„Es waren zehn tolle Jahre in Berlin“ schwärmt der Sammler Thomas Olbricht (Jhrg. 1948) und schließt überraschend den me Collectors Room in der Berliner Auguststraße 68.
Nach 42 Ausstellungen, die keineswegs nur Sammlungsteile oder Künstler der Sammlung vorstellten, ist Schluss. „Auch nach mehreren Anläufen haben wir es nicht geschafft, in Berlin sesshaft zu werden.“ Also ließ er für sich und seine Frau Claudia ein neues Zuhause im Essener Süden bauen. Der Umzug ist fast abgeschlossen. In den Eingang wird des Sammlers jüngste Neuerwerbung einziehen, „Sinn frisst“, ein Portrait von Jonas Burgert. Sobald dessen Einzelausstellung im Bahnhof Rolandseck abgelaufen ist (bis 16. August) wird auch dieses Werk nach Essen umziehen.
Wohin aber mit der weit verzweigten Sammlung, eine der größten und bedeutendsten in Europa? – „Da fragen sie mich zu früh“. Mit dem Folkwang Museum in Essen führt er immerhin „nette Gespräche“. Olbricht ist dem Haus vielfach verbunden als Vorstand der Stiftung Folkwang, als Mitglied des Verwaltungsrats wie des Kuratoriums. Mit Peter Gorschlüter, dem Direktor, fühlt er sich freundschaftlich verbunden. Das wird die Begehrlichkeiten andere Städte wecken. „Irgendwas kommt immer,“ gibt sich Olbricht zuversichtlich. Die Sammlung soll nicht unter Tage verbracht werden. „Sie ist in der Luft“. Derzeit fühlt sich der Sammler noch gut mit der Beantwortung der Leihanfragen aus aller Welt beschäftigt. Mit Essen ist zudem ein artist in residence-Programm vereinbart.
Aus Berlin zieht er ohne Groll ab. „Was ich in Berlin allerdings schon gespürt habe: Es gibt dort ein kulturelles Missverständnis, vielmehr ein Missverhältnis. Wir alle tragen die Kultur, die vielen Galerien, wie die Museen und Kunsthallen. Wir haben bei me alles selber gemacht, das Gebäude neu errichtet, die Ausstellungen aufgebaut, ohne jeden Cent öffentlicher Förderung. Hätte ja mal einer guten Tag sagen können.“ Doch niemand vom Senat oder vom Bund hat sich je blicken lassen.
Seine Memoiren hat Olbricht auch schon geschrieben und seinen drei Töchtern gewidmet, beziehungsreicher Titel: „Forget me not“.
Das Kapitel Berlin ist abgeschlossen. Der me Collectors Room wurde von der Stiftung Olbricht getragen, die Sammlung gehört dem Privatmann Olbricht. Daher seien auch alle Mutmaßungen, er habe hohe Steuervorteile nach Ablauf von zehn Jahren mitgenommen und seinen Laden deshalb in Berlin geschlossen, „Quatsch“.
2010 ließ der Sammler, Arzt und Industrieerbe (Wella) einen Neubau in die Auguststraße wuchten, gleich neben die Kunstwerke KW. Die Nachbarschaft blieb einseitig. Ein geplanter Zugang vom Hof der Kunstwerke aus blieb geschlossen.
“me” leuchtet es selbstbewusst in roter Neonlichtschrift von der weißen Hausfassade. Der fünfgeschossige Olbricht-Bau nahm zehn Luxus-Wohnungen auf. Olbricht selbst zog nie nach Berlin. Im Parterre richtete er eine Kunsthalle mit zwei großen hallenartigen Ausstellungssälen ein, dazu ein Foyer mit Buchladen und Café. Im ersten Obergeschoss eine Lounge und die “Wunderkammer” mit über 300 Exponaten aus Renaissance und Barock, was zusammen rund 1300 Quadratmeter ausmacht.
Nach dem Verkauf der Haarkosmetikfirma Wella 2003 für 5,3 Milliarden Euro, an der Olbricht maßgeblich beteiligt war, widmete er sich zunehmend seiner Sammelleidenschaft. Und heute? -„Das hat mehr oder weniger aufgehört.“
Als Olbricht seine Räume in Berlin aufmachte, war er ein Nachzügler. Hoffmanns, Maenz, Flick, Haubrock, Schürmann, Boros, Oehmen und Bergmeier waren schon da. Flick und Olbricht waren unbestritten die Schwergewichte. Dass beide zur selben Zeit Berlin nun wieder verlassen, zeigt eine Wende an. Mit „Passion Fruits” feierte Olbricht am 30. April 2010 groß Eröffnung. “Wo meine Sammlung in Zukunft zuhause sein wird, steht noch in den Sternen”, sagte der Sammler damals.
Die Olbricht-Collection ist eine der größten Kunstsammlungen in Europa, sie umfasst 2.500 bis 3000 Werke vom Mittelalter bis in die aktuellste Gegenwart von mindestens 250 Künstlern, darunter Gerhard Richter, Thomas Schütte, Thomas Demand, Marlene Dumas, Cindy Sherman, Jonas Burgert und Eric Fischl, dazu herausragende Beispiele Japanischer Kunst und Afrikanischer Plastiken. Wird die über Jahrzehnte zusammen getragene Sammlung in alle Winde zerstreut? Über seinen Großonkel Karl Ströhers (1890-1977) fand Olbricht in jungen Jahren zur Kunst. Auch dessen Traum war es, seine Kunstsammlung über seinen Tod hinaus als Ganzes zusammen zu halten. Fehlanzeige. Die Sammlung wurde in mehreren Tranchen verkauft. Allein sein Beuys-Block blieb in Darmstadt beisammen.
Zum Jubiläum und Abschied des me Collectors zeigte Thomas Olbricht “Moving Energies”. Der Titel entspricht dem Wunsch des Sammlers, Menschen zu bewegen und für die Kunst zu begeistern. Und Olbricht zeigte zum Abschluss, was er über die Jahre am liebsten machte, eine Kunstausstellung inszenieren. So wurde es zu einem betont privaten Einblick in seine Sammelleidenschaft. Eklektisch zusammengestellt in einem von seinen privaten Räumen inspirierten Szenenbild. Briefmarken und Feuerwehrautos, mit denen alles anfing, neben Jugendstilobjekten, romantische Landschaftsmalereien, neben Designermöbeln, Globen, altmeisterliche Stillleben und jene Wunderkammerobjekte aus Renaissance und Barock, die Olbricht zusammen mit Georg Laue über ein Jahrzehnt zusammen getragen hatte. Ein eigener Raum war 75 abstrakten Werken Gerhard Richters aus der Sammlung gewidmet. Ein umfangreiches Kinder- und Jugendprogramm und auch das „Wunderkammerschiff“, das die Stiftung Olbricht fördert, sollen bis Ende 2021 erhalten bleiben.
Nach umfassenden Umbauarbeiten wird die Sammlung Peter Janssen in die Auguststrße einziehen. Janssen unterhält eine der weltweit umfangreichsten Kollektionen zur Kunst der Samurai. Das “Samurai Museum Berlin” will durch die fernöstlichen Schaustücke unter Einsatz zukunftsweisender Technik einen einmaligen Einblick in die nahezu 1.000-jährige Geschichte und Kultur Japans unter dem Einfluss der Samurai bieten.
Redaktion: Anke Strauch
Der Buchtitel fand sich auf der Straße. Genauer gesagt war es eine Pizza-Bude in Miami Beach. Dort traf Thomas Olbricht zufällig Kris Martin. Der Künstler erzählte, was Künstler so machen, von seiner neuen Arbeit: Forget-Me-Not. Er plante Vergissmeinnicht zu sammeln, um sie die Pflanzen zu verbrennen. Mit der Asche wollte er den Namen schreiben. “Als ich das hörte, gab es keinen Moment des Zögerns. Ich hatte die ideale Lösung für mein Buch gefunden.” Dass das “Me” wieder an “prominenter Stelle auftauchte, bereite mir natürlich ein diebischen Vergnügen…”. Die Arbeit und viele mehr von Kris Martin kamen in die Sammlung. “Die Geschichte meines Lebens als Sammler” ist eine überaus lesenswerte Sammlerbiographie. Macht diebisches Vergnügen.
Sammlers Traum – “In den Sternen”