern, Stiftungen und Firmen an die Wuppertaler Bürger. Der Protest vor allem von Studierendenseite an der Verwendung des Geldes, das die Uni für „dringendere“ Maßnahmen hätte gebrauchen können, lief ins Leere, denn eine Umwidmung des gespendeten Geldes war nicht möglich. Was auch gut ist, denn für ausreichend Lehr- und Forschungsmaterial, Räume und bezahltes Personal sind Stadt und Land verantwortlich.
Freilich gibt es immer noch auch spöttische Kommentare von Anwohnern, die weder das Licht noch die Kunst sehen möchten.

Bedarf auch eine Lehr- und Bildungsanstalt heute des Schutzes? Einer schützenden Bekrönung? Womöglich ja. Vielleicht aber hilft es auch schon, von Zeit zu Zeit an die heilende und erhellende Wirkung von Licht oder Kunst zu erinnern.

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Oh my dear!

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