Mischa Kuball ist gerade mal wieder dabei, seine Rolle als “Lichtkünstler” zu reflektieren. Er ist den Ambivalenzen des Wirkstoffs Licht auf der Spur, den schädlichen Aspekten, den Licht z.B. auf die Umwelt hat (Lichtsmog), er fragt nach den Folgen der Energieverschwendung durch allgegenwärtiges Kunstlicht, oder geht den Foltermethoden nach, bei denen Gefangenen grellem Dauerlicht ausgesetzt werden.
Wo viel Licht, da ist auch viel Schatten, diese Binsenweisheit ist nur ein Ausgangspunkt auf Kuballs künstlerisch-konzeptuellen Reise zum Licht. Die dauert nun schon über dreißig Jahre, und immer noch ist kein Ziel in Sicht. Jede Erkenntnis, weiß der Künstler und Professor an der Kunsthochschule für Medien in Köln erzeugt neue Unsicherheiten und neue Fragen.
Da erscheint Kuball eher wie ein Sisyphos des Lichts, der mit seinem Schicksal keineswegs hadert, wenn er von mal zu mal scheitert und seinen Stein erneut den Berghang hinauf zu rollen beginn. Der Berg in Kuballs Kontext ist eine Frage: “Was sehen wir, wenn wir sehen? was ist Licht, was Schatten?” Beharrlich entwickelt er seine Lichtkunst auf einer gedanklichen Bahn, um neue Erkenntnisse und neue Fragen zu gewinnen. Licht ist ihm “der zentrale Werk- und Wirkstoff, der zwischen Menschen wirkt und Prozesse in Gang setzt.”
Ein herausragendes Beispiel dieser “public participation” ist seine “sehr persönliche Forschungsreise” ins Ruhrgebiet. Das Projekt “New Pott” wurde zu einem der wenigen von Ruhr 2010, die internationale Aufmerksamkeit fanden. Kuball brach zu hundert Familien auf, die im Pott wohnen, ihr neues Zuhause auch oft nach Jahrzehnten noch suchen. Er brachte ihnen als Gastgeschenk eine simple Stehlampe mit einer weiß leuchtenden Glaskugel mit in ihr Zuhause und stellte ihnen Fragen: Wie leben dieses Menschen in der neuen Fremde, die ihr Zuhause geworden ist und: Wie haben sich diese Lebensräume verändert? Die Ausstellung wird demnächst in New York und Polen gezeigt. In einem dicken Buch sind die 100 Gespräche und die Wohnzimmerbilder samt Stehlampe zusammengefaßt. Überraschend zeigt sich, wie sehr diesen Newpottlern ausgerechnet der Pott zu einem Stück Erde geworden ist, wo man bleiben will. In fünf Jahren will sich Kuball erneut auf die Reise zu den 100 Pott-Familien machen, um nachzufragen, wie ihr Leben mit der neuen Stehlampe verlaufen ist.
“Wir leben im Zeitalter des Lichts”, da ist sich Mischa Kuball sicher und gar nicht sicher, welche neuen Unsicherheiten und Fragen diese Erkenntnis nun wieder auslöst. Die Lichtgeschwindigkeit jedenfalls “ist unsere Meßlatte.” Bislang unhinterfragbar. “Unsere globale Kommunikation wird sich daran ausrichten”, wagt der Künstler eine Prognose und ist selbst ständig unterwegs, megakommunikativ wie höchstpersönlich. Bis 2014 wird seine zentrale Lichtinstallation “Platon´s Mirror” 15 Stationen erleben. In diesem Jahr in Belgrad und Bukarest und im September in der Düsseldorfer Kunsthalle. Seine künstlerische Reflektion über die Aktualität des “Höhlengleichnisses” ist zugleich eine Suche nach “letzten” philosophischen Aufhellungen wie eine spielerische Annäherung an die immaterielle Größe Licht – Schatten inbegriffen.
An seinem Wohn- und Arbeitsort Düsseldorf wird Kuball sein neues Werk “image apparatus” im Rahmen der Ausstellung “STATE OF THE ART PHOTOGRAPHY” im NRW-Forum vorstellen. Kuball wurde als einer von 41 internationalen Fotografen ausgewählt, die die Diskussion der kommenden Jahre bestimmen wird. In 57 Schritten wird Kuball die Bildentstehung in einer Sofortbildkamera mit Hilfe von Computertomographien zerlegen und auf einer großen Schauwand projezieren. Von der Lichtkunst zur konzeptuellen Fotografie ist es für Kuball kein weiter Weg. Es sind nur zwei Pole seines Universums, zwischen denen er mit annähernder Lichtgeschwindigkeit unterwegs ist.
C. F. Schröer
MODERNE FOTOGRAFIE nennt sich die zentrale Ausstellung des Düsseldorfer Foto-Aufbruchs im NRW-Forum. Ein „advisory board“ u.a. aus Klaus Biesenbach, Uod Kittelmann, Thomas Seeling, Andrea Holzherr, Andreas Gursky, Thomas Weski und dem Grand Segnieur der Modefotografie FC Gundlach haben 41 Fotografen aus Europa, Amerika und Südafrika eingeladen, einen Blick in die Zukunft der Fotografie zu wagen. „Die neuen Fotografen haben einen anderen Blickwinkel auf die Geschichte der Fotografie. Sie haben neue Heroen – aus der Geschichte und aus anderen Disziplinen. Sie haben keine Scheu mehr vor dem Auratischen und Sublimen“, heißt es dazu aus dem NRW-Forum. Es bekommt der verbecherten Düsseldorfer Fotoszene sicher gut, nach anderen Heroen Ausschau zu halten. Mischa Kuball wird in der ambitionierten Ausstellung als konzeptueller Fotograf mit einer großen neuen Arbeit präsent sein.