Potenziale

Künstlersiedlung Golzheim im Siechgang

Licht von vorne. Atelier 13 im Leerzustand

Baukünstlerin Anastasia Matis

Was macht man als Erstes in der neuen Stadt? Anastasia Matis, gerade neu in Düsseldorf angekommen, drehte erst einmal eine Runde durchs Quartier. Dabei stieß die angehende Architektin, 1998 in Quakenbrück geboren, auf ein sonderliches weißes Dorf. „Charmant abgerockt“, fand sie. Doch „irgendwie inspirierend“.

Nach Abschluss ihres Architekturstudiums an der Münster School of Architecture, MSA war sie zu einem Masterstudium an die Kunstakademie Düsseldorf gewechselt. Auf dem Rundgang stellt sie jetzt ihre Entwürfe zur Sanierung und Erweiterung der seit 1936 bestehenden „Künstlersiedlung Golzheim“ vor. Ihre Arbeit wird von den Professoren der Baukunstklasse Inge Vinck und Thomas Kröger betreut. Zudem ist Matis Tutorin der Baukunstklasse von Akademierektorin Donatella Fioretti.

Inspiriert von diesem einzigartigen Ort, hat Anastasia Matis in den vergangenen Monaten die Siedlung immer wieder aufgesucht, dort ansässige Künstler getroffen und sich ein umfassendes Bild von dieser alten, in die Jahre gekommenen außerordentlichen Künstlerkolonie im Düsseldorfer Norden gemacht. Ihre Recherchen stellt sie jetzt unter dem Titel „Künstlersiedlung Golzheim. Potenziale und Gedanken“ in der Akademie auszugsweise vor.

Die Wohnraumfrage stellt sich. Modell mit Zubauten, Künstlersiedlung Golzheim

Eine Ausstellung in einem der Gastateliers wird ihre gesamte Planungsarbeit an Ort und Stelle vorstellen (13. bis 16. April). Matis Pläne beziehen sich vor allem auf die Umgestaltung der Franz-Jürgens-Straße zu einer verkehrsberuhigten Straße mit verschiedenartigen Obstbäumen. An dieser Straße liegen alle zehn Künstlerhäuser mit ihren Gärten. Dazu kommt ihr Vorschlag einer Erweiterung des angrenzenden großen Atelierhauses. Matis sieht hier eine Holzwerkstatt, Ausstellungsräume, dazu eine Materialbibliothek vor, auch ein Café könnte einziehen.

Das Atelierhaus wurde 1936 nach einem Entwurf des Düsseldorfer Architekten Hans Junghanns im moderat modernen Stil erbaut. Als Künstlergemeinschaftshaus mit 12 Ateliers und einem Ausstellungsraum war das um einen Innenhof gruppierte Bauwerk Teil der bis heute bestehenden Mustersiedlung, die von den Nazis „Schlageterstadt“ genannt wurde (heute „Weiße Siedlung“). Im Jahr der Pariser Weltausstellung wollte Nazideutschland mit der „Reichsausstellung Schaffendes Volk“ vor allem die Fortschritte auf dem Weg zur Autarkie und Wiederaufrüstung machtvoll demonstrieren. Adolf Hitler und Albert Speer besuchten die Ausstellung im Herbst 1937.

Die gesamte Künstlersiedlung Golzheim befindet sich im Eigentum der Stadt Düsseldorf. Sie wurde 2016 in die Bestände der Städtischen Wohnungsbaugesellschaft Düsseldorf übertragen. Die SWD wird als eigenständige GmbH & Co. KG geführt und verwaltet an die 8500 Wohnungen. Einerseits ist sich die Firma – die Städt. Wohnungsbau-GmbH & Co. KG Düsseldorf (SWD KG I) und die Städt. Wohnungsgesellschaft Düsseldorf mbH & Co. KG (SWD KG II) – „ihrer sozialen Verantwortung für die Menschen in Düsseldorf bewusst“, so sagt es ihr Leitbild. Andererseits ist die SWD gehalten, Wohnungen zu modernisieren und zu erbauen und wirtschaftlich rentabel zu arbeiten. Die SWD KG I befindet sich zu 100 Prozent im städtischen Besitz. „Sie wird sich auch als starke und verlässliche Partnerin für die Stadt bei der Realisierung der neuen städtischen Wohnungsbauoffensive erweisen,“ so zuletzt der Düsseldorfer OB Stephan Keller (CDU) im aktuellen Geschäftsbericht.

Bei einem Bodenrichtwert von 2700 Euro pro Quadratmeter hat die Künstlersiedlung einen aktuellen Marktwert von mindestens 25 Millionen Euro. Die Bebauungspläne sollen demnächst geändert werden, so dass auch Zubauten in dem denkmalgeschützten Ensemble möglich werden.

Atelierhaus mit einer Skulptur von Hermann Focke (vorne links)

Deshalb macht sich nicht nur der BDA Düsseldorf Sorgen um den kümmerlichen Erhaltungszustand der Künstlersiedlung. Bereits 2017 befanden die Architekten den baulichen und gärtnerischen Zustand besonders des Atelierhauses als „niederschmetternd“. Der auf den ersten Blick intakte Eindruck von dem Zustand der Anlage täuscht. Denn bei genauer Betrachtung sind immer noch gravierende Mängel vorhanden: Spechtlöcher neben bedenklich morschen Stellen an der Konstruktion, Stützfüße, die vor sich hin rotten, weil sie ungeschützt auf dem nassen Ziegelboden aufstehen, verrostete Stahlmanschetten, funktionslos, da defekt. Alle Zinkarbeiten sind im Detail dilettantisch und nicht denkmalgerecht ausgeführt. Mit dem Innenhof und den gebäudenahen Grünbereichen sieht es ähnlich trostlos aus, beklagte Architektin Prof. Ursula Ringleben vor Jahren.

Trotz mehrmaliger Anfragen und Protest blieb es bei minimalen Reparaturen. Ein Künstlerhaus (hier lebte und arbeitete der Bildhauer Karl-Heinz Kleine bis zu seinem Tod im Mai 2022) steht leer. Auch das Atelier des im August 2023 verstorbenen Autodidakten Dieter Hiesserer ist verwaist. Das Atelier von Herman Focke wurde erst nach dreieinhalb Jahren Leerstand an den Maler Max Frintrop (* 1982 in Oberhausen) vergeben. Allerdings gibt es hier eine auffällige Verschiebung. Wurde dieses geräumige Atelier bisher als „Wohnatelier“ vermietet, ist der Wohnzweck jetzt ausgeschlossen. Der Mieterschutz entfällt. Ein Modell für die weitere Vergabe? Andere Gastateliers wurden mangels Heizung gar nicht vergeben. Eine Spur der Verwahrlosung zieht sich durch die Siedlung. Im Getriebe zwischen SWD als Vermieterin und Kulturamt als Vergabeinstanz droht die Künstlersiedlung zerrieben zu werden.

Warum das Kulturamt keine Neubesetzungen der doch dringend benötigten Ateliers veranlasst, bereitet vor dem Hintergrund des neuen Bebauungsplans und der eingeschränkten Ateliernutzung vielen Angst und Sorgen. Gibt es hier eine langfristig angelegte Strategie der Vermarktung? Hat das Kulturamt einen Plan der zukünftigen Vergabe der Ateliers für diesen besonderen Ort? Vom Kulturamt bisher keine Stellungnahme.

Carl Friedrich Schröer


Nachlass Atelier Hermann Focke


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