Morsbroich hatte die Nase vorn. Gleich im Januar 1951 konnte das alte Jagdschloss im Alkenrather Wald als erstes Museum für moderne Kunst nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Westdeutschland eröffnen. 1953 wurde es nach Leverkusen eingemeindet. Bald stieg es zu einer festen Bastion der rheinischen Avantgarde auf. Die Konzept Art fand hier früh Aufnahme. 1973 wurde im Museum Schloss Morsbroich bei einem geselligen Abend des SPD-Ortsvereins Joseph Beuys’ Badewanne zerstört (heute Lehnbachhaus, München).
Lang ist´s her. Als im Februar 2016 die SPD-Stadtspitze auf die Idee kam, die Wirtschaftsprüfer von der KPMG ins Museum zu holen, um „Einsparpotentiale“ zu finden, nahm der Niedergang seinen Lauf. Vom einstigen Bürgerstolz blieb ein „Sanierungsfall“. Die Chemie- und Düngemittelstadt am Rhein schien keine Lust auf ihr Museum zu haben. Ein Präzedenzfall. Es regte sich Widerstand gegen die Sparvorschläge, selbst Gerhard Richter schaltete sich mit einem Protestbrief ein. Der Deutsche Kulturrat setzte das Museum auf die Rote Liste, Kategorie 3, Vorwarnstufe.
Jetzt waren die Exitstrategen gefragt. „Konzepte zur Zukunftssicherung“ gab es zu Hauf. Eingespart wurden erst der Direktor, jetzt die Hauptkuratorin. Nachbesetzung Fehlanzeige. Wie lange die Besucher treu zu ihrem Museum halten?
Absturz könnte man es nennen. Der Museumsdirektor, Markus Heinzelmann, tauchte Anfang 2018 urplötzlich ab. Ein ungewöhnlicher Fall von ghosting. Der nach langer Prozedur ausgewählte Nachfolger, Martin Germann, lehnte dankend ab und trat gar nicht erst an. Jetzt verlässt Stefanie Kreuzer, seit 2011 als Hauptkuratorin im Haus, Morsbroich. Sie wechselt ans Kunstmuseum Bonn, dort wird sie Ausstellungsleiterin.
Leverkusens OB Uwe Richrath (SPD) hatte Heinzelmann „in beiderseitigem Einvernehmen“ vor die Tür gesetzt und die Suche nach einem neuen Museumsdirektor zur Chefsache erklärt. Eine Findungskommission ließ mehrere Kandiaten vorsprechen und entschied sich für Germann, Kurator am Stedelijk Museum Voor Actuele Kunst (S.M.A.K.) im belgischen Gent. Richrath damals: „Mein Ansatz ist es jetzt, den Direktorenposten so schnell wie möglich zu besetzen. Er ist lange genug nicht besetzt – das geht so nicht mehr.“ Nach Germanns Absage soll nun ein Headhunter die Suche erneut aufnehmen. Oliver Scheytt, ein kulturpolitisches Großkaliber, wurde unlängst beauftragt, die schwierige Personalfrage zu lösen. Von 1993 bis 2009 war Scheytt Kulturdezernent der Stadt Essen, zuletzt von 2006 bis 2012 Geschäftsführer der RUHR.2010, bevor er die Personal- und Strategieberatung Kulturexperten gründete.
Fritz Emslander, der letzte verbliebene Kurator in Morsbroich, übt sich in Bescheidenheit und wäre schon froh, wenn zuerst die Stelle von Kreuzer schnell nachbesetzt würde. “Wir befinden uns auf Warteschleife. In Unterbesetzung ist es ein angespanntes Arbeiten.“ Emslander plant einstweilen im Alleingang weiter. Der Ausstellungsbetrieb soll mit Gastkuratoren wie Heide Häusler, aufrechterhalten werden. „Aber natürlich gehen die Honorare für die Gastkuratoren von unserem schmalen Ausstellungsetat ab.“ Nicht nur wegen der akuten Schließung des Museums fühlt er sich „vorübergehend vereinsamt“.
Überdies hat sich OB Richrath mit dem Museumsverein überworfen. Bereits Anfang August hatten sich die Mitglieder des Museumsvereins Morsbroich aus sämtlichen Diskussionen und Planungen rund um die Zukunftssicherung des Museums zurückgezogen. Das von ihnen entwickelte Standortsicherungskonzept will Richrath nur in Teilen umsetzen. Der Museumsverein setzt auf die „Große Lösung“ und hatte rund 220.000 Euro an Eigenmitteln eingesammelt. Christian Strenger, Beitrat des Vorstands des Museumsvereins, geht es um den „großen Wurf“. Er will eine Parkumgestaltung und einen Neubau dazu im sog. äußeren Schlosspark. Der Frankfurter Investmentbanker, der lange die private Förderung der Frankfurter Schirn Kunsthalle steuerte, steht einer Teillösung kritisch gegenüber. Strenger setzt sich auch dafür ein, aus den Remisen, die das Schloss halbkreisförmig umgeben, „etwas zu machen“. Das gesamte Ensemble lässt seiner Überzeugung nach Raum für Kunst und Wirtschaft. Für einen Neubau liegen seit Jahren Planungen vor. Doch kommt es jetzt einmal der Park dran.
Immerhin steht der Sieger des freiraumplanerischen Wettbewerbs für die Neugestaltung des Parks fest: Nach dem Entwurf von POLA Landschaftsarchitekten GmbH aus Berlin wird in Kürze zumindest der Park überarbeitet. Zu den privaten Geldern des Museumsvereins kommen knapp 1,1 Millionen Euro an Bundesmitteln für die Parkumgestaltung hinzu. Den Rest muss die Stadt selbst tragen. Ausgespart bleibt der Bauplatz für den „Zubau“, dessen Kosten im Standortkonzept mit grob 9,6 Millionen Euro angesetzt sind. „In weiter Ferne“, sieht Fritz Emslander diese Neubaupläne. Ihn drücken da ganz andere Sorgen.
Auf die andere Rheinseite nach Bonn wechselt seine langjährige Kollegin Stefanie Kreuzer. Die 1966 in Ludwigshafen am Rhein geborene Kunsthistorikerin tritt die neue Stelle am 1. Oktober an. Sie studierte bei Werner Busch an der TU Berlin u.a. Italienische Linguistik und Kunstgeschichte. In Morsbroich hat sie „echt Glück gehabt, Ausstellungen so zu machen, wie ich es wollte. Selbstverständlich ein Verschleißjob, wenn man alles selbst machen muss.“ Herausgesprungen ist z.B. Duett mit Künstler_in. Partizipation als künstlerisches Prinzip im Sommer 2017, eine Gruppenausstellung mit Werken u.a. von Vito Acconci, Robert Barry, Joseph Beuys, Angela Bulloch, John Cage, Hans Haacke, Jeppe Hein, Pierre Huyghe, Mischa Kuball, Dieter Meier, Bruce Nauman, Yoko Ono, Haegue Yang oder dem Zentrum für Politische Schönheit. Aber auch Next Generation, ein gelungener Überblick über die junge Fotoszene des Rheinlands. In Bonn will sie thematische Ausstellungen zeigen, „die werden gar nicht mehr so viele gemacht.“ Für das kommende Jahr steht „beuys 2021“ fest auf dem Programm. Joseph Beuys wurde 1921 in Krefeld geboren, das Kunstmuseum Bonn hält die gesamten Multiples von Beuys in seiner Sammlung. Mit dem inzwischen pensionierten Christoph Schreier arbeitet sie bereits an einer Beuys-Ausstellung, „Der ganze Beuys“.
Besonderes Interesse möchte Stefanie Kreuzer zudem auf das Spannungsfeld Kunstpraxis und Kunsthandlung legen. Daraus eine Ausstellung zu entwickeln, ist nicht ganz so einfach. Arbeitstitel: „Propaganda für die Wirklichkeit.“ Kreuzer liebt anspruchsvolle Themen und kuratorische Herausforderungen. Im Blick behalten will sie „ganz bestimmt“ die rheinische Kunstszene, besonders die weiblichen Positionen. Ihren Wohnsitz in Düsseldorf will sie einstweilen behalten.
Redaktion: Anke Strauch
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