Kunst ?

Hans-Peter Feldmann dreifach in Düsseldorf

Am Ausgang steht ein Pappschild auf dem Sockel: THANK YOU. Der freundliche Herr Feldmann läßt grüßen. Bedankt er sich hier posthum für unseren Besuch?

Wir grüßen zurück und wundern uns über diesen Mann, durch dessen Retrospektive wir eben spazierten. Ein Spaßvogel? Ein Schalk? Oder vielleicht ein Störenfried? gar ein Provokateur, ein Kunst-und Quertreiber? Oder ein Kunst-Clown, der anderen gerne die rote Nase aufsetzt oder die rosa Brille von der Nase zieht? Wie nah Genie und spielerischer Unsinn manchmal beieinanderliegen, das läßt sich bei Feldmann erfahren. Aber vertrrackterweise so, dass eins zum anderen gehört.

Jedenfalls stellt Hans Peter-Feldmann (17. Januar 1941 in Hilden – 26. Mai 2023 in Düsseldorf) die besten und auch die lustigsten Fragen an die Kunst und wurde damit zum bedeutendsten Konzeptkünstler nach dem legendären Urvater der Konzeptkunst, Marcel Duchamp. Auch in Andy Warhols großen Spuren wandelt er spielerisch, bisweilen übermütig. So recht ist er keines geworden, weder Konzept- noch Popart-Künstler, sondern zur Verblüffung aller, ein großer Künstler zwischen den Stühlen und Schulen, fernab der Systeme und Dogmen. Er konnte das werden, weil er sich von allem Akademismus absonderte.

Warum ist er kein Weltstar geworden ist? Vielleicht liegt das an seinem spielerischen Eigensinn und seiner eigenwilligen Bescheidenheit und daran, dass er nie groß aus Düsseldorf rausgekommen ist. Außer nach New York, wo er einst im Guggenheim-Museum ausstellte. Das Preisgeld (des Hugo Boss-Prize) liess er sich bar auszahlen und tapezierte mit den Dollarnoten die Wände des Museums.

Ähnlich wie Duchamp zu Beginn des 20. Jahrhunderts stellt Feldmann die Kunst mit stupenden, verblüffend einfachen Einfällen infrage. Aber Feldmann liebt das doppelbödige Spiel, den verdrehten Spaß und sogar die unfreiwillige Komik bis hin zum Kalauer. Und ist darum nicht weniger profund und radikal. Sein feiner Humor mißtraut auch den größten Erfindungen der Konzept-Art. Das Ready-Made etwa nudelt er solange durch Wiederholungen rund, bis seine Sonderstellung als Original endgültig verschlissen ist. Seine Fotoserien und Künstlerbücher erscheinen in unbegrenzten Auflagen, was einer Popularisierung der Kunst zugutekommt und den Kunstmarkt schmerzt. 

Schon von Kindesbeinen an begann er mit dem Sammeln. Hans-Peter sammelte, was anderen wenig wert erschien, was sie übersahen, liegen ließen oder mißachteten. Alles ist aus dieser kindlichen Leidenschaft erwachsen. Feldmann sammelte und sortierte, sortierte neu und andersherum. Vor allem aber liebte er es, mit seinen zahlreichen Sammelsurien zu spielen. So blieb er lebenslang Kind. Man sah es ihm bis ins Alter an. Doch Feldmann, Sohn eines Drogisten aus Hilden, hatte noch eine zweite Leidenschaft. Er war Kaufmann durch und durch. So sehr liebte er seinen Laden, das Ein-und Verkaufsgeschäft, den Handel, dass er seine Sammelleidenschaft, Nautika, Silberwaren, Fingerhüte, Postkarten, Blechspielzeug und so vieles mehr, mit in sein Geschäft aufnahm – und beides noch in die Kunst überführte. Feldmann trug stets Anzug wie es sich für einen ordentlichen Kaufmann gehört. So hinterließ er auch dieses Bild: Ein kindlich lachender homo ludens im Anzug.

Das ist vielleicht das Eigenartige und Einzigartige an diesem freundlichen Autodidakten und Outsider, er hintertreibt die Kunst und den Kunstbetrieb mit seinem abgründigen, im besten Sinne rheinischen Humor. Seine Fragen lauten: Was macht die Kunst zur Kunst? – Der Künstler, die Umstände oder der Betrachter? Oder liesse sich das Ganze nicht auch anderes sehen, zum Beispiel von hinten (Gemälde stellt er mit dem Gesicht zur Wand aus), von unten (Feldmann liebt Nippes), oder auf dem Kopf stehend (ein VW-Käfer)?

Die Ausstellung im Kunstpalast ist rundrum feldmann-fabelhaft. Sie konnte mit dem Künstler noch in seinen letzten Lebensjahren abgestimmt werden. Er hat Titel, Werkauswahl und Anordnung selbst festgelegt, die schönsten Leihgaben stammen aus seinem Nachlass, der von seiner Frau Uschi gepflegt wird.

Wie sein „Laden“, den er bis 2015 in der Düsseldorfer Altstadt führte (und seitdem im Lehnbachhaus in München geöffnet hat), sein „größtes Kunstwerk“ (Feldmann über Feldmann) ist, so läßt sich auch von seiner fabelhaften Retrospektive sagen:

Sie ist sein Spät-Wunder-Werk, posthum, unschätzbar irritierend, wundervoll gelungen und bodenlos lustig.

Nach Aufgabe des Ladens hat Feldmann nur noch selten in seine Trickkiste gegriffen. Doch 2017 wurde er zum Modefotografen. 12 Photografien zu Entwürfen der Bielefelder Modeschöpferin Maria Grefe bilden seine letzte Serie. Eine Laune? eine weitere Selbstbefreiung? ein letztes Rollenspiel mit 76 Jahren? Wir wundern uns und hören Feldmann laut grinsen.


Hans-Peter Feldmann-Ausstellungen

Kunstpalast
bis 11. Januar 2026
Ehrenhof 4-5, Düsseldorf

Konrad Fischer Galerie
bis 15. November
Platanenstraße 7, Düsseldorf

Rizzuto Galerie https://www.rizzutogallery.com

bis 18. Oktober

Ackerstr.34, Düsseldorf


Lesen Sie weiter

Kunst für Jedermann

Feldmann gibt seinen „Laden“ dran

„Kunst ist so einfach“


Ein waches Auge

Höhepunkt des Abends war vielleicht der Auftritt von Margot Friedländer. Mit 101 Jahren trat die Holocaust-Überlebende an die Bühne, wandte sich nach dem Konzert an

Read More »

© 2022 All rights reserved