~ Von Julia Stellmann, 08.04.2021 ~
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Bereits vor dem Pandemiejahr im Trend erfreuen sich Podcasts immer größerer Beliebtheit und generieren zunehmend eine wachsende Zuhörerschaft. Dabei bedienen sich die kostenlos abrufbaren Audioinhalte einer bereits vorhandenen Technik, so dass mit geringem Aufwand Podcasts sowohl von ProduzentInnen bereit gestellt als auch von KonsumentInnen über Streaming-Dienste, Apps oder entsprechende Websites empfangen werden können. Besonders gefragt sind Inhalte zu Themen wie Politik, Unterhaltung und Comedy sowie zu aktuellen Ereignissen wie jüngst der Corona-Pandemie. Die unkomplizierte Verfügbarkeit und der weder orts- noch zeitgebundene Konsum sind Merkmale, die in einer neuen Form des Hörens eine breite Zuhörerschaft ansprechen. Podcasts lassen aber nicht nur den Rezipierenden mehr Wahlfreiheit, sondern auch den ProduzentInnen, da die Entwicklung von Formaten bestehend aus Interviews, Monologen oder Beiträgen mit O-Tönen ein breites Spektrum zur kreativen Entfaltung bereithält. Durch die Corona-Krise und die erhöhte Zeit zuhause entstand im letzten Jahr ein regelrechter Hype, der das Nutzungsverhalten fortwährend ansteigen ließ. Mit wachsender Zuhörerschaft erweitert und differenziert sich auch das Angebot, so dass zunehmend Nischenthemen wie Kunst-Podcasts von AkteurInnen der Kunstwelt besetzt werden und sich zu Geheimtipps der Szene entwickeln.
So tragen immer mehr Museen und Ausstellungshäuser ihre Sammlungsbestände und aktuellen Ausstellungen in Form von Podcasts auditiv an das interessierte Publikum heran. Die Schirn Kunsthalle veröffentlichte als erste deutsche Kunstinstitution bereits 2015 ihren eigenen Podcast, das Städel Museum, die Kunstsammlung NRW und weitere zogen nach. Ist der Podcast wohlmöglich sogar der neue Audioguide? Geringe Einstiegskosten und eine hohe Reichweite sind verlockend, bietet der Podcast sich, angesiedelt auf der Schnittstelle zwischen Vermittlung und Marketing, doch neben der ganzheitlichen Entwicklung der BesucherInnen auch an, um auf aktuelle Angebote hinzuweisen und die eigene Marke zu stärken.
Podcasts bilden eine Gegenbewegung zu den schnelllebigen Social Media Plattformen, da die einzelnen Folgen, Episoden genannt, in gesamter Länge bestehen bleiben und jederzeit abgerufen werden können. Die Kunst ist es, mit Worten Bilder entstehen zu lassen und die HörerInnen auditiv mit ins Museum zu nehmen. Dabei bietet ein Podcast nicht nur das Forum, um über Objektbeschilderungen hinaus thematisch in die Tiefe zu gehen, sondern auch verborgene Bereiche des Museums sichtbar zu machen. Neben Sammlung, Ausstellung und Vermittlung können Interessierte an zumeist weniger außenwirksame Handlungsfelder wie Forschung und Bewahrung herangeführt werden.
Der Blick hinter die Kulissen, wie ihn das Museum Ludwig in seinem Podcast gewährt, macht die Institution Museum begreifbar, stellt die Köpfe hinter den vielfältigen Aufgaben eines Museums vor und senkt die Eintrittsbarrieren für BesucherInnen. In bisher fünf Folgen werden im „Museum Ludwig Podcast“ Gesichter des Museums vorgestellt und VermittlerInnen, KuratorInnen, RestauratorInnen sowie das Sicherheitspersonal zu ihrem jeweiligen Berufsfeld befragt. Zuletzt erhalten wir Einblick in den Berufsalltag des Museumsdirektors Yilmaz Dziewior, der Tipps für BerufseinsteigerInnen gibt, für mehr Diversität wirbt und über Pläne bezüglich der Halle Kalk, einer Dependance des Museums, spricht.
Vielfalt ist auch das Schlüsselwort für das breite Angebot an Kunst-Podcasts, die innerhalb des Nischenthemas wiederum eine eigene Nische besetzen. Der Podcast „Kunst in Berlin“ der Berlinischen Galerie richtet seinen Fokus auf AkteurInnen des Berliner Kunstbetriebs, beleuchtet Berlin als Kulturstandort und nimmt aktuelle Herausforderungen für Museen in den Blick. Der Direktor der Berlinischen Galerie Thomas Köhler kommt dabei mit Berliner KünstlerInnen, KuratorInnen und ForscherInnen ins Gespräch.
Interessant, weil anders als die übrigen Podcasts, dafür aber über die Kooperation mit ByteFM mit dem linearen Radio verbunden, ist „Städel Mixtape“, in dem Bilder der Sammlung des Städel Museums in kurzen Beiträgen vorgestellt und in einen zum jeweiligen Werk passenden Soundtrack eingeflochten werden. So wird zum Beispiel ein Gemälde von Vilhelm Hammershøi in sphärische Klänge von Erik Satie bis The Cure eingebettet, die zeitlich oder thematisch zur Interieurszene in Verbindung stehen.
Aber auch Kunstmagazine, Auktionshäuser und Galerien entdecken das auditive Medium zunehmend für sich. So greift der Podcast „Kunst und Leben“ von Monopol einmal im Monat ein neues Thema aus dem Heft auf und kommt mit InterviewpartnerInnen ins Gespräch. Interviews mit spannenden AkteurInnen der Kunstwelt sind grundsätzlich ein beliebtes Format in der Podcastszene. Die Journalistin Rebecca Casati spricht beispielsweise für das Auktionshaus Grisebach im kulturell breit aufgestellten Podcast „Die Sucht zu sehen“ mit KünstlerInnen, AutorInnen und MusikerInnen. In einer der Episoden kommt sie mit der Autorin der Erfolgsbiografie über Hilma af Klint, Julia Voss, über Frauen in der Kunst ins Gespräch. Voss entkräftet in einem Resümee die übliche Rechtfertigung, es ginge in der Auswahl von KünstlerInnen um Qualität und nicht um Quoten. Die Autorin merkt an, dass homogene Gruppen auf die Bevorzugung gleichförmiger Lebensläufe statt auf Qualität als vorrangiges Kriterium schließen lassen. Im Gegenteil lässt das Augenmerk auf Qualität gerichtet, vielmehr Diversität entstehen und gibt neuen Blickwinkeln Raum.
Große Beliebtheit erfreut sich zudem der Podcast des auf allen Plattformen gleichermaßen aktiven Galeristen Johann König, der von der Galerie König vertretene KünstlerInnen, aber auch SammlerInnen, KuratorInnen und KunsthändlerInnen zu Belangen des Kunstmarktes befragt. Immer wieder lässt sich die persönliche Nähe und familiäre Bindung zu InterviewpartnerInnen wie Hans Neuendorf oder Hans Ulrich Obrist spüren. Mehr noch greift der medial überpräsente Galerist mit seinem neuen Podcast „Kunst Crime“ die hohe Nachfrage nach Kriminalpodcasts auf, die mit „Zeit Verbrechen“, dem Podcast der stellvertretenden Chefredakteurin der Zeit Sabine Rückert, die von ihren Erfahrungen als Gerichtsreporterin berichtet, Einzug in die Podcast-Charts hielt und diese seitdem nachhaltig beherrscht.
Mein absoluter Podcast-Favorit ist und bleibt aber „Finding van Gogh“ vom Städel Museum, der im Zusammenhang mit der Ausstellung „Making van Gogh“ 2019 entstand und die HörerInnen auf die Suche nach dem verschwundenen Gemälde „Bildnis des Dr. Gachet“ mitnimmt. Der Journalist Johannes Nichelmann zeichnet in dieser Serie die Reise des Meisterwerkes nach und trifft auf ZeitzeugInnen, ExpertInnen und Van-Gogh-Begeisterte.
Podcasts erfordern von ihrer Zuhörerschaft eine andere Form der Rezeption als Inhalte auf Social Media oder virtuelle Ausstellungen. Sie gehen in die Tiefe und vermitteln Inhalte auf auditive Vermittlung zugeschnittenen Plattformen. Wer eine Episode eines Kunst-Podcasts abspielt, der kann sich nicht schnell durchklicken, sondern muss sich auf das Erzählte einlassen, sich Zeit nehmen und den Stimmen ein aufmerksames Ohr leihen.